Eine Session (5)
„Gleich spielen!“ entscheidet sie.
„Gut,“ meine ich. „Dann geh erst einmal auf alle Viere.“
Sie lässt sich auf alle Viere herunter und schaut zu mir auf.
„Versetze dich jetzt einmal in einen Hund,“ baue ich ein Szenario auf. „Tiere sind emotionale Geschöpfe. Sie handeln nicht aus rationalen Überlegungen heraus, sondern tun spontan, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Sie sind außerdem sehr neugierig und aus der Vierfüßler-Perspektive sieht für dich vieles anders aus.
Denk dir einmal folgendes: Ich habe dich aus dem Tierheim zu mir nachhause geholt. Die Umgebung hier ist dir völlig neu. Also läufst du neugierig schnuppernd durch die Wohnung und schaust dich um. Wenn dir das zu langweilig wird, kommst du zu mir und verlangst Aufmerksamkeit…“
Ilona nickt und schaut sich auf allen Vieren um. Sie geht an der Möblierung entlang und schaut in die Lücken, zwischendurch immer wieder ein Schulter-blick zu mir. Dann hat sie die Küchentür erreicht und entfernt sich damit aus meinem Blickfeld. In der Zwischenzeit habe ich mich auf die Couch gesetzt und den Inhalt der Einkaufstüte auf dem Couchtisch ausgebreitet.
Von einer gewissen Unruhe getrieben stehe ich aber wieder auf, um zu schauen, was sie in der Küche treibt. Aber da kommt sie mir schon entgegen. Ich mache ihr Platz im Durchgang und folge ihr zur Couch zurück.
„Die Dinge sehen aus dieser Perspektive ganz anders aus?“ frage ich.
Sie nickt und meint: „Wuff!“
Ich nehme ihr Halsband vom Couchtisch und sage: „BEI FUSS!“
Ilona nähert sich mir und lässt sich ihr Halsband anlegen. Es dauert etwas, bis ich die Größe angepasst habe und es locker sitzt. Da fällt mir etwas ein.
„Ach!“ sage ich und gehe zurück in die Küche.
Dort nehme ich eine Tüte Gummibärchen aus dem Schrank und schaue mich um. Natürlich! Sie ist mir neugierig gefolgt. Ich nehme also ein Gummibärchen aus der Tüte und drücke es ihr zwischen die Lippen.
„Gutes Mädchen!“ sage ich dazu. „Das Kommando eben kanntest du schon oder du hast es intuitiv richtig gemacht!“
Ich fahre ihr sanft durchs Haar und rede weiter:
„Das meinte ich in den Gesprächen immer mit ‚positiver Verstärkung‘, Motivation durch Lob und Belohnung. Möchtest du jetzt mehr Kommandotraining machen?“
Wieder bekomme ich ein „Wuff!“ zur Antwort.
Ich lächele und sage:
„Eins noch vorweg: Wenn du zwischendurch zur Toilette musst, dann geh zur Flurtüre und drücke mit einer Vorderpfote dagegen! Ich lasse dich dann hinaus und du gehst wie ein Mensch ins Bad. Nachher gehst du im Flur wieder auf alle Viere… Die Pause in der Session muss sein!“
Sie bestätigt wieder mit einem „Wuff!“
Nun nehme ich ein neues Gummibärchen aus der der Tüte, zeige es ihr stumm und führe es mit der Hand über ihren Kopf in Richtung ihres Rückens. Sie folgt meiner Hand mit den Augen und setzt sich dabei unwillkürlich auf ihre Fersen. Sofort sage ich „SITZ!“ und gebe ihr das Gummibärchen. Dabei erkläre ich:
„Siehst du! So funktioniert ‚positive Verstärkung‘ beim Kommandotraining: Ein Hund versteht nicht, was ich sage. Er bekommt nur die Gefühle mit, die in den Tonfolgen mitschwingen. Wiederkehrende Laute in Verbindung mit einem Leckerlie merkt er sich aber so, dass die Kommandos bald auch ohne Leckerlie funktionieren. Natürlich darf das Lob nie ausbleiben…
Apropos Gefühle: Tiere sind Gefühlsmenschen, sagte ich ja bereits. Also lass ruhig deine Gefühle heraus in deiner Rolle als Hund! Alles was gerade in dir hochkommt! Das Ausleben deiner Gefühle, die du ja im rationalen Alltag meist unterdrückst, fördert die Entspannung, von der so viele Petplayer nach einer Session sprechen.“
Während meiner letzten Worte habe ich ein neues Leckerlie aus der Tüte genommen, zeige es ihr jetzt und führe es vor ihr in Richtung Boden. Wieder folgt sie meiner Hand mit dem Mund und beugt dafür ihre Ellbogen. Ich drücke mit der anderen Hand auf ihren Allerwertesten, damit sie gleichzeitig hinten tiefer geht. Nachdem sie mit gebeugten Ellbogen und Knien auf dem Boden hockt, sage ich „PLATZ!“ und gebe ihr das Gummibärchen.
„Siehst du, so geht das,“ erkläre ich. „Jetzt vielleicht etwas Schwierigeres: Schau genau hin, was meine Hand macht!“
Mit einem neuen Leckerlie in der Hand, beschreibe ich mehrmals mit ihr einen Halbkreis in der Luft. Sie schaut mir eine Weile zu, dann sieht sie mich fragend an.
Ich berühre mit dem Leckerlie ihre Wange sanft. Dann halte ich es etwas weg und beschreibe den Halbkreis in der Luft nun in Zeitlupe. Ilona lässt sich auf die Seite falle und schaut zu mir auf.