Der Goldhamster -09
Ein glückliches Lächeln huscht über ihr Gesicht und sie nähert sich mir, um herzhaft in das Brötchen zu beißen. Während sie kaut, schaue ich mir den Rest an und entscheide, dass ich mir ein neues Mettbrötchen für mich zubereite. Den Brötchenrest vertilgt Vanessa kurze Zeit später, genauso wie den Rest meiner Mettbrötchenhälfte. Ich bin also dazu gezwungen, mehr Mettbrötchen zuzubereiten.
Während wir Abendessen frage ich mich in Gedanken, was wohl in Vanessa vorgeht. Sie verändert sich immer mehr. Diese Veränderung ist nicht körperlicher, sondern eher psychischer Art. In meinen Augen wird sie mehr und mehr emotional. Ihre frühere rationale Haltung, das bestimmende Managen ihrer Umwelt, das sie durch das Erziehen ihrer Geschwister gelernt hat, tritt immer mehr in den Hintergrund.
Stattdessen lebt sie ihre Gefühle aus und will immer stärker 'bemuttert' werden. Es kommt einer Verhaltensänderung um beinahe 180 Grad nahe. Ich bin gespannt wie es werden wird, wenn ich wieder tagelang geschäftlich außer Haus bin. Mit Abstand betrachtet, habe ich mehr und mehr einen Hund zuhause, der natürlich betreut und bespaßt werden will.
Ob ich diese Entwicklung mag? Früher bin ich nachhause gekommen und alles stand bereit. Vanessa hat mich bemuttert wie früher ihre Geschwister. Ich habe mich 'fallenlassen' und entspannen können. Seit Beginn der Veränderung regt sich in mir ein gewisses Verantwortungsgefühl. Ich mag es, für Vanessas Sicherheit und Wohl zu sorgen.
Ja, im Grunde habe ich überhaupt nichts gegen diese Entwicklung. Gleichzeitig bin ich neugierig, wohin das Ganze noch führt. Andererseits, womit hat diese Entwicklung eigentlich eingesetzt? Ich brauche diese Information um zu wissen, wie ich mich verhalten muss.
Vanessa hat ein Haustier haben wollen, um das sie sich kümmern kann, während ich geschäftlich unterwegs bin. Es soll sie vor Langeweile bewahren, wenn meine Aufträge mich einmal länger binden. Wir haben uns für ein Käfigtier, einen Hamster, entschieden.
Die Mitarbeiterin des Tierheims hat uns eine rührselige Geschichte über ‚Bonnie‘ aufgetischt. Sie sei aus einem Versuchslabor. Vanessa hat mir Tage später berichtet, dass sie den Käfig sauber machen wollte. Dazu muss 'Bonnie' kurzzeitig in ihre Transportbox umziehen. Bei dieser Aktion hat sie Vanessa gebissen.
Für Vanessa ist das kein Problem gewesen. Pflaster auf die Wunde und gut ist... Tage später haben sich bei meiner Lebensgefährtin die ersten Anzeichen einer Wesensveränderung gezeigt. Das muss es sein! Der Hamster ist mit irgendetwas infiziert, das nicht mit fremdem Blut in Berührung kommen darf.
Ich habe noch lange nach dem Abendessen über die Sache gegrübelt. Dadurch bin ich in der Nacht mehrfach wachgeworden. Am darauffolgenden Morgen brauche ich zuerst einmal einen starken Kaffee. Danach wende ich mich dem Käfig zu. Wasser und Futter für den Hamster müssen erneuert werden. Während das Futter in die Schale rieselt, kommen mir einige Körner komisch vor.
hrpeter am 24. Juni 23
|
Permalink
|
0 Kommentare
|
kommentieren