Freitag, 11. September 2020
Yamato Meinu - 14
Nach drei Monaten erzählt Joe mir, dass es außerhalb Edmontons eine Hundeschule gibt, die auch Doggies trainiert. Allerdings wären die Stundensätze, die dort verlangt werden ‚Jenseits von Gut und Böse‘. Normalverdiener könnten es sich nicht leisten, sich als Doggie dort trainieren zu lassen. Damit hat er mich zuerst neugierig gemacht und mir dann einen Dämpfer verpasst.
Enttäuscht frage ich ihn also:
„Warum erzählst du mir dann davon?“
„Sie haben einen Petclub aufgemacht,“ erklärt er mir nun. „Dort kann man hingehen, wie andere Leute einen Club besuchen, um nach der Arbeit ihren Spaß zu haben.“
„Ah,“ erwidere ich. „Dann lass uns doch einmal dahinfahren und uns anschauen, was dort geboten wird!“
Gesagt, getan. Fünf Tage darauf fahren wir auf den Parkplatz und gehen auf das Gebäude zu. Als wir den Eingangsbereich betreten, werden wir von einer jungen Japanerin hinter einem Tresen angesprochen. Wir geben unsere Jacken ab und erhalten Marken mit Nummern dafür. Dann zeigt sie geradeaus auf einen weiteren Raum.
Als wir diesen Raum betreten, steht schon wieder eine Japanerin bereit, um uns einen leeren Tisch zuzuweisen. Dezente Musik erfüllt den Raum. Wir setzen uns mit Blick auf eine Bühne. Joe nimmt als Erstes die Speisekarte in die Hand und zeigt sie mir bald:
„Hey, schau mal! Sie haben auch Poke hier.“
Ich schaue hinein und sehe einige typisch japanische Gerichte. Dann lese ich tatsächlich Poke. Es ist eine Art Salat in verschiedenen Varianten. Basis ist roher Lachs oder Thunfisch. Alle Varianten sind sehr lecker. Heute entscheide ich mich für eine Thunfisch-Variante. Joe wählt eine Lachs-Variante und gibt die Bestellung an die Japanerin weiter, die uns schon am Eingang des Raumes so höflich mit einer Verbeugung begrüßt hat. Kurz darauf steht die Bestellung vor uns, aber unser Blick geht nun zur Bühne.
Dort ist eine dunkelhaarige Kanadierin erschienen mit einem Mikrofon in der Hand.
„Guten Abend und einen guten Appetit!“ beginnt sie ihre Ansprache. „Mein Name ist Ariella St.Albert und bin die Chefin des Hauses. Ich nehme an, dass sich heute nur Petplayer hier befinden – und vielleicht solche, die es werden wollen. Uns eint das gleiche Faible. Wie Sie wissen, machen wir Motto-Abende, um nicht immer wieder das gleiche vorzuführen. Unser heutiges Motto sind die Gefühlsäußerungen der Doggies.“
Eine Doggie nähert sich ihr in diesem Moment von der Seite. Sie hat lange schwarze Haare, die zu einem Bauernzopf geflochten auf ihrem Rücken liegen, und ist in einen zweifarbigen hautengen Overall gekleidet. Die Bauchseite des Overalls ist hellbraun und der Rest in dunkelbraun gehalten. Auf dem Kopf trägt sie eine Halbmaske, die von einem Kinnriemen gehalten wird. Ein Geschirr aus schwarzem Material vervollständigt ihr Outfit.
Frau St.Albert dreht sich nun zu der Doggie um. Im gleichen Moment zuckt die Doggie zurück, beugt sich weg und linst Frau St.Albert vorsichtig von der Seite an. Die Sprecherin auf der Bühne hat eine kleine Tasche an ihrem Gürtel befestigt. Daraus angelt sie jetzt mit zwei Fingern eine Süßigkeit und zeigt sie der Doggie.
Dazu sagt sie:
„Darf ich Ihnen Moe -Knospe, Sproß- vorstellen? Sie ist sehr vorsichtig und zurückhaltend. Wir beginnen damit, ihr Vertrauen zu gewinnen, indem wir ihr ein Leckerlie anbieten.“
Moe kommt wie in Zeitlupe auf die Chefin zu und macht einen langen Hals, um das Leckerlie zu erhaschen. Anschließend geht sie wieder auf Abstand. Frau St.Albert nimmt ein zweites Leckerlie, hält es ihr hin und hält Moe gleichzeitig die andere Hand hin. Moe kommt näher und will das Leckerlie mit den Lippen aufnehmen. Frau St.Albert zieht die Hand mit dem Leckerlie zurück. Moe macht eine kurze Gedankenpause, dann legt sie ihre behandschuhte Vorderpfote in die leere Hand der Chefin. Sofort erhält Moe ihr Leckerlie und Frau St.Albert erklärt:
„Moe hat ihre Bedenken überwunden und ‚Pfötchen‘ gegeben. Mit dieser Bewegung regen Welpen bei der Fähe den Milchfluss an. Bei Erwachsenen ist das immer noch eine Geste des Vertrauens, der Zuneigung, genau wie das Ablecken. Auch das ist eine Geste aus dem Welpenstadium, mit der die Fähe dazu veranlasst wird, vorverdaute Nahrung hervorzuwürgen.“
In der Zwischenzeit hat Moe ihr Leckerlie gegessen und streckt nun den Hals, um Frau St.Albert an der Hand zu lecken. Sie streicht der Doggie sanft über den Kopf.
„Oh!“ meint die Chefin in gespieltem Erstaunen und guckt in ihre weitgeöffnete Gürteltasche. „Da muss ich euch ein paar Sekunden allein lassen und schnell mehr Süßigkeiten holen.“
Spricht es und geht aus dem Blickfeld der Zuschauer. Moe kauert sich hin und schaut Frau St.Albert mit traurigen Augen hinterher. Dabei fipst sie in hellen leisen Tönen.
Kurz darauf ist die Chefin wieder auf der Bühne, schaut in Richtung der Zuschauer und öffnet den Mund, als möchte sie etwas sagen. Aber dann dreht sie sich zu Moe um, die vor Freude aufgesprungen ist, sich streckt, gähnt, aufgeregt mit der Hüfte wackelt und nach rechts und links rollt. Dabei bellt sie immer wieder japsend. Man kann ihr die Freude richtig ansehen.
Frau St.Albert lächelt und erklärt den Zuschauern nun die Gefühlsäußerungen der Trauer und Freude. Sie gibt Moe eine weitere Süßigkeit und erklärt, dass ihre Doggies sich in ihrer Rolle am Verhalten echter Hunde orientieren und ihre Gefühle spontan ausleben, sobald sie in ihnen aufsteigen. Dabei nutzen sie die Gestik und Mimik echter Hunde, deren nonverbale Kommunikation.
Nach einiger Zeit fragt Frau St.Albert, ob unter den Zuschauern Doggies sind, die es sich trauen auf der Bühne zu zeigen, was sie gesehen haben und vielleicht mit Moe in Interaktion treten wollen. Mehrere Personen aus dem Publikum melden sich. Die Chefin holt einzelne Personen nach vorn und lässt sie in ihrer Zivilkleidung agieren.
Darüber vergeht der Abend. Als wir nachhause fahren, weiß ich nicht, wo die Zeit geblieben ist. Auch Joe meint, dass es ein gelungener Abend gewesen ist. Leider gibt es diese Veranstaltung nur von Frühjahr bis Herbst, da die Wintermonate hier mit viel Schnee verbunden sind.

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