Giselle (14)
„Gut, nun versetze dich mal in die Gegenseite,“ biete ich ihr an. „Die Besatzung des Schiffes hat im Berufsalltag ein Gespür dafür entwickelt, was während einer Schiffstour mit Touristen alles schief gehen KÖNNTE und beugt vor. Sie haben (allen voran der Schiffsführer) während der kompletten Arbeitszeit, mit den unterschiedlichsten Leuten an Bord, ständig die volle Kontrolle. Dafür müssen sich die Passagiere Anweisungen fügen, die zu ihrem Wohl getroffen werden – und sie tun es im Vertrauen gern!“
„Ja, aber was hat das jetzt mit mir zu tun?“ fragt sie mich.
„Du hattest eben gesagt, dass dein Freund sich bei vielen Sachen im Alltag auf deine Selbstverantwortung verließ, statt die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Das tun übrigens viele Männer heute so. Das habe ich schon von vielen Frauen so gehört, wie jetzt von dir!“
„Schlimm ist das, wie kleine Jungs bei Muttern…“
„Ich bin anderes gewohnt, Gigi. Ich habe gelernt, meine Augen überall zu haben. Ich lasse die Ereignisse zwar laufen, solange ich keine Gefahr für dich ‚wittere’. Ich bin also kein ‚Marionettenspieler’, aber ich schreite ein, sobald ich ein Problem erkenne, um es zu ‚umschiffen’, oder wenn es durch eine Aktion/Nichtaktion von dir geschehen ist, die Folgen zu mildern.
Vor einiger Zeit, zum Beispiel, bin ich einmal mit dem Bus gefahren. Eine Gruppe Frauen mit riesigen Reisekoffern stiegen ein. Sie deponierten die Koffer im Bereich der hinteren Türen und verteilten sich auf die Sitzplätze. Mein Stammplatz ist aus Gewohnheit immer an der hinteren Tür, beim Ausstieg also, bzw. Einstieg für Rollstühle und Kinderwagen. In der nächsten Kurve kippten zwei Koffer um. Ich stellte sie wieder hin. Dann passierte das wieder. Ich sicherte den Koffer. Schließlich schlidderte ein Koffer bei einem Fahrmanöver durch den halben Bus. Ich bin dann aufgestanden, habe ihn eingesammelt und mich daneben gestellt, so dass ich den ganzen Koffern mit meinen Beinen Halt geben konnte. Jetzt sag mal, was passiert wäre, wenn ich mich auf die Selbstverantwortung der Gruppe berufen und weggesehen hätte. Das wären an jeder Station dutzende Stolperfallen gewesen und die über 50jährigen Frauen wären beim Versuch, die Situation zu klären, hingesegelt und vor Beginn der eigentlichen Reise zum Teil ins Krankenhaus gekommen…“
„Was haben die Frauen gesagt?“
Ich schaue kurz von der Straße auf. War Gigi nun belustigt oder gelangweilt? Dann lache ich kurz und antworte ihr:
„Sie haben sich bedankt und wollten mich als Reisebegleitung engagieren für die nächsten zwei Wochen…“
Sie fragt lächelnd: „Hast du angenommen?“
„Ich? Ich muss arbeiten. Ich kann mir nicht einfach Hals über Kopf frei nehmen. Ich habe Pflichten!“
„Und was wolltest du mir jetzt damit sagen?“
Hm, was ist nur mit ihr los im Augenblick? Ich erkläre es ihr:
„Ganz einfach: Ich habe Erfahrung. Gib die Kontrolle über dein Leben an mich ab. Übergib mir die Verantwortung für dich und du hast eine Menge Alltagssorgen weniger! Du fühlst dich freier! Frei von den Zwängen der Gesellschaft. Der Rahmen, den ich dir vorgebe, orientiert sich an deinem Wohl und daran, was wo wie in dieser Gesellschaft machbar ist. ICH zerbreche mir den Kopf dafür, den goldenen Mittelweg zu finden! DU kannst dich vertrauensvoll auf mich verlassen!“
„Ja, eben letzteres ist so schwer. Ich kenne dich noch nicht so gut. Wie soll ich da solch ein großes Vertrauen in dich setzen können? Andererseits ist da dieses wohlige Gefühl von Geborgenheit, sobald ich in deiner Nähe bin… Ich fühle mich zerrissen! Und das gerade jetzt, wo ich wieder auf dem Weg nach Düsseldorf bin,“ antwortet sie.
