Die Unterwelt des Achad Dùir Meave 18
Mister Wagner erhebt sich und hängt den bereits vorbereiteten Futtertrog an die Metallrohre des Boxen-Tors. Danach bringt er den anderen Ponys ihr Frühstück.
Etwas ungelenk erhebe ich mich mit recht wackeligen Beinen. Das Aufstehen ist so schon jeden Morgen eine Herausforderung, weil meine Hände auf dem Rücken in der Manschette stecken und ich außerdem die Hufschuhe trage, in denen ich gezwungen bin, auf den Fußballen zu laufen. Zuerst gehe ich zu der Wanne und stelle mich breitbeinig darüber. Danach komme ich vor und inspiziere mein Frühstück.
Heute hat er mir ein Müsli aus Getreideflocken mit Früchten in ein wenig Wasser angerührt. Ohne wirklichen Hunger zu verspüren, senke ich den Kopf über den Trog und beginne zu fressen.
"Friss ausreichend," mahnt er. "Ich hole dich gleich ab."
Danach verlässt auch er den Stall und ich bin mit den anderen Ponys alleine. Von überall aus den Boxen sind Fressgeräusche zu hören. Mit der Zunge sammele ich etwas Müsli ein und kaue dann recht lustlos darauf herum. Das Frühstück schmeckt besser als die trockenen und fast geschmacklosen Pellets, die ich sonst häufig bekomme. Aber heute Morgen merke ich davon nicht viel. Mit meinen Gedanken bin ich schon auf der Dressurbahn.
Ein paar Minuten darauf stehe ich wartend am Boxen-Tor. Alles habe ich nicht gegessen, aber genug, um in den nächsten Stunden keinen Hunger zu bekommen.
Wieder nähern sich Schritte. Mister Wagner hat das Kopfgeschirr in der Hand. Er öffnet das Boxen-Tor und tritt näher an mich heran. Ich beuge den Kopf ein wenig vor und er legt mir das Zaumzeug an. Die beiden Ringe, die zu beiden Seiten ihres Mundes angebracht sind, bleiben noch frei.
"Die Trense brauchst du im Wagen ja nicht," stellt er sachlich fest. "Dann lass uns mal aufbrechen! Die Rikscha wartet schon."
Er befestigt eine kurze Führleine an einem der beiden Metallringe und führt mich daran aus dem Stall. Draußen steht sein Sohn schon bereit, um den Stall wieder zu schließen. Wir gehen einen Gang entlang und durch die Garage, in der der Wagen mit den drei Transportboxen steht. Draußen vor der Garage hält eine Rikscha mit einer Transportbox und einem muskulösen Hengst vorgespannt.
Die Tageslichtlampen an der Höhlendecke geben erst noch ein diffuses Licht ab. Mister Wagner führt mich die Rampe hinauf und bugsiert mich in die offene Box, die er dann mit einem aufmunternden Lächeln verschließt. Danach hebt er die Rampe an und verriegelt sie rechts und links.
Gleich darauf schaukelt die Rikscha etwas, als Mister Wagner und der Rikschafahrer auf der Sitzbank Platz nehmen. Dann zieht der Hengst an und die Fahrt geht los. Es dauert nur wenige Minuten bis wir das U-förmige Stadion mit dem Dressurfeld inmitten der Zuschauerränge erreicht haben. Diesen Weg habe ich im Training schon oft gemacht. Heute ist es jedoch etwas Besonderes! Heute sind auch noch andere Stuten da und Wettkampfrichter werden Punkte vergeben.
Schon bald biegt die Lastenrikscha in die Haltespur des Eingangs für Turnierteilnehmer ein und hält unter dem Überhang der Tribüne. Mister Wagner kommt nach hinten und entriegelt die Hecktür, um sie als Rampe flachzulegen. Anschließend kommt er zu mir und führt mich nach draußen.
"Jetzt hast du es beinahe überstanden," witzelt er.
