Giselle (7)
Ich antworte ihr: „Heute machst du noch Urlaub hier, wie versprochen. Morgen bringe ich dich wieder zum Zug. Beim nächsten Kurzurlaub bringst du BOOMER mit und dann machen wir das!“
„Okay, Peter, das ist gut.“
Sie stellt ihre Tasse ab und legt das Frühstücksmesser auf ihr Brettchen. Dann schaut sie mich wieder an. Sie fragt:
„Wie siehst du eigentlich deinen Part bei dem Experiment?“
„Überlege mal: was muss ein Mensch mitbringen, charakterlich und so, wenn er sich entschließt, ein Tier aus dem Tierheim oder vom Züchter zu sich nach Hause zu holen?“
„Naja, er muss sich das Tier leisten können in Unterhalt, Arztkosten, Versicherungen, Steuern. Dann muss er bereit sein, Zeit mit dem Tier zu verbringen, sich mit ihm zu beschäftigen.“
„Richtig, GIGI. Er übernimmt damit eine Verpflichtung. Es muss ihm Spaß machen, Pflichten zu übernehmen. Er hat damit eine große Verantwortung. Schließlich handelt es sich um ein lebendes Wesen. Er muss bereit sein, Verantwortung zu tragen – und nicht das Tier sich selbst überlassen. Er muss sich kümmern und sorgen. Das liegt nicht jedem!“
„Mein Freund zum Beispiel…“
„… ist ein Scheißkerl und Schmarotzer!“ ergänze ich den angefangenen Satz.
Sie nickt unmerklich.
„Und was ist nach deinem Verständnis mein Part?“
„Versuche einmal BOOMER zu charakterisieren.“
„Hm, er hatte schon einen eigenständigen Charakter. Wenn er nicht wollte, wollte er nicht. Aber er kam regelmäßig, um sich seine Streicheleinheiten abzuholen – und er kam, wenn er sah, dass ich Aufmunterung brauchte.“
„Tiere spüren so etwas. Sie haben einen sechsten Sinn, sagt man. Tiere sind ‚Gefühlsmenschen’. Du kannst deine Gefühle vor anderen Menschen verstecken, aber nicht vor Tieren. Sie können unsere nonverbale Kommunikation, die Gestik und Mimik lesen. So kommunizieren sie auch untereinander.
Wenn Hunde und Katzen sich mal in die Haare geraten, dann nur weil eine Katze kein Hündisch kann und umgekehrt, soweit sie nicht zusammen aufwachsen. Sie missverstehen dann die Situation.“
„Und wie ist das bei Hunden? Ich soll ja nicht deine Katze spielen…“
„So verschmust wie eine Katze darfst du ruhig sein, Gigi. Wärst du nur Hündin, dann dürftest du zum Beispiel nicht in mein Bett. Sex wäre tabu.“
„Sex ist sehr wichtig für mich, für ein ausgeglichenes Seelenleben!“
„Halt, Gigi. Sex kann auch instrumentalisiert werden. Sex als Selbstzweck ist nicht gut, sondern die Gefühle, die Sex mit sich bringen, sind das wichtige Element. Es muss ein starkes emotionales Band zwischen uns entstehen, das jeden von uns beiden den Anderen vermissen lässt, wenn er nicht da ist! Verwechsele beides nicht! Denk auch nicht, wenn der Sex stimmt, kommt die Liebe automatisch…“
„Das meine ich ja.“
„Überlege mal, liebt dein Freund mehr den Alkohol als dich? Holt er sich bei dir nur seine Befriedigung, oder ist da mehr dahinter?“
„Mein EX!! Anfangs dachte ich ja, er liebt mich. Aber wenn ich darüber nachdenke, liebt er nicht mich, sondern nur meinen Körper. Und das kann er sich genauso woanders holen…“
„Ein Hund liebt sein Herrchen oder Frauchen auf rein emotionaler Ebene. Sex spielt in dieser Beziehung keine Rolle. Nun wirst du aber eine menschliche Hündin sein, und da muss man eben einige Besonderheiten beachten. Du wirst deine Emotionen nicht mehr verstecken, sondern herauslassen in dem Moment, in dem du sie fühlst. Du lebst deine Emotionen in Echtzeit, im Jetzt. Vergangenheit ist für dich nur insoweit von Bedeutung, weil deine Persönlichkeit aus der Summe deiner Erfahrungen und Erlebnisse besteht. Die Zukunft hat für dich keine Bedeutung. Du lebst im und für den Augenblick.
Dabei ist die Hündin immer neugierig, überall mit der Nase und den Augen dabei. Sie ist glücklich, wenn der Herr ihr seine Zuwendung schenkt und will den Herrn nicht enttäuschen. Das erfordert ein hohes Maß an Vertrauen.“
„Du kannst dir nicht vorstellen, mit jemand Sex zu haben, den du nicht liebst?“
Sie schaut erwartungsvoll.
„Ich kann mir nicht vorstellen, mit jemand Sex zu haben, den ich nicht mag! Wenn das auf die gleiche Intention trifft, wird daraus schnell Liebe!
Sex zu instrumentalisieren, um damit irgendein Ziel zu erreichen, liegt mir fern! Das käme mir nie in den Sinn!“
„Du bist richtig,“ entfährt es ihr. Sofort lächelt sie verlegen.
„Wenn du magst, komm mit. Ich mache gleich meinen Rundgang,“ sage ich.
Inzwischen haben wir den Frühstückstisch abgeräumt. Ich ergänze, weil sie mich fragend anschaut:
„Ich gehe mit einer Farbsprühdose durch den Wald und markiere Bäume, die gefällt werden sollen. Danach richten sich die Waldarbeiter. So braucht der Waldbesitzer diese Tour nicht selbst zu machen.“
„Ah.“
Ich ziehe mir festes Schuhwerk und eine Jacke in der Garderobe an. Dann gehe ich los. Gigi begleitet mich und beobachtet interessiert mein Tun.
Nach einiger Zeit schaut sie sich unruhig um, so dass ich sie fragend ansehe.
„Ich muss mal.“
„Hier findest du weit und breit kein Herzhäuschen oder so etwas ähnliches, Gigi. – Wie wäre es? Ein kleiner Test! Setz dich doch einfach dort an den Baum. Hose runter, mit einer Hand abstützen und laufen lassen…“
„Du bist nicht ganz bei Trost!“
„Warum nicht? Weil ‚man’ so etwas nicht tut? Die westliche Moral verbietet so vieles! Dein Körper signalisiert dir ‚Blase voll’, also solltest du sie leeren. Kompromisslos!“
„Wie, wenn du mit mir Gassi gehst…“
„Wie, wenn ich mit dir Gassi gehe,“ bekräftige ich ihre Aussage.
Ein letzter Rundblick noch, dann öffnet sie den Hosenbund und zieht sie sich runter. Den Slip noch, dann hockt sie sich breitbeinig hin. Ich schaue desinteressiert in die Runde. Schließlich kommt sie wieder hoch.