Geräusche der Nacht -40
"Hm," macht Marga nun. "Wo sich Agnes jetzt aufhält, weißt du nicht?"

"Leider nein, Marga," antwortet Sophia bedauernd. "Aber sie sind zu zweit. Markus hilft ihr, wo er kann, und repariert bei den Nachbarn alles was kaputtgeht, wenn sie ihre Tätigkeiten über die Jahrhunderte beibehalten haben. Agnes träumte davon, sich irgendwann zur Ruhe zu setzen und mit Markus Ziegen zu züchten. Aber solange die Menschen sie brauchen, wird daraus wohl nichts."

"Okay, vielen Dank, Sophia. Dein Bericht ist irgendwie schon tröstlich. Gleichzeitig aber auch alarmierend. Rufus' Rudel wurde nach einem Regelverstoß vor zwei Jahren um tausende Kilometer versetzt. Aber da gibt es also noch ein weiteres Rudel, Magnus' Rudel, wie du sagst. Sie werden wohl in das nun wolfsfreie Gebiet einsickern."

Liam hat die ganze Zeit den Schilderungen zugehört. Nun meldet er sich zu Wort:

"Magnus mag hinter Sophia her sein, weil er sein Werk von damals vollenden will. Aber er kennt weder mich noch Hannes oder dich. Demnach ist Sophia weitgehend geschützt. Irgendeine uneingeweihte Person ist nicht gefährdet, sollte nicht ein Mensch zufällig zwischen die Fronten geraten."

Marga nickt und meint:
"Das sehe ich auch so."

Sophia macht die Beiden nun auf eine Besonderheit aufmerksam:
"Wir dürfen dann niemals bei Tageslicht durch den Park joggen. Da triffst du oft Mütter mit ihren Kindern!"

Beide nicken ihr beruhigend zu:
"Wir werden das berücksichtigen, Sophia. Es ist schön, dass du so gut informiert bist!"

*

--Januar 2019 Frankfurt--

Ein Semester nach dem Treffen, mitten im Winter, haben wir uns wieder zu einer Joggingtour im Grünburgpark verabredet. Wie des Öfteren ist auch diesmal Liam zuhause geblieben, um über einer Wetterkarte zu brüten. Wir haben wieder den großen Rundweg unter den Füßen. Der Mond erhellt die Szenerie noch zusätzlich zu den Laternen am Wegesrand.

Ein Jogger kommt uns entgegen und sagt etwas atemlos "Guten Abend".
Wir grüßen zurück und schon sind wir aneinander vorbei. Kurz darauf kommen zwei Joggerinnen auf uns zu. Eine der Beiden verhält etwas im Schritt und setzt sich hinter ihre Begleiterin. Wir tun gleiches, damit wir uns problemlos passieren können.

Nachdem sie uns passiert haben, hören wir einen grässlichen Schrei hinter uns. Wir stoppen sofort und wenden uns um. Uns gegenseitig anschauend laufen wir zu der einzelnen Frau im Jogging-Overall, die auf dem Weg steht und leise schluchzt. Marga spricht sie an:

"Was ist passiert?"

"Da waren plötzlich zwei große Hunde. Sie haben meine Freundin angefallen und anscheinend verschleppt. Einer der Hunde hat mir etwas mit seiner Schnauze in die Hand gedrückt. Jetzt ist sie weg und auch die Hunde..."

Wir schauen uns an.

"Was hat der Hund Ihnen in die Hand gedrückt?" fragt Marga.

"Ich weiß nicht. Ich habe es wohl fallengelassen."

Marga nimmt ihre Stirnlampe ab und leuchtet den Boden aus. Ich helfe ihr mit meiner Stirnlampe.

"Da liegt ein kleiner Umschlag!" sage ich.

So ein kleiner Umschlag, den man zum Beispiel an einen Blumenstrauß klemmt, liegt auf dem Weg. Ich bücke mich und will ihn aufheben.

"Halt!" sagt Marga und ich schaue zu ihr hoch.