Der Rikschafahrer hat wohl schon sein Geld bekommen, denn er kommt nur nach hinten, um die Hecktür wieder zu verriegeln. Während er sich wieder auf die Sitzbank setzt und dem Hengst das Startzeichen gibt, ist Mister Wagner mit mir schon durch die Eingangstür gegangen und hat das Foyer betreten. Er führt mich zu der Dame am Tresen und führt die Anmeldeformalitäten durch.
Anschließend führt mich mein Owner in den Stall des Stadions. Er sucht die Nummer meiner Box und führt mich dort hinein. Einige andere Ponys befinden sich schon im Stall. Sie schauen sich nervös und aufgeregt um. Ihre Trainer stehen bei ihnen und reden ihnen gut zu.
"Ich hole eben frisches Wasser für dich," erklärt Mister Wagner, schließt das Gittertor der Box und verschwindet aus meinem Sichtfeld.
Ich versuche, mich mit geschlossenen Augen und regelmäßigen Atemzügen zu beruhigen. Kurz darauf ist Mister Wagner mit einem Trog zurück. Er hängt ihn an die Seitenwand der Box und meint mit einem Lächeln:
"Trink ein bisschen was. Ich schaue eben, welchen Startplatz du hast, dann mache ich dich frisch."
Wieder verlässt er mich. Ich gehe zur Boxenwand und tauche meinen Mund in das kühle Nass. Gemächlich schlürfe ich das Wasser. Nach einer Weile spüre ich, wie jemand leise das Boxen-Tor öffnet. Ruckartig hebe ich den Kopf aus dem Trog.
"Schsch, ich wollte dich nicht erschrecken!" beschwichtigt mein Owner. "Geht es dir jetzt besser?"
Ich lege den Kopf schief. Eigentlich bin ich immer noch nervös und angespannt. Die Angst vor einer Niederlage ist ebenfalls unterschwellig vorhanden. Doch inzwischen spüre ich den unbedingten Willen, einen Treppchenplatz zu ergattern. Eine gewisse Vorfreude auf den Wettbewerb macht sich bemerkbar. Dieses Gemenge führt zu einem merkwürdigen Gefühl in der Bauchgegend. Ein wenig unsicher blinzele ich mein Gegenüber an.
"Wenn du erst einmal draußen auf dem Wettkampffeld stehst, ist das alles wie weggeblasen," behauptet er und streicht mir sanft über die Wange. "Jetzt gehen wir erstmal und putzen dich richtig schön raus. Dafür haben wir noch Zeit!"
Mister Wagner führt mich an einen Platz in der Nähe der Boxen, an deren Wand in Abständen Wasseranschlüsse montiert sind. Daran hat man jeweils einen Wasserschlauch mit einer regelbaren Düse angeschlossen. Mein Owner geht mit mir zu dem ersten freien Platz, befestigt meine Führleine an einem Ring in der Wand über dem Wasseranschluss und greift nach dem Schlauch.
Er lässt das Wasser laufen und hält seine Hand testend in den Strahl. Danach regelt er die Temperatur und prüft erneut. Nachdem er zufrieden ist, richtet er den Strahl auf mich.
Der Wasserstrahl lässt mich im ersten Moment zusammenzucken, denn er ist allenfalls lauwarm. Das Wasser prasselt gegen meine Haut, läuft meinen Oberkörper und die Beine hinunter und führt bei mir zu einer leichten Gänsehaut. Mit der freien Hand dreht er mich an der Schulter leicht herum und sorgt auf diese Weise dafür, dass keine Stelle meines Körpers trocken bleibt.
Ich senke meinen Kopf ein wenig, damit er auch meine Haare waschen kann. Für einen Augenblick erlischt der Wasserstrahl. Mister Wagner drückt etwas aus einer Tube und schäumt damit meine Haare ein. Anschließend spült er alles mit dem Wasser wieder aus meinem Haar und sprüht den Schaum von meinem Körper. Danach rubbelt er mich mit einem großen Handtuch trocken.
hrpeter am 13. September 22
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