Eine Session (3)
Sie wendet sich an der Haustür nach rechts und erklimmt eine alte steile Treppe mit knarrenden Stufen. Ich folge ihr in den ersten Stock. Dort schließt sie ein Zimmer auf. Es ist ein großer Raum, möbliert mit einem Doppelbett und einem Schrank. Eine Ecke des Raumes ist schräg abgeteilt. In der schrägen Wand ist mittig eine Tür, die sie mir nun öffnet und mich hineinschauen lässt. Ich erkenne ein kleines Duschbad. Danach gehen wir wieder hinunter.
Im Schankraum zahle ich die geforderten 50Euro, dann verabschiede ich mich bis Samstag. Zuhause schreibe ich Ilona eine kurze Nachricht in ihr Postfach: „Alles bereit!“ und versehe die Worte mit einem Lächel-Smilie.
Am Montagmorgen, kurz nach sechs Uhr, schreibt Ilona zurück. Ich lese die Nachricht etwa anderthalb Stunden später, während ich frühstücke:
„Okay, ich komme Samstag um 12Uhr30 im Bahnhof an.“
Sofort schreibe ich ihr zurück: „Okay, ich freue mich!“ und denke mir dabei:
‚Boah, so früh muss sie schon zur Uni…‘

*

Am Samstag frühstücke ich gemütlich und fahre gegen 11Uhr10 mit dem Bus zum Bahnhof, den ich um viertel vor zwölf erreiche. Ich informiere mich kurz an der Anzeigetafel und gehe zum angegebenen Bahnsteig, wo der Zug aus Bonn mit achtminütiger Verspätung eintrifft.
Da ich im Vorfeld mit Ilona Portraitfotos ausgetauscht habe, entdecke ich sie nach einigen Minuten im Strom der Fahrgäste, die den Treppen zustreben. Ich drängele mich durch die Leute und mache mich lächelnd bemerkbar:
„Hallo, Ilona! Wie war die Fahrt?“
Wir nähern uns einander zwischen den anderen Leuten und gehen gemeinsam die Treppe hinunter, die zu den Ausgängen führt.
„Es geht so,“ antwortet sie und lächelt zurückhaltend.
„Ich bin mit dem Bus hier,“ sage ich. „Der nächste Bus fährt um viertel nach eins draußen ab. Wir haben also noch etwa eine halbe Stunde. Was magst du machen?
Möchtest du dich auf einen Cappu dort in das Café setzen, oder lieber auf ein Schälchen Fritten mit Cola vor den Frittenstand stellen?“
„Ich mag keine Fritten!“ erwidert sie und schaut mich an.
‚Nun ja,‘ denke ich, ‚vor mir steht ein leichtes Persönchen, sehr schmal…‘
Laut antworte ich ihr:
„Gut, dann gehen wir halt dorthin und setzen uns mit je einem Cappu an den Tisch.“
Dabei weise ich geradeaus auf das Café.
Gesagt, getan. Wenige Augenblicke später sitzen wir uns an einem Tisch gegen-über. Nachdem wir uns kurz schweigend taxiert haben, versuche ich eine Konversation:
„Du hast dich vor zwei Wochen bei mir gemeldet mit der Aussage: Ich wollte schon immer einmal eine Doggie sein… Was fasziniert dich eigentlich daran?“
„Naja,“ meint Ilona und schaut mich offen an. „Hunde werden umsorgt. Du hast ja auch gesagt, man kann in der Rolle den Alltagsstress total abschütteln und entspannen.“
„Richtig!“ bestätige ich ihre Aussage. „Hunde haben vier Pfoten, aber keine Hände. Wenn sie etwas greifen, dann mit den Lippen oder Zähnen. Also muss der Halter viel für sie tun, sie umsorgen.
Man sagt zwar, Hunde haben Herrchen, Katzen haben Personal. So ganz stimmt das nicht. Natürlich machen Katzen eher was sie wollen, während Hunde stark auf ihr Herrchen fixiert sind. Sie gehorchen seinen Anweisungen, wenn er damit erkennbar ihr Wohl im Blick hat. Hunde sind so fixiert, dass es für den Halter einem ‚Full-Time-Job‘ gleichkommt, seinen Hund zu beschäftigen.“
„Und ich spiele nicht nackt?“ fragt sie nach.
Ich schüttele den Kopf und erkläre:
„Petplay ist für sich genommen asexuell. Was die Beiden daraus machen, was sie ‚auf Augenhöhe‘ miteinander vereinbaren, ist dann Sache der Beiden. Echte Tiere haben normalerweise keine Kleidung an. Aber das halte ich wie im normalen Leben: Man trifft sich, lernt sich kennen, baut Vertrauen zueinander auf, entwickelt mit der Zeit eine Freundschaft, indem man etwas gemeinsam unter-nimmt. Dabei bleibt man natürlich bekleidet. Will kein Vertrauen zueinander entstehen, geht man wieder auseinander. Dann war es wohl nichts.“
Sie nickt und fragt:
„Und wenn doch?“
Sie anlächelnd führe ich weiter aus:
„Aus einer Freundschaft KANN mit der Zeit Zuneigung oder mehr entstehen, ganz wie im normalen Leben. Man muss sich halt von Konventionen der Gesellschaft frei machen und nur darauf schauen, was man selbst für richtig hält. Naht für DEIN Gefühl so ein Zeitpunkt, dann signalisiere es mir! Da für mich Zwang oder Überreden zu etwas, das zu innerlich vielleicht ablehnst, ausgeschlossen ist, musst DU die Initiative ergreifen. Vielleicht, indem du teilweise oder ganz auf Kleidung verzichtest, oder wie auch immer. Das überlasse ich dir!
Prüfe meine Gesinnung ruhig ausgiebig, bevor du den Schritt unternimmst! Für mich sind Achtung und Respekt wichtige Voraussetzungen fürs Spiel. Von daher wäre ich dir NICHT böse, wenn der Schritt zum Nacktpet nie erfolgt! Du bist für mich KEIN Spielzeug, das man nimmt, gebraucht, weglegt, wieder hervorholt und schließlich wegwirft! Ich fühle mich verantwortlich für dich!“
„Okay!“ sagt Ilona in die sich nun ausbreitende Stille hinein.