Geräusche der Nacht -27
"Mein Name ist Grete. Ich bin gekommen, um dich abzuholen," sagt sie mit weicher freundlicher Stimme.
"Aber..."
"Du kannst nicht alleine und wild im Wald leben. Du hast Magnus verlassen. Das war eine weise Entscheidung! Doch du brauchst Lehrmeister, die dich auf deine Verwandlung vorbereiten."
"Du bist wie er?"
"Nein!" Grete schüttelt heftig den Kopf. "Ich bin Tag. Er ist Nacht. Ich bin Sonne. Er ist Mond. Wir sind wie die zwei Seiten eines Pfennigs."
Agnes nickt ängstlich.
"Komm mit," sagt Grete. "Wir zeigen und erklären dir alles."
"Wer ist wir?"
"Drei Wächter-Druiden und ich bisher."
Agnes seufzt. Die Fremde hat etwas Vertrauenerweckendes. Etwas in ihrem Inneren löst sich und sie beginnt zu schluchzen wie ein Kind. Grete streicht über ihr Haar und schweigt. Agnes wird es schwindlig. Die Bäume scheinen sich immer schneller um sie zu drehen.
Im nächsten Moment befinden sie sich auf einer Wiese vor einer leichten Anhöhe, auf deren Spitze eine riesige Eiche steht. Grete nimmt ihre Hand und führt sie zu dem Baum auf der Spitze des Hügels.
Unterwegs fragt sie:
"Wie heißt du?"
Agnes schaut Grete zurückhaltend an.
"Mein Name ist Agnes."
Grete lächelt. Es ist ein warmes Lächeln.
"Willkommen, Agnes!" sagt sie.
Je näher sie der Eiche kommen, desto besser kann Agnes eine Höhlung im Stamm erkennen. Grete führt sie dort hinein. Drinnen führt eine Wendeltreppe in die Tiefe. Es wird dunkel. Nach wenigen Minuten sieht Agnes vor sich eine flackernde Fackel, die in einer eisernen Fassung steckt. Grete nimmt die Fackel und leuchtet den weiteren Weg aus. Es geht in einer Art Tunnel schräg abwärts, bis vor eine schwere Eichentür.
Grete steckt die Fackel in eine leere Fassung neben der Tür, nachdem sie sie in einem Regenwasser-Fass gelöscht hat. Nun umgibt sie wieder tiefschwarze Dunkelheit. Dann schlägt Grete dreimal gegen die Tür, noch einmal und danach zweimal. Kurz darauf dreht sich die schwere Tür knarzend nach außen auf die Frauen zu. Der Raum dahinter wird von einem Feuer erleuchtet. Grete begrüßt den Mann, der ihnen öffnet.
"Seid gegrüßt, Meister Ulik. Ich habe eine neue Schülerin im Wald getroffen. Sie hat sich gegen ein Leben bei Magnus entschieden."
"Ah, das ist schön!" antwortet der Mann.
Grete führt Agnes ins Innere des unterirdischen Saales, in dem eine überraschend frische Luft vorherrscht. Ein leichter Luftzug ist zu spüren. An einer gemauerten Feuerstelle sitzen zwei weitere Männer. Alle drei tragen lange dunkelbraune Mäntel mit Kapuzen, die momentan auf dem Rücken baumeln. Sie haben schütteres weißes Haar und einen Bart, der ihnen bis vor die Brust reicht. Die Männer scheinen mindestens 80 Jahre alt zu sein.
Einer der Männer schaut Agnes an. Er grüßt:
"Gott mit dir. Wie geht es dir?"
hrpeter am 17. Januar 24
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