Geräusche der Nacht -54
---Juni 2020 Frankfurt---

Per E-Mail erhalte ich, Liam, das Manuskript des Romans von Herrn Beltz. Ich lade das Word-Dokument zur besseren Lesbarkeit auf mein Tablet und vergrabe mich danach darin. Er schreibt folgendes:

--Tessa und der Wolf--

"Happy Birthday to you, happ..."

Anita öffnet die Tür zum Zimmer ihrer Tochter. Auf dem linken Arm balanciert sie eine Cremetorte mit Marzipan-Überzug und einem Marzipan-Saurier, Tessas Lieblingstier zurzeit. In der Mitte flackert unruhig eine Kerze. Sie schaut zum Bett ihrer Tochter und findet es leer.

Enttäuscht stellt Anita die Torte für Tessies 15.Geburtstag auf dem Schreibtisch ab und fingert in ihrer Hose nach ihrem Handy. Sie klingelt ihre Tochter an. Doch statt Tessa sich meldet, ertönt das vertraute Klingelzeichen aus der Schublade der kleinen Kommode neben dem Bett.

*

"Therese, träum' nicht!"

Frau Websky, unsere Geschichtslehrerin redet über die Zeit der Ritter. Doch meine Gedanken wandern immer wieder zu der verfallenen Burg, wohin uns unser letzter Klassenausflug geführt hat.

In der großen Pause frage ich Joe, einen Jungen aus meiner Klasse, ob er mich in den Ferien dorthin begleiten würde, doch er sagt ab. Er fährt mit seinen Eltern an die See, sagt er. Schade, denn das erste Ferien-Wochenende liegt schon vor uns.

In meinen Träumen sehe ich mich als Burgfräulein in einer Burg leben. Wie das damals wohl gewesen sein mag?

*

Ich, Tessa, sitze im Zwinger des Tierheims am Rande meiner Heimatstadt. Obwohl heute Sonntag ist und ich ausschlafen könnte, habe ich in aller Frühe die Wohnung verlassen, um nach den Tieren zu schauen. Dazu bin ich auf Strümpfen zur Tür geschlichen, denn Mama ist schon in der Küche zugange. Sie sieht es nicht gerne, dass ich so viel Zeit neben der Schule für das Tierheim aufwende und ich möchte ein Streitgespräch vermeiden.
Es wird Vormittag, bis ich mein Fahrrad zuhause in unseren Kellerraum schiebe und nach oben in die Wohnung gehe.

"Du warst wieder bei den Hunden..." empfängt Mama mich in vorwurfsvollem Ton.

"Du weißt doch, dass ich morgens Gassi gehe," antworte ich ihr, leicht genervt.

"... und vergisst darüber deinen eigenen Geburtstag!" hält sie mir vor.