Samstag, 12. September 2020
Yamato Meinu - 15
Deshalb rufe ich Joe an und frage ihn, ob wir nicht zwischendurch einmal ‚auf eigene Faust‘ dorthin fahren und uns informieren wollen. Joe steht dem positiv gegenüber. Also vereinbaren wir einen Mittwochnachmittag, an dem ich früher freimachen kann. Er holt mich auf der Arbeit ab und fährt mit mir an den Stadtrand, wo sich die Hundeschule befindet.
Wir parken auf dem weitläufigen Parkplatz vor dem Gebäude und gehen auf den Eingang zu. Es ist warm, also haben wir auf Jacken verzichtet. Ich habe allerdings eine Rucksack-Tasche über die Schulter gelegt, indem ich mein Outfit als Doggie dabei habe. Mein Chef hat zwar gefragt, wozu ich heute mit einer solchen Tasche unterwegs bin. Ich habe ihm geantwortet, dass ich heute noch etwas vorhabe. Daraufhin ist lächelnd zur Tagesordnung übergegangen.
Hinter dem Eingang werden wir gleich von der Garderobiere empfangen und mit einer Verbeugung begrüßt. Wir gehen weiter in den Gastraum, orientieren uns kurz und setzen uns an einen freien Tisch kurz vor der Bühne.
Joe bestellt Hähnchen auf Reis mit süßsaurer Soße. Als die Kellnerin uns das Essen serviert, fragt Joe:
„Entschuldigen Sie, ist vielleicht der Chef oder die Chefin zu sprechen? Wir waren am letzten Samstag Besucher des Petclubs, und meine Freundin hätte diesbezüglich noch einige Fragen.“
Die Kellnerin lächelt uns freundlich an und antwortet:
„Ich werde mich gerne erkundigen!“
Anschließend geht sie zum Serviertisch, wo stapelweise Schalen und Besteckkörbe stehen. Sie nimmt dort ein Handy aus einem Regal dahinter und spricht nach einem Moment hinein. Kurz darauf nickt sie uns zu und kümmert sich um einen anderen Gast. Ein leises Geräusch lässt mich umdrehen. Neben der Bühne ist eine Tür geöffnet worden, die ich bisher dort nicht gesehen habe. Frau St.Albert, die Chefin des Hauses kommt hervor und steuert auf uns zu, nachdem die Tür wieder geschlossen ist und sich nicht mehr von der Wand abhebt.
„Hallo!“ sagt sie. „Sie wollten mich sprechen?“
„Ja,“ antwortet Joe mit gedämpfter Stimme, während sich Frau St.Albert zu uns an den Tisch setzt. „Wir waren letzten Samstag Gäste des Clubs und haben ihrer Vorführung zugeschaut. Ich finde die Vorstellung wunderbar! ