Petplay Geschichten

Bei dem Kind handelt es sich um ein 8jähriges Mädchen. Als es unter Wolldecken eingeschlafen ist, berichtet Grete, was die Kleine ihr unterwegs anvertraut hat.

"Sophia - so heißt die Kleine - sagte, sie wäre mit ihren Eltern auf einem Wagen unterwegs zum Gnadenbild der Mutter Gottes gewesen. Die Eltern wollten dort für ein Geschwisterchen beten. Sie haben den Wagen über einen Waldweg für Holzfäller gelenkt, statt den Wald zu umfahren. Mitten im Wald geschah der Überfall. Ihre Eltern sind getötet worden und sie hat eine Fleischwunde erlitten. Sie war so geschockt, dass sie weder schreien noch sich bewegen konnte.
Ich war zufällig in der Nähe. Sie haben sich keine Mühe gemacht, leise zu sein. Ich habe ihnen das Mädel abgejagt und mich kreuz und quer mit den Tropfen im Wald materialisiert. Wenn sie meine Spur aufnehmen wollen, finden sie nur etwa ein Dutzend Plätze an denen ich mich mit der Kleinen aufgehalten habe. Keine durchgehende Spur."

"Sehr gut," kommentiert das Meister Ulik.

Agnes fragt:
"Wird sie sich nicht auch in sechs Tagen wandeln?"

Meister Ulik schaut sie lächelnd an und erklärt:
"Wir werden sie etwa acht Jahre hierbehalten müssen, bis ihre erste Wandlung erfolgt. Dazu muss sie ihre Menstruation sicher und regelmäßig haben. Daher sind die letzten Jahre eine Zeit der Unsicherheit. Du bleibst doch solange hier und bist ihre mütterliche Freundin?"

Agnes nickt bestimmt und bestätigt:
"Ich kümmere mich um Sophia, als wäre sie meine Tochter!"

*

Heute ist die Nacht gekommen, in der sich Agnes das erste Mal wandeln wird. Sie haben Sophia schlafen geschickt und ihr solange Geschichten erzählt bis ihre Augen müde zugefallen sind. Meister Ulik wacht über ihren Schlaf.

Agnes weiß, was ihr bevorsteht. Man hat ihr den Vorgang detailliert beschrieben: Wenn der Vollmond über dem Horizont aufgeht, wird die Wölfin in ihr hervortreten. Grete hat ihr gesagt, es sei ungefähr so, wie wenn ein Schmetterling sich aus seiner Puppe befreit. Nur, dass bei ihrer Wandlung die leere Puppe nicht zurückbleibt, sondern der Mensch existiert in der Wölfin weiter, so wie jetzt die Wölfin in ihr existiert.

Mit viel Willenskraft wird es ihr in diesem Zustand möglich sein, die Handlungen der Wölfin zu steuern. Sie muss allerdings wissen, dass die Wölfin einen unbändigen Bewegungsdrang hat. Ist die Wölfin zutage getreten, würde sie die feinen Sinne des Tieres erfahren und ihre Kraft. Sie würde die Nacht erleben wie keine zuvor. Innerlich spürt Agnes ein beklemmendes Gefühl.

Als die Sonne untergeht, verlassen alle den 'Bau'. Grete hat Agnes ein Kleid, ähnlich dem ihren zum Anziehen gegeben, das über und über mit kraftvollen Runen aus Buchenstäbchen bedeckt ist. Sie wurden mit Nähgarn aus Wolle auf den Stoff genäht. Auf Unterkleidung solle sie verzichten, hat Gwydion ihr gesagt.