Giselle (4)
Tags darauf begleite ich sie zur Tierklinik und warte im Auto auf sie. Nach etwa einer Viertelstunde kommt sie mit einem Karton vor der Brust wieder auf das Auto zu. Ich steige aus und öffne die Heckklappe.
„Oh, ist der Kofferraum groß,“ entfährt es ihr.
Ich lächele.
„Hier befand sich auch der Transportkäfig von KESSI, und trotzdem war noch Platz für Koffer.“
Ich nehme ihr den Karton ab, lege ihn in den Wagen und schließe die Klappe. Auf der Fahrt ins Motel frage ich GIGI:
„Weißt du schon, wo du die Urne beerdigst?“
GIGI schüttelt den Kopf und antwortet:
„Zuerst einmal steht sie in meinem Zimmer. Später bekommt sie dann einen Ehrenplatz in meiner neuen Wohnung. Wo soll ich sie sonst hier in der Großstadt unter die Erde bringen?“
„Okay,“ erwidere ich. Ein bestimmter Gedanke formt sich in meinem Kopf.
Am nächsten Morgen kaufe ich mir eine Düsseldorfer Zeitung und schaue den Anzeigenteil durch. Am Nachmittag hole ich Gigi wieder vom Markt ab und führe sie zu einem Event, von dem ich am Morgen in der Zeitung gelesen habe.
Auf dem Nachhauseweg sage ich zu ihr:
„Ich habe ja heute Morgen die Zeitung gelesen. Der Wohnungsmarkt sieht nicht gut aus, aber vielleicht hast du ja Glück in den nächsten Wochen. Ich drücke dir jedenfalls beide Daumen!“
„Dann habe ich bestimmt Glück!“ lächelt sie mich an.
„Hast du sonst noch eine Baustelle? Irgendein Problem mit einem Amt?“
„Nein, dank deiner Hilfe läuft jetzt alles wieder, wie es soll.“
„Dann könnte ich ja morgen wieder zurückfahren, Gigi. Ich schlafe diese Nacht noch hier und morgen bin ich wieder den halben Tag auf der Autobahn. Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir die Handynummern tauschen? Dann könnten wir uns besser unterhalten.“
„Gern,“ sagt sie lächelnd.
Im Motel tippe ich ihre Nummer in mein Handy und sende ihr eine leere SMS, so dass sie auch meine Nummer hat und abspeichern kann. Dann verabschiede ich mich von ihr. Spontan umarmt sie mich und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Am nächsten Morgen checke ich aus und fahre in den Hunsrück zurück.
Wir texten und reden täglich abends miteinander. Nach drei Monaten fragt sie mich beiläufig:
„Du sagtest, du wohnst an einem Waldrand?“
„Ja…“
Ich bin gespannt, was jetzt kommt.
„Ich glaube, ich hätte einmal einen Kurzurlaub nötig. Ich kann zurzeit keinen klaren Gedanken fassen. Eine Luftveränderung, joggen durch den Wald, das täte mir bestimmt mal gut!“
„Ich mache dir einen Vorschlag: Ich habe ein Gästezimmer. Dort kannst du ungestört schlafen. Du machst ein paar Tage frei – nicht bloß den freien Sonntag – und ich hole dich in Düsseldorf ab. Allerdings brauche ich dann wieder eine Übernachtung, während der mein Auto lädt. Das Motel, indem du wohnst, wird hoffentlich ein Zimmer frei haben. Ich bringe dich auch wieder nach Düsseldorf zurück, wann du wieder arbeiten musst!“
„Das ist nicht nötig. Ich komme mit dem Zug und du holst mich bei dir da irgendwo ab!“
„Das können wir auch machen. Fahre mit dem Intercity bis Koblenz. Den Regionalexpress Richtung Trier und Luxemburg sparen wir uns. Ich hole dich in Koblenz ab!“
Gesagt, getan. Drei Wochen später hole ich Gigi am Bahnhof in Koblenz ab und fahre mit ihr die vierzig Kilometer bis zu meinem Haus. Dort angekommen macht sie große Augen.
„Hey, das sieht ja geil aus!“
Ich schmunzele, fahre unter den Carport und lasse Gigi aussteigen. Dann hänge ich den Wagen an die Steckdose und gehe mit ihr zur Eingangstüre.
Drinnen schaut sie sich weiter um. Ich lasse sie gewähren.
„Das ist beeindruckend! Ein Haus ganz aus Baumstämmen. Man kann sich so etwas gar nicht richtig vorstellen, wenn man nicht darinnen umhergehen und das Holz anfassen kann!“
Sie umrundet den gemauerten Kamin.
„Das sind ja richtige Steine!“
„Bruchsteine, ja. Keine hergestellten Formsteine. Das ist richtig. Steine aus der Region!“ pflichte ich ihr bei.
„Das hier war Kessi?“ fragt sie und zeigt auf eine Bildergalerie.
„Ja, das war sie,“ sage ich.
„Beeindruckend!“
„Komm, ich zeige dir dein Zimmer,“ fordere ich sie auf und öffne eine Tür.
Hinter ihr liegt ein schmaler Gang, von dem drei weitere Türen abgehen. Ich erkläre ihr:
„Geradeaus ist dein Zimmer,“ ich öffne die Tür und weise kurz noch nach rechts und links: „Links ist mein Zimmer und rechts das Bad.“
Sie stellt die Reisetasche auf ihr Bett und schaut mich an.
„Hast du Hunger?“ frage ich.
„Jetzt nicht. Ich muss erst das Gesehene verdauen,“ antwortet Gigi lächelnd.
Ich lächele zurück und wiegele ab:
„Es ist ein ganz normales Haus wie tausend andere – nur eben, dass es aus Baumstämmen errichtet wurde. Komm ich zeige dir die Zimmer!“
Ich führe sie nun herum, dann setzen wir uns auf die Sitzgruppe im Wohnbereich und ich zeige ihr die Umgebung auf der Google-Anwendung im Handy.
„Hast du so etwas auch in deinem Handy?“
„Ja, habe ich.“
„Okay, dann kann ja nichts schief gehen, wenn du alleine durch den Wald läufst. Du findest immer zurück. Hast du tatsächlich noch keinen Hunger? Ich koche selbst!“
„Du selbst?“