Sonntag, 25. September 2022
Die Unterwelt des Achad Dùir Meave 22
Donnernder Applaus hallt von den Rängen. Überwältigt stehe ich in der Mitte des Dressurfeldes. Ich habe es geschafft! Es ist vorbei! Ich habe diesen Wettkampf hinter mich gebracht und mich von meiner besten Seite gezeigt!

Um auf meinen erschöpften Beinen das Gleichgewicht zu halten, muss ich die Hufe etwas weiter auseinanderstellen. Ganz langsam wird mir bewusst, wie sehr ich mich verausgabt habe. Meine Muskeln brennen, als würden sie in Flammen stehen. Mein Herz schlägt so wild, als will es mit Gewalt durch meine Rippen brechen.

"Das hast du sehr gut gemacht!" sagt eine ruhige Stimme in meiner Nähe.

Den Kopf anhebend, sehe ich, dass mein Trainer an mich herangetreten ist. Ich nicke nur leicht mit dem Kopf, zu einer anderen Gefühlsregung bin ich nicht mehr fähig. Er befestigt die Führleine an meinem Zaumzeug und führt mich mit langsamen Schritten aus dem Stadion und in meine Box. Mit leicht gesenktem Kopf, aber zufrieden mit meiner Leistung, folge ich ihm.

Ist der Weg von meiner Box zur Wettkampf-Arena vorhin auch schon so lange gewesen? Erschöpft schleppe ich mich den Weg entlang und bin kaum in der Lage, meine Hufschuhe richtig anzuheben. Endlich erreichen wir den Stall. Mister Wagner führt mich in meine Box zurück. Müde will ich mich auf die Schlafstatt fallen lassen, aber mein Owner hindert mich daran, indem er nach meinem Zaumzeug greift.

"Warte kurz, Mädchen!" sagt er mit sanfter Stimme. "Lass mich dich abtrocknen, sonst erkältest du dich am Ende noch."

Ich senke leicht den Kopf. Er meint es gut. Wie immer hat er nur das Beste im Sinn. Also warte ich ab, während er sich an meinem Zaumzeug zu schaffen macht.

"Die brauchst du jetzt erst mal nicht mehr," meint er und löst die vor Speichel tropfende Trense aus dem Kopfgeschirr.

Ich schließe die Augen und spüre, wie das Handtuch über meine feuchte Haut gleitet.

"Du warst wirklich unglaublich!" lobt er mich, während er meinen Oberkörper abreibt.

Als er schließlich bei meinen Beinen angekommen ist, zittern mir bereits die Knie vor Anstrengung. Ich fühle, wie erst mein rechtes, dann mein linkes Bein abgetrocknet wird, ehe er das Handtuch zur Seite legt.

"So, jetzt kannst du dich hinlegen!" entscheidet Mister Wagner, während er aufsteht und mich kurz anlächelt.

Mit ein paar wackeligen Schritten nähere ich mich der Schlafstatt und lasse mich so behutsam, wie es mir mit der restlichen Kraft noch möglich ist, fallen.

Mein Trainer hockt sich neben mich und tätschelt meinen Kopf.

"Ruh dich aus! Das hast du dir verdient!" meint er.

Ich lächele matt. Plötzlich zucke ich leicht zusammen und hebe den Kopf, als ich etwas Kühles auf meinem linken Oberschenkel spüre.

"Schhh, ganz ruhig. Ich creme dir nur die Beine mit einer Sportsalbe ein," erklärt Mister Wagner.

Es fühlt angenehm an, als er die Creme in meine Haut einreibt. Sie hilft mir, die verkrampften Muskeln zu entspannen und die leichte Kühle der Creme scheint meinen aufgeheizten Körper zu kühlen.

Bald ist er fertig, verstaut den Tiegel und verlässt die Box. Sorgfältig verschließt er das Boxen-Tor und geht davon. Ich schaue ihm kurz nach, ehe ich meinen Kopf wieder ablege. Richtig schlafen kann ich nicht. Es ist ein fortwährendes Kommen und Gehen im Stall. Mein Adrenalin-Spiegel ist immer noch hoch.

*

Ich muss wohl doch irgendwann eingedöst sein. Jetzt aber weckt mich zunehmende Unruhe im Stall. Schritte nähern sich meiner Box. Ich gähne, öffne die Augen und stelle fest, dass Mister Wagner gerade in meine Box gekommen ist.

"Hey, du kleine Schlafmütze, aufwachen! In ein paar Minuten geht die Siegerehrung los, die willst du doch sicher nicht verpassen?" meint er.

Er lächelt mich an und geht neben mir in die Hocke, um mir aufzuhelfen. Noch ein wenig träge gehe ich zum Wassertrog, tauche mein Gesicht in die kühle Flüssigkeit und trinke ein paar Schlucke. Sofort kehren meine Lebensgeister zurück. Mit einem Schlag wird mir bewusst, was mein Owner gerade gesagt hat. Die Siegerehrung fängt gleich an! Mein Herz macht einen Hüpfer. In ein paar Minuten werde ich wissen, ob ich zu den Gewinnern des Wettkampfes zähle! Kaum, dass mir der Gedanke durch den Kopf gegangen ist, schlägt eine Welle der Aufregung über mir zusammen.

Mister Wagner greift nach meinem Zaumzeug und zieht mich sanft zu sich. In der anderen Hand hält er die Trense, die er nun wieder zwischen meine Zähne drückt und an den Ringen an meinen Wangen befestigt.

"Schau nicht so, das ist nun mal Vorschrift. Im Stadion müssen alle Pferde eine Trense tragen. Immerhin haben sie die Regeln hier im Stall gelockert," meint er und sorgt mithilfe einer kleinen Bürste dafür, dass mein Irokese wieder ordentlich aussieht.

Im Gang treffen wir auf die anderen Stuten, die ebenfalls von ihren Trainern nach draußen geführt werden. Wir verlassen den Stall. Mit jedem Schritt spüre ich meine Aufregung anwachsen. Nicht mehr lange, bis das Ergebnis verkündet wird.

Auf dem Dressurfeld haben sich bereits einige Owner mit ihren Ponys eingefunden und warten darauf, dass es losgeht. Mister Wagner sucht mit mir einen Platz, von dem wir einen guten Blick auf das Siegerpodest haben.

Nach kurzer Wartezeit ertönt die Stimme des Stadionsprechers. In seiner Hand hält er ein drahtloses Mikrofon. Ich richte meine Aufmerksamkeit auf den Mann.

"Meine Damen und Herren, wir haben es geschafft. Alle 12 Ponys haben ihre Dressurprüfung hinter sich gebracht. Kommen wir nun also zur Siegerehrung," erklärt der Mann und ein kurzer Applaus ertönt.

Er zieht einen Zettel aus seiner Tasche und entfaltet ihn knisternd. Dann sagt er:

"Mit 102 Punkten geht der dritte Platz an ?Rosa? aus dem Gestüt Wagner! Bitte kommen Sie mit ihrem Pony nach vorne, Mister Wagner!"

Mein Trainer zieht mich an der Führleine und bahnt sich mit mir einen Weg nach vorn.

"Herzlichen Glückwunsch, das war eine gute Leistung," gratuliert der Mann mit dem Mikrofon.

Jubel brandet auf. Er überreicht meinem Owner eine strahlend weiße Turnierschleife, die er dankend annimmt. Dann stellen wir uns auf die unterste Ebene des Treppchens.