Die Unterwelt des Achad Dùir Meave 69
Der Stall hat seinen ganz eigenen Geruch. Es ist ein schwerer Duft, der die verschiedenen Noten des Strohs, der hölzernen Wände und Decke und natürlich auch der anwesenden Ponys vereint. Ich mag ihn inzwischen sehr. Ist es doch der Geruch meines Zuhauses geworden und bedeutet gleichzeitig Ruhe und Geborgenheit für mich.
Bisher habe ich noch keine Rikscha mit Fahrgästen gezogen. Dafür hat Mister Smith die anderen Hengste angespannt. Einer seiner Mitarbeiter hat sich dann auf den Kutschbock gesetzt und den Transportauftrag ausgeführt. Mich hat er dagegen jeden Tag zum Longierzirkel geführt und meine Kondition trainiert.
Darüber sind einige Wochen vergangen. Eines Morgens holt Mister Smith mich und den erfahreneren Hengst nach der Morgenhygiene und dem Frühstück aus unseren Boxen und spannt uns vor die Vierpersonen-Rikscha. Er hat hinter die Rückbank noch ein Gepäcknetz gespannt. Anscheinend sollen wir Reisende transportieren.
Nach den Vorbereitungen setzt er sich persönlich auf den Kutschbock hinter uns, schlenkert die Zügel und schnalzt mit seiner Zunge. Wir ziehen an. Für mich ist es die erste Fahrt nachdem Mister Smith mit mir und dem anderen Hengst von der Verwaltung zu seinem Stall gefahren ist. Der Elektromotor an der Achse, der uns unterstützt, lässt mich das Gefährt als leicht empfinden.
Mister Smith steuert mit uns den U-Bahnhof der Stadt Son-Doong -Bergfluss- in der gleichnamigen Höhle an. Der Milliardär Achad D. Meave hat von Hanoi bis hierher eine Röhrenbahn durch den Untergrund getrieben. Einerseits hat er damit Erfahrungen sammeln wollen, um solche Röhrenbahnen auch anderswo bauen zu können. Andererseits möchte er durch die Neugier der Vietnamesen auch Geld verdienen. Irgendwann soll die Stadt und die U-Bahn dann an die vietnamesische Regierung fallen.
Nach zehn Minuten halten wir vor dem U-Bahnhof an und Mister Smith geht auf eine Familie zu. Er spricht kurz mit ihnen und lädt sie dann ein, sich der Rikscha zu nähern. Nachdem er ihnen mit dem Gepäck geholfen hat, besteigen die Frau und die beiden Kinder die Rücksitzbank, während der Mann sich neben Mister Smith setzt. Ohne den Hengst an meiner Seite hätte ich Probleme gehabt, die einachsige Rikscha in der Waage zu halten.
Als alle sitzen, erhalten wir das Startsignal und ziehen an. Es dauert etwas über zehn Minuten bis Mister Smith uns in die Haltebucht vor dem Eingang des Presidential Hotels einbiegen und halten lässt. Das Hotel ist äußerlich nicht von den anderen Wohnblocks zu unterscheiden, wie auch die Verwaltung vor Wochen nicht.
Mister Smith löst das Gepäcknetz hinter der Rückbank und hebt das Gepäck herunter. Als die Familie auf das Portal zugeht, während er alles wieder festzurrt, riskiere ich einen Blick auf die Familie. Es sind Einheimische in westlicher Kleidung. Die Kinder bleiben immer wieder stehen und drehen sich nach uns um. Die Mutter hat ihre liebe Not, die Beiden in das Hotel zu führen.
Danach lässt Mister Smith uns wieder zum U-Bahnhof zurücktraben. Wir nehmen dort die nächsten Fahrgäste auf, die wir ebenfalls am Hotel wieder absetzen. Wir sind nicht die einzige Rikscha, die Fahrgäste am Bahnhof abholt, denn morgen ist ein Dressur-Wettbewerb im Stadion und übermorgen findet darin ein Lauf-Wettbewerb statt.
hrpeter am 12. Februar 23
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