Geräusche der Nacht -47
"In dem ältesten Zeitungsartikel wird berichtet, dass eine Joggerin von einem großen Hund entführt worden ist. Die Joggerin war nicht allein. Sie war mit ihrer Freundin im Grünburgpark bei Dunkelheit unterwegs und sind kurz vorher zwei anderen Joggerinnen begegnet. Diese Joggerinnen haben dann die Polizei gerufen, die dann die Aussagen aufgenommen hat. Tags darauf hat die Polizei eine Personenfahndung in den Medien veranlasst und einen weiteren Tag später taucht die Entführte unter mysteriösen Umständen wieder auf. Ihre Aussage zu der Entführung schien wenig glaubhaft, aber man hat außer einem Schock nichts festgestellt, das medizinisch relevant wäre. In einem jüngeren Zeitungsartikel steht nun, dass die Polizei die Ermittlungen eingestellt hat."

"Ich kann mich dunkel erinnern," erwidert ihm Liam. "In der Zeitung steht so viel, das sich hinterher als reine Spekulation herausstellt..."

Herr Beltz nickt.

"Das stimmt schon. Aber eben das Unglaubliche an der Geschichte hat es meinem Schriftstellerherz angetan. Daraus lässt sich mit etwas Phantasie eine Geschichte stricken, die an die Urängste der Menschen appelliert. Das brächte mir Leser. Wenn sie möchten, kann ich ihnen einen Teil meines Honorars abtreten. Da müssten wir aber einen rechtssicheren Vertrag machen."

"Hm," macht Bastian, "und was möchten Sie dann von uns?"

Er sieht leicht verärgert aus. Ich lege ihm meine Hand beschwichtigend auf seinen Arm. Er schaut mich an und ich lächele ihm zu. Herr Beltz antwortet:

"Bei der Vernehmung durch die Polizei mussten die Zeugen ihre persönlichen Daten angeben. Sorry, aber außer mir hat diese Daten wirklich niemand! Deshalb komme ich nun zu Ihnen. Ich verspreche mir von dem Gespräch ein Setting, einen Hintergrund, vor dem ich den Roman spielen lassen kann, der mir vorschwebt."

"Okay, Sie wollen also einen Fantasy-Roman schreiben, habe ich recht?" frage ich unseren Tischgast nun.

Er schaut lächelnd in meine Richtung und sagt:
"Genau, das ist meine Absicht."

"Dürfen wir uns ein paar Tage Bedenkzeit erbitten?" frage ich nun.

Marga hat bisher stumm zugehört und den Mann aufmerksam beobachtet. Sie ergänzt meine Frage:

"Haben Sie schon einmal Fantasy-Romane geschrieben? Oder was ist bisher ihr Genre gewesen?"

"Oh," meint Herr Beltz lächelnd. "Eigentlich alles Mögliche, was Einnahmen verspricht. Sie müssen wissen, dass Schreiben eine Leidenschaft ist. Leidenschaften werden nicht immer von den Leuten geteilt und so kann es vorkommen, dass man am Hungertuch nagt. Deshalb durchforste ich andere Publikationen auf der Suche nach DEM Aufhänger. Dabei braucht es oft die Nase eines Detektivs."

Nun muss ich schmunzeln.

"Und ihre Nase hat Sie also zu uns geführt?" frage ich belustigt.

"Haben Sie Interesse?" fragt er.

"Wie schon gesagt, lassen Sie uns bitte etwas Bedenkzeit."

Er nickt lächelnd und erhebt sich, klopft mit den Knöcheln auf den Tisch und verlässt uns. Wir schauen uns bedeutungsschwer an und Liam bringt es auf den Punkt:

"Dass diese Werwölfe, um an einen von uns heranzukommen, stets Uneingeweihte mit hineinziehen müssen..."