Sonntag, 23. Mai 2021
Mars12-Willow (8)
Als sie den Raum mit mir erreicht haben, werde ich an einen jungen Mann übergeben. Er trägt die Kleidung eines Pflegers und macht einen ernsten Gesichtsausdruck.
?Okay, setzt sie dort auf die Liege. Danach komme ich alleine klar,? meint er zu meinen Begleitern.
?Du hast mich mit deinem Fluchtversuch in ganz schöne Schwierigkeiten gebracht!? beschwert er sich bei mir, als wir kurz danach alleine sind.
Ich habe allerdings kein Mitleid mit ihm. Schließlich gehört er zu den Menschen, die mir all das angetan haben. Zwar macht er eigentlich nur seine Arbeit. Die Schuld liegt eindeutig bei Richard und Mary.
?Leg dich auf der Liege lang!? sagt er nun zu mir.
Während ich mich drehe und hinlege nimmt er einen stiftförmigen Gegenstand in die Hand. Kurz darauf fühle ich einen Stich, und wenige Minuten darauf bin ich ?weggetreten?. Als ich wieder aus der Narkose erwache, sehe ich als erstes in sein Gesicht.
?So,? eröffnet er mir. ?Jetzt hast du auch die restliche Laserbehandlung hinter dir. Sei froh! Jetzt wächst kein Haar mehr auf deinem Körper.?
Ich versuche, mich auf die Seite zu drehen und stelle fest, dass man mich auf der Liege festgeschnallt hat. Ergeben lasse ich mich wieder zurückfallen. Der Pfleger meint dazu:
?Das hast du dir leider selbst zuzuschreiben, Willow.?
Er macht noch irgendetwas im Zimmer, dann wendet er sich zur Tür. Zu mir sagt er dabei:
?Ich komme gleich wieder zurück. In der Zwischenzeit sollten die letzten Nachwirkungen der Narkose verklungen sein. Dann bringe ich dich in dein zukünftiges Zuhause.?
Dann bin ich wieder allein. Mein zukünftiges Zuhause ? was das wohl sein wird? Das Zuhause einer Cow ist ein Stall. Ein Stall braucht Stallarbeiter. Ob ich mich einem davon offenbaren kann?

*

Irgendwann öffnet sich die Zimmertür wieder und der Pfleger schnallt mich von der Liege los. Er hilft mir auf und führt mich durch die Gänge zu einer Tür nach draußen. Wir stehen jetzt auf einer Rampe an der eine Lastenrikscha herangefahren ist. Auf der Ladefläche gibt es mehrere Petboxen. Er führt mich über die heruntergelassene Hecktür in eine Box, schnallt mich darin fest und verschließt Box und Ladefläche der Rikscha.
Anschließend gibt er das Startzeichen und der Rikschafahrer feuert die Hengste an. Nicht lange danach manövriert er die Rikscha rückwärts an eine andere Rampe. Er kommt nach hinten, lässt die Hecktür herunter und öffnet meine Box. In der Zwischenzeit sind andere Männer auf der Rampe erschienen, nehmen mich in die Mitte und führen mich in das Innere dieses Blocks.
Der Weg kommt mir ziemlich weit vor. Endlich erreichen wir eine Tür, die einer der beiden Männer öffnet. Hinter der Tür liegt ein Stall. Unwillkürlich verhalte ich im Schritt und nehme das neue Bild in mich auf.
?Na los, auf geht's!? sagt einer der Männer lächelnd.
Ich setze mich mit zögernden, noch immer unsicheren Schritten in Bewegung. Die beiden Männer flankieren mich weiterhin, bis zu einer Tür in der hüfthohen Mauer rechter Hand.
?Hinein in die gute Stube!?
Einer der beiden Männer öffnet die Tür. Dahinter erkenne ich drei Stufen, die auf ein tieferes Niveau führen. Vorsichtig setze ich Schritt für Schritt vorwärts. Der Stallgeruch, den ich eben schon wahrgenommen habe, ist jetzt ganz deutlich. Hinter mir schließt sich die Tür, ein Riegel wird vorgeschoben und die Schritte der Männer entfernen sich.
Neugierig schaue ich mich um. Der Raum ist rechteckig angelegt, die gegenüberliegende Wand vielleicht zehn marsianische Meter entfernt und zu den Seiten hin ist der Raum deutlich weitläufiger. An der mir näherliegenden rechten Seite des Raumes befinden mehrere Gestänge, deren Funktion sich mir noch nicht erschließt. Vor mir und weiter nach links befinden sich die Liegeplätze der Cows mit Strohunterlage und schmalen Gängen dazwischen. Immer zwei davon sind von einer oberschenkelhohen Mauer eingefasst. Wie viele der Liegeplätze sich hier befinden, wage ich nicht abzuschätzen. Es sind auf jeden Fall eine Menge.