Wolfskind -15
Ich lasse mich bei ihnen nieder und berühre den Alpharüden mit meiner Hand. Das heißt, ich will ihn berühren und ihm über den Kopf streicheln. Ohne Körper ist mir das allerdings nicht möglich. Aber allein der Wille, das zu tun, scheint seine Wirkung nicht zu verfehlen. Der Wolf öffnet die Augen. Sicher kann er mich nicht sehen, aber ich habe den Eindruck, dass er mich spüren kann. Ein Gefühl grenzenloser Zuneigung überschwemmt mich. Ich sinke in ihrer Mitte zu Boden. In der Folgezeit achte ich auf die neugeborenen Welpen, während die Eltern in der Morgen- und Abenddämmerung jagen. Die vier ältesten Welpen sind inzwischen abgewandert, um irgendwo neue Rudel zu gründen.

*

Als Dad am Spätnachmittag von der Arbeit kommt, unterbreche ich mein Geigenspiel, lege sie zur Seite und laufe ihm entgegen. Im Livingroom umarme ich ihn und informiere ihn:

"Mama ist krank!"

"So? Was hat sie denn?" fragt er zurück.

"Ich weiß es nicht!" antworte ich und drücke mich an ihn. "Als ich aus der Schule gekommen bin, hat dieser Zettel an der Haustür geklebt..."

Ich gebe Dad den Zettel. Er liest laut:
"Dear Clyde. This is Jake. We’ve got an emergency call from Liz und found her laying unconscious on the floor. We did the resuscitation and are now taking her to the St.Johns Hospital."

"Hm," macht Dad. "Komm, wir fahren ins Krankenhaus."

Er dreht um und ich folge ihm zum Auto. Ungefähr eine halbe Stunde später parkt Dad auf dem Parkplatz vor St.Johns. Wir sind beide unruhig, als wir an die Rezeption herantreten und die Angestellte ansprechen.

"Hello, we are Clyde Smit and daughter. Did a patient come in here today by the name of Elizabeth Smit?"

Sie tippt den Namen in ihren Computer. Dann schaut sie auf und fragt:
"Bitte, wann war das heute?"

Dad schüttelt bedauernd den Kopf und antwortet:
"Leider weiß ich das nicht. Sie wurde von einem Krankenwagen aus Clearwater hergebracht."

Wieder tippt sie etwas ein und schaut auf den Bildschirm. Dann meint sie:
"Setzen Sie sich bitte dort! Ich rufe jemand, der Sie führen kann."

Die Angestellte telefoniert. Wenige Minuten später kommt ein Mann in einem weißen Kittel. Er schaut sich um und fragt:

"Mister Smit?"

Dad erhebt sich und macht einen Schritt auf den Mann zu. Ich stehe ebenfalls von meinem Stuhl auf und stelle mich neben Dad. Die beiden Männer haben sich gerade mit Handschlag begrüßt. Nun schaut der Arzt auf mich und fragt:

"Du bist die Tochter?"

Ich nicke eifrig und bestätige es ihm. Er legt die Stirn in Falten und meint:
"Darf ich dich bitten, hier zu warten? Ich möchte deinem Vater etwas zeigen. Es dauert nicht lange."

"Okay," gebe ich zurück und gehe zu meinem Stuhl. Dad geht mit dem Mann davon.

Nach einiger Zeit kommt Dad zurück. Er winkt mir stumm. Es scheint, als blickt er durch mich hindurch. Wir verlassen das Krankenhaus und fahren nach Clearwater zurück. Die ganze Fahrt über sagt Dad kein Wort und ich wage es nicht, ihn nach Mummy zu fragen. Dad fährt zum Haus meiner Großeltern. Grandma ist eine geborene Tlingit, gehört also zu den First Nations. Er klopft an die Tür und Grandpa öffnet. Ich falle ihm um den Hals und laufe zu Grandma. Beide haben im Diningroom beim Dinner gesessen.