Giselle (3)
„Die begleichst du dann! Frage dafür ruhig den Tierarzt, ob du die Rechnung nicht in drei oder vier Raten zahlen kannst.“
„Das liest sich alles so einfach…“
„Gib mir – wenn du magst – die Adresse von dem Motel und frage dort, ob noch ein Zimmer frei ist. Ich miete mich dann für eine Woche in dem Motel ein und begleite dich zur Bank, und wo immer du hingehen musst. Ich helfe dir bei der Formulierung der Briefe, und dann wirst du sehen: In ein paar Monaten läuft dein Leben wieder in der Spur.“
„Du und ich im gleichen Motel…“
„Keine Angst, GIGI. Es passiert nichts, was du nicht willst! Ich dränge dich zu nichts! Wir gehen miteinander nur wie Freunde um, was wir ja auch sind!?“
„Da hast du Recht, HRvKESSI. Wie heißt du eigentlich wirklich?“
„Ich bin Peter.“
„Und ich bin Giselle.“
„Ah, okay, Giselle - schöner Name!“
„Gigi gefällt mir besser! Es ist schon wieder spät! Ich geh wie jeden Abend noch etwas Joggen.“
„Okay, Gigi, dann bis Morgen. Träume was Schönes!“
„Du auch! Bis morgen.“

*

Am nächsten Tag sagt sie zu mir im Chat:
„Ich habe mich erkundigt. Das Motel hat noch mehrere freie Zimmer.“
„Und? Hast du eins festgemacht für mich?“
„Die Frau sagt, du könntest einfach kommen. Im Moment besteht kein Engpass…“
„Okay, dann komme ich morgen.“
Wir reden noch über dies und das, dann verabschiedet sie sich wieder zum Joggen. Tags darauf packe ich einige Sachen zusammen und fahre die knapp 200 Kilometer nach Düsseldorf. An der angegebenen Adresse finde ich das Haus und zahle für eine Woche im Voraus. Danach beziehe ich mein Zimmer und warte im Eingangsbereich, wie ich es mit Gigi vereinbart habe.
Am späten Nachmittag kommt eine schlanke junge Frau in das Haus und lässt prüfend den Blick über die drei Sitzgruppen gleiten. Ich stehe auf und gehe auf sie zu. Sie hat braune schulterlange Haare und lustige braune Augen. Sie anlächelnd, stelle ich mich vor:
„Hallo, ich bin Peter. Du musst Gigi sein!?“
Sie nimmt die dargebotene Hand und sagt, mit schüchternem Lächeln:
„Hallo Peter! Ja, die bin ich.“
„Hast du schon etwas gegessen?“
„Nur einen Hotdog heute Mittag. Ich esse nicht viel.“
„Kennst du ein Restaurant hier in der Nähe, wo wir uns unterhalten können?“
„Ja, das Schnellrestaurant an der Ecke. Da gehe ich auch hin und wieder hin.“
„Also dann…“
Ich lasse mich von Gigi führen, dann bestellen wir, ich zahle und wir setzen uns mit unseren Tabletts an einen freien Tisch.
Während des Essens führen wir ein wenig Smalltalk. Ich erzähle ein wenig aus meinem Leben, da sie mich danach fragt. Später, als wir wieder zurück im Motel sind, soll ich mich an einen der Tische im Eingangsbereich setzen, während sie die Briefe und Dokumente oben aus ihrem Zimmer holt. Ich schaue mir alles an und mache mir Notizen für die Gespräche, die ich mit Gigi bei der Bank, dem Tierarzt und ihrem Vermieter führen will. Dann verabrede ich mich mit ihr für den nächsten Nachmittag, um gemeinsam zu ihrem Vermieter zu fahren.
Am Nachmittag des nächsten Tages halte ich ihr vom Fahrersitz meines Wagens die Beifahrertür auf. Sie steigt ein, schnallt sich an und klammert sich unwillkürlich am Brustgurt fest, als ich losfahre.
„Ein Elektrowagen?“ fragt sie erstaunt.
„Ja, zuhause habe ich eine private Stromtankstelle, gespeist von meiner Haus-Windkraftanlage.“
„Aber das ist doch weit weg!“
„Najaa, ein kleiner Motor schiebt mich schon über die Autobahn.“
„Ah.“
Wir sind bald an der angegebenen Adresse. Dort stellt Gigi mich als einen Bekannten vor und nennt ihm ihr Anliegen. Mit meiner Hilfe kommt sie mit einer Frist von vier Wochen aus dem Vertrag. Die Miete geht ja automatisch von ihrem Konto herunter. Wir verabreden für den nächsten Tag einen Besuch in ihrer Bank, dann fahren wir zurück.
Am nächsten Tag löscht Gigi ihren Dauerauftrag für die Miete und den Strom. Ein Brief zum Stromversorger kündigt auch diesen Vertrag. Dann spreche ich bei der Bank einen Kleinkredit an.
„Ihre Bekannte hat leider schon einen Überziehungskredit laufen,“ sagt die Sachbearbeiterin mit säuerlichem Gesicht. Gigi duckt sich weg.
„Frau Dietrich braucht das Geld nur kurzfristig zur Überbrückung,“ sage ich und zücke meine Mappe mit den aktuellen Kontoauszügen. „Was ist, wenn ich für sie bürge?“
Das Gesicht der Bankangestellten hellt sich auf und sie zieht ein Formular hervor.
Gigi sagt in diesem Moment:
„Peter, ich will dein Geld nicht! Das ist nicht richtig!“
„Gigi, ich gebe dir kein Geld! Ich sage der Bank nur, ich würde in dem Fall, dass du das Geld wider Erwarten nicht zurückzahlen kannst, für dich einspringen. NUR FÜR DIESEN FALL!“
Sie hat ihren Überziehungskredit voll ausgereizt gehabt. Kein Wunder, dass die Bank sich sperrt, den Kredit für kurze Zeit zu erweitern. Nach meiner Unterschrift geht das aber klar. Nun kann sie gleich das Geld für die Tierklinik und das Krematorium überweisen.
Am nächsten Tag besuche ich sie zu Feierabend an ihrem Marktstand. Nachdem sie Schluss gemacht hat, fahre ich mit ihr zum Rhein hinunter. Wir spazieren an der Rheinpromenade entlang und unterhalten uns darüber, wie sie sich ihre Zukunft vorstellt. Danach führe ich sie in ein Restaurant in der Innenstadt, bevor wir wieder beim Motel ankommen.