Geräusche der Nacht -42
"Alles gut!" sagt sie. "Liam ist jetzt bei den Meistern und berichtet, was sich hier zugetragen hat. Bald haben wir die junge Frau befreit!"

"Aber die Polizei..."

"Die dürfen wir natürlich in den Überlegungen nicht vergessen."

Wir hängen eine Weile unseren Gedanken nach. Bis Samstag sind noch zwei Tage. Wir haben heute erst Donnerstag. Wenn Magnus mit uns Katz und Maus spielen will, würde sich die Befreiung der Joggerin länger hinziehen. Das darf nicht sein!

In der darauffolgenden Nacht bleibt Marga bei mir. Das beruhigt mich etwas. Am folgenden Morgen sind wir beide so übernächtigt, dass wir mehrere Tassen Kaffee brauchen, um in die Gänge zu kommen. Den Freitag über versuchen wir uns mit Gesellschaftsspielen und Videos abzulenken. Am Abend wird ein Aufruf der Polizei im Fernsehen gezeigt, mit einem Bild der Entführten.

Beim Frühstück am Samstagmorgen entsteht ein Luftzug in meinem Appartement. Plötzlich stehen Agnes, Markus und Bastian bei uns. Wir liegen uns freudestrahlend in den Armen. Agnes äußert sich auf meine Frage leicht empört:

"Du glaubst doch nicht, dass wir dich alleine Magnus und seinem Rudel überlassen!"

Wir essen früh zu Mittag. Bei so vielen Gästen ist meine Phantasie gefragt. Dann brechen wir auf. Nach einer halben Stunde sind wir mit der Straßenbahn in der Nähe des Eschenheimer Turms im Zentrum Frankfurts angekommen. Meine Freunde verteilen sich, nachdem sie mir versprochen haben, mich nicht aus den Augen zu lassen. Auf ein Zeichen des Friedens soll ich achten, hat Magnus geschrieben.

Etwas verloren stehe ich vor dem mittelalterlichen Turm. Plötzlich vernehme ich ein Gurren. Auf ein Zeichen des Friedens soll ich achten... Mit einem Mal wird mir klar, was Magnus damit gemeint hat. Eine 'Friedenstaube'! Suchend schaue ich mich um. Auf dem Asphalt sitzt eine Taube und pickt nach Brotkrumen, die um sie herum verteilt liegen. Schneeweiß ist sie, wie die Tauben, die man anlässlich einer Hochzeit in den Himmel steigen lässt.

Vorsichtig nähere ich mich ihr, aber sie fliegt nicht davon. Ich gehe in die Hocke und greife mir den Vogel. Sie ist ganz ruhig. Nur ihr Herz fühle ich hektisch schlagen.

"Alles gut," sage ich und versuche, meiner Stimme die Anspannung zu nehmen und möglichst sanft zu klingen.

Ich untersuche ihr Federkleid und finde ein Röhrchen, dass ich ihr abnehme. Danach setze ich sie wieder auf den Asphalt vor mir. Der Schraubverschluss des Röhrchens ist schnell aufgedreht. Mit etwas Mühe habe ich ihm den Zettel entnommen und auseinandergerollt. Darauf lese ich "Omni-Turm".

Ich runzele die Stirn. Das wird tatsächlich ein Katz-und-Maus-Spiel. Wir dürfen einerseits nicht die Geduld verlieren, andererseits rinnt uns die Zeit durch die Finger. Alle Gestaltwandler, die ich kenne, sind gekommen, um mich zu beschützen. Hat Margas Freund, Liam, nicht davon gesprochen, dass sie sich aufteilen wollten?

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