„Ich weiß, Gigi, ich weiß! Vertrauen ist eine empfindliche Pflanze. Sie braucht intensive und langzeitige Pflege. Viel zu schnell ist die Pflanze verletzt oder verdorrt. Willst du eine Doggie-Owner-Beziehung mit mir, muss ich dir Zeit geben Vertrauen zu fassen. Du musst dafür auch nicht die komplette Kontrolle sofort an mich abgeben, sondern bei steigendem Vertrauen immer mehr. Du kannst mir auch Kontrolle über dich entziehen, wenn du Vertrauen in mich verlierst!“
„Hm…“
Nach einer längeren Zeit der Stille kommen wir am Bahnhof an und ich trage ihr die Tasche auf den Bahnsteig. Dann dauert es nicht mehr lange und der Intercity läuft ein. Zum Abschied umarmt sie mich und bettet ihren Kopf an meine Brust.
„Gigi, du musst einsteigen,“ sage ich und hebe ihr Kinn an.
Ich gebe ihr einen Kuss auf den Mund und fahre sanft mit der Zunge zwischen ihre Lippen. Zusammen steigen wir ein und drinnen löse ich mich von ihr um zurück auf den Bahnsteig zu treten und die Tür frei zu machen. Dann ertönt schon der Pfiff und der Zug setzt sich in Bewegung.
„Gigi??“
Als ich wieder zuhause angekommen bin, schreibe ich ihr eine SMS.
„Sorry, mein Herr. Ich bin während der Fahrt in Gedanken weit weg gewesen. Eben fahren wir in Köln ein. Bald bin ich zuhause.“
„Nicht Trübsal blasen, Gigi,“ schreibe ich zurück. „Nutze die Tage in Düsseldorf um dein Leben zu überdenken. Welches gefällt dir lieber… Dann treff’ eine Entscheidung!“
„Du bist der Herr…“
„Was meinst du? ICH soll entscheiden, was gut für dich ist? Du weißt, wie ich entscheiden würde: Ich würde sagen, regele deine Angelegenheiten und kündige deinen Job in Düsseldorf. Dann komm zu mir.“
„JAAA“
„Ich sehe das so: Sobald du real meine Doggie bist, heißt das für mich, du hast dich vertrauensvoll in meine Hände gegeben – oder anders: Du hast dich mir geschenkt! Welchen Wert hat nun ein Geschenk, das darin besteht, dass man sich selbst zum Geschenk macht?“
„Das ist völlig unterschiedlich. Einer Frau mit wenig Selbstwertgefühl ist dieses Geschenk auch nur von geringem Wert. Der Wert steigt mit dem Selbstwertgefühl, wobei sich eine Frau mit hohem Selbstwertgefühl niemals verschenken würde. Sie würde eine hohe Gegenleistung erwarten!“ schreibt sie zurück.
„Ich sage dir eins: Die devote Frau braucht einen starken Charakter, auch in emotionalen Tiefpunkten nicht die Brocken hinzuwerfen, sondern dem Herrn zu vertrauen, dass er doch alles zum Guten wendet. Etwas dafür ERWARTEN, ist die falsche Lebenseinstellung!
ABER: Der Herr – wenn er denn einer ist – wird ihr Geschenk hochschätzen! Ja, er weiß, dass er das Wertvollste erhalten hat, was ein Mensch zum Geschenk machen kann! Und dementsprechend wird er handeln! Das siehst du ja an meinem Verhalten dir gegenüber.“