Samstag, 10. Februar 2024
Geräusche der Nacht -36
Sie packen Säcke, die sie sich auf den Rücken schnallen und gehen hinunter zur Kinzig. Dort folgen sie ein kurzes Stück dem Uferpfad und überqueren die hölzerne Brücke. Nach einer Weile der Wanderung entlang eines Pfades in den Wald setzen sie sich auf einem kleinen Grasplatz und suchen einige Zweige zusammen. Damit machen sie ein Feuer und bereiten Bastian ein Lager.

Agnes öffnet ihm die Jacke und streift sein Hemd hoch. In seinen Achselhöhlen sind große Pestbeulen sichtbar, prall angeschwollen und dunkel verfärbt.

"Wir schneiden sie auf, damit das Gift abfließen kann!" entscheidet Agnes.

Markus reicht ihr sein Messer. Sie hält es in die Flammen und sticht dann die Beulen auf. Bastians Schreie dröhnen in ihren Ohren.

"Wäre er wie wir, könnte er gesund werden," resümiert Sophia leise.

"Aber er ist nun einmal nicht wie wir," gibt Markus zu bedenken.

"Aber er könnte es werden."

"Willst du ihm dein Seelenheil opfern?"

Sophia schaut eingeschüchtert zwischen Agnes und Markus hin und her.

"Keiner von uns kann das also tun?"

Sie springt auf und ist zwischen den Büschen am Rand der kleinen Lichtung verschwunden. Nach einer Weile, als Sophia auch nicht auf Rufe reagiert, steht Markus auf und geht in die Richtung, in der Sophia verschwunden ist.

Wenige Minuten darauf kommt er mit ihrem Gewand zurück zum Lagerplatz. Agnes wechselt gerade das feuchte Tuch auf Bastians Stirn, als die Hölle losbricht. Vier Werwölfe nähern sich dem Lager im Galopp. Agnes streift in aller Eile ihr Gewand ab. Sie nimmt sich nicht die Zeit, dafür die Knöpfe zu öffnen. Die kann man später wieder annähen.

Agnes lässt ihre Wölfin heraus. Sie nimmt Sophias Witterung auf und auch Markus Duft spürt sie. Daneben sind noch weitere unbekannte Gerüche zu spüren. Plötzlich hört sie wildes Knurren und das Brechen von Ästen. Dann brechen die Kreaturen zwischen den Bäumen hervor, mit entblößten Eckzähnen. Sie verfolgen eine schlanke Wölfin mit hellem Fell.

Agnes macht sich zum Sprung bereit. Die Glut des Lagerfeuers zerstiebt von einem Prankenhieb, als der Werwolf vor ihr stoppt. Sie verzichtet auf Drohgesten und wirft sich dem Wolf entgegen. Ihre Zähne verbeißen sich in seinem Hinterlauf. Noch einmal schnappt sie zu und bekommt etwas Weiches zwischen die Zähne. Der Werwolf jault auf und lässt sich auf die Seite fallen. Sofort lässt sie los und springt auf ihn. Sie erwischt ihn in Schnauze und Nase.

'Nicht töten!' warnt eine Stimme in ihrem Kopf. 'Nicht töten. Deine Seele...'

Die Stimme klingt ein wenig wie Grete. Vorsichtig lässt sie von dem Werwolf ab, der sich wimmernd ins Gestrüpp verzieht. Agnes schaut sich um. Sophia steht neben Bastian und verteidigt ihn gegen zwei weitere Kreaturen. Einer beugt sich über den Jungen. In diesem Moment werden die Kreaturen von einem anderen Wolf attackiert, der Sophia zu Hilfe kommt.

Agnes nimmt einen kurzen Anlauf und springt der Kreatur auf den Rücken, die Sophia angreift. Sie gräbt ihre Fänge in dessen Genick. Er schüttelt sie ab. Sie rollt über das Gras ab und kommt wieder auf die Pfoten. Sie knurrt warnend und fletscht die Zähne, an denen noch das Blut des Anderen klebt. Agnes springt auf den Anderen zu, aber dieser zuckt zurück, dreht ab und verschwindet im Wald.