Freitag, 4. September 2020
Yamato Meinu - 07
Der Fotograf lässt mich ein. Einer der beiden Männer, die beim Shooting dabei waren, ist ebenfalls anwesend. In der kleinen Küche sehe ich zwei weitere Männer in der Arbeitskleidung von Umzugsunternehmen. Ihre nackten Oberarme sind über und über von Tattoos bedeckt.
Der Wortführer wendet sich nun an mich:
„Hübsch sehen Sie aus, Ariella-San.“
Im Gegensatz zu Jeans und Tshirt, die ich vor zwei Wochen getragen habe, habe ich heute einen Rock und eine Bluse an, die ich mir hier in Japan gekauft habe. Ich setze mein verführerischstes Lächeln auf.
Er tritt auf mich zu und hebt ein Spankästchen an, das er in der Hand trägt. Danach öffnet er das Kästchen so, dass ich hineinsehen kann. Er fragt:
„Erkennen Sie den Gegenstand?“
Ich erkenne einen weiten Ring aus silberfarbenem Metall. Das sage ich ihm auch.
„Es ist ein Halsreif!“ sagt der Mann. „Es ist das Kennzeichen einer Meido – oder auch einer Meinu. Ich werde dir diesen Schmuck jetzt anlegen.“
Wie gelähmt lasse ich geschehen, dass er Hand an mich legt. Das Metall fühlt sich angenehm kühl an.
„Schauen Sie in den Spiegel!“ sagt er.
Ich drehe mich zum Garderobenspiegel um und lege meine Hand auf den Halsreif. Der neue Schmuck fühlt sich gut an. In diesem Moment tritt einer der tätowierten Männer hinter mich und hält mir einen zusammen geknüllten Lappen vor Mund und Nase.

*

Es ist warm im Zimmer. Als ich wach werde, liege ich auf einer Futon-Matratze in der Mitte des Raumes. Mein Kopf schmerzt etwas. Das muss das Betäubungsmittel in dem Tuch sein, an das ich mich erinnern kann.
Ein schleifendes Geräusch ertönt und ein Wandelement wird zur Seite geschoben. Den Mann kenne ich, der jetzt eintritt. Er hat mir den Halsreif angelegt. Unwillkürlich fasse ich mir an den Hals. Ja, er ist noch da.
Ich habe mich aufgesetzt und bin an den Rand der Matratze gerutscht. Dabei stelle ich fest, dass ich andere Kleidung trage. Man hat mir ein dunkles Kleid mit weiten Ärmeln angelegt. Viele rosa Blüten sind darauf zu sehen. An den Beinen trage ich lange weiße Strümpfe.
Der Mann beugt sich vor, fasst mein Fußgelenk und zieht das Bein hoch. Ich lasse mich zurückfallen und atme entsetzt tief durch. Gleichzeitig fühle ich in dieser Situation eine unglaubliche Erregung in mir aufsteigen. Das lässt mich aufstöhnen. Sonst kann ich die Männer nach Belieben abweisend behandeln. Diesen Mann umgibt jedoch eine Aura, die mich schwach macht.
Leise frage ich:
„Wo bin ich hier? Was habt ihr mit mir vor?“
Der Mann hat sich erhoben und antwortet:
„Die Antwort wirst du beizeiten erfahren! Hast du dich nicht schon einmal gefragt, warum japanische Frauen einmal demütig reagieren, ein anderes Mal selbstbewusst?“
Ich setze mich auf und schlage die Unterschenkel unter. Danach nicke ich und bestätige das.
„Du hast das japanische Frauenideal kennengelernt, die Yamato Nadeshiko! Du bist ausgewählt worden, dieses Ideal zu verinnerlichen und zu leben!“
Dann wendet er sich zur Tür und ruft etwas. Kurz darauf betritt eine Japanerin den Raum. Sie ist genauso gekleidet wie ich. Wieder sagt der Mann etwas. Darauf kniet sich die Frau zu ihm hin und beugt den geraden Oberkörper so weit vor, bis sie sich etwa waagerecht zum Boden befindet.
Sie verharrt in dieser Stellung, während sich der Mann wieder mir zuwendet.
„Mache es ihr gleich!“ sagt er in bestimmendem Ton.
Innerlich zitternd beuge ich mich nun in ähnlicher Weise vor, nur nicht so elegant. Ich muss die Hände zu Hilfe nehmen, um nicht auf die Nase zu fallen.
„Okay,“ meint er. „So wirst du mich ab jetzt immer begrüßen! Yuna-Chan wird dich bei allem anleiten, was du sonst noch wissen musst!“
Die Japanerin erhebt sich. Der Mann verlässt den Raum. Ich drehe den Kopf und schaue verschüchtert seitlich nach oben. Dabei sehe ich, dass die Japanerin mir winkt. Ich erhebe mich nun ebenfalls und folge der Japanerin aus dem Zimmer. Sie führt mich in die Küche und zeigt mir, wie man das Frühstück und den Tee zubereitet. Danach bringen wir alles in ein anderes Zimmer. Dort sitzt der Herr an einem niedrigen Tisch.
Nun lerne ich das Servieren und später die Abfolge der Teezeremonie. Während der Herr speist, bewegt sich Yuna im Tanzschritt vor dem Tisch des Herrn. Ich darf zuschauen.
Zurück in der Küche nehme ich mir ein Herz und frage Yuna:
„Yuna-Chan, darf ich dich etwas fragen?“
„Gern, Ariells-Chan.“
„Ich habe jetzt mehrfach den Begriff ‚Yamato Nadeshiko‘ gehört. Was hat es damit auf sich?“
„Du meinst das japanische Frauenideal? Verkürzt ausgedrückt bedeutet es, dass wir dem Mann gehorsam sind. Bei der Durchführung seiner Aufträge aber Durchsetzungskraft an den Tag legen und Familie oder Firma aktiv zu schützen wissen.
Ich habe gehört, dass die Frauen im Westen selbstbewusst ihre Rechte durchsetzen. Sie agieren egoistisch nur auf ihren Vorteil bedacht. Der Mann hat da oft das Nachsehen. Dann soll es andere Frauen im Westen geben, die bezeichnen sich als devot und überlassen dem Mann die Planung ihres Lebens. Aufträge führen sie aus bis sie an eine Hürde stoßen. Dann ist der Mann wieder gefragt, die Hürde aus dem Weg zu räumen.
Beides ist im Gegensatz zur Yamato Nadeshiko: Sie ist zuhause ein Lamm, gegenüber Fremden kann sie aber zur Löwin werden!“