Mars11-Sunshine (4)
Ich zucke mit den Schultern und schnaube leise. Der Mann wendet sich daraufhin an meinen Besitzer:
?Wie weit ist er bisher gegangen??
?Hier im Stall den Mittelgang auf und ab,? antwortet dieser wahrheitsgemäß.
Der Mann nickt und wendet sich wieder mir zu:
?Wie sieht es aus? Möchtest du einmal raus aus dem Stall??
?JA!? denke ich, werfe den Kopf in den Nacken und wiehere laut.
?Also gut!? meint der Besucher. ?Aber übernimm dich nicht! Sobald du merkst, es geht nicht mehr weiter, mach dich bemerkbar!?
Ich schnaube leise. Endlich darf ich einmal hinaus aus dem Stall! Der Ehrgeiz und die Freude lassen mich die Schmerzen vergessen. Am Gatter der Koppel habe ich Schweißperlen auf der Stirn und eine schmerzverzerrte Miene. Der Mann schüttelt den Kopf und sagt vorwurfsvoll zu mir:
?Kein falscher Ehrgeiz, mein Junge! Für heute soll es gut sein.?
Er wischt mir den Schweiß aus dem Gesicht und gibt mir einen leichten Klaps auf den Hintern. Ich bin darüber völlig überrascht. Dann fasst er wieder zu, legt mich über seine linke Schulter und trägt mich in den Stall zurück. Dort legt er mich vorsichtig wieder auf mein Strohlager. Dabei sagt er zu meinem Besitzer:
?Ich denke, er macht sich. Sein Feuer ist noch nicht erloschen!?
Später erfahre ich, dass dies tatsächlich meine erste Begegnung mit meinem neuen Besitzer gewesen ist.
Drei Wochen danach darf ich wieder mit zusammengebundenen Armen auf die Koppel.
In den folgenden Wochen habe ich leichtes Training bekommen. Es ist immer beendet worden, sobald ich Anzeichen von Ermüdung gezeigt habe. Nie hat der Gestütsbetreiber versucht, mich an meine Grenzen zu bringen und vielleicht darüber hinaus.
Als ich meine alte Kondition wieder erreicht habe, und den Ärzten vorgestellt worden bin, haben sie aber von weiteren Wettkämpfen abgeraten. Der Erdling hat mich nun nach Olympia geholt und in einem der Ställe des Transport-Verbandes untergebracht. Er meint, ich brauche eine Lebensaufgabe, um nicht in Depression zu versinken. Nun soll ich also Rikschas ziehen.
Eines Morgens kommt er in den Stall und führt mich unter den Augen des Rikschafahrers, dessen Rikscha ich seitdem durch Olympia ziehe, zu einer Transportrikscha. Er bringt mich in die enge Transportbox auf der Ladefläche und kurz darauf machen wir eine kurze Fahrt durch die Hauptstadt.
Anschließend holt er mich aus der Box und führt mich in den Innenhof eines Wohnblocks. Dort betreten wir ein Geschäft für Pet-Zubehör. Mein neuer Besitzer, Herr Armstrong, kauft mir je ein Geschirr und Zaumzeug für ?Tagesbetrieb? und für festliche Anlässe. Ich bin ganz verdattert und weiß die Gabe im Moment nicht einzuordnen.
*
Heute nehme ich den neuen Hengst aus der Box und führe ihn vor die gesäuberte Rikscha. In einer halben Stunde beginnt mein Dienst vor dem Presidential Hotel. Hier gibt es am Vormittag immer Gäste, die ausgecheckt haben und zur Rohrbahn-Station gebracht werden wollen.
Wie geplant komme ich eine halbe Stunde später vor dem teuersten Hotel der Hauptstadt an. Meinen Hengst ?Sunshine? hat ein Mitarbeiter des Petitionsamtes bei uns untergestellt. Ich reihe mich in die Schlange der Rikschas unter der Balustrade vor dem Haupteingang ein und warte geduldig auf einen Auftrag. Zwischendurch ziehen wir immer wieder eine Rikschalänge vor, wenn die vorderste Rikscha mit Fahrgästen abfährt.
So vergeht eine dreiviertel Stunde. Wir sind inzwischen an die Spitze der Schlange vorgerückt. Der nächste Fahrgast ist unserer!
Plötzlich öffnet sich das Portal des Hotels und ein Page kommt schnellen Schrittes auf uns zu. Er zieht einen Koffer hinter sich her. Bei mir angekommen, sagt er japsend:
?Folgen Sie der vorletzten Rikscha! Die Gäste haben einen ihrer Koffer stehengelassen. Vielleicht erreichen Sie den Bahnhof noch rechtzeitig. Das Paar heißt Lopez.?
hrpeter am 10. Mai 21
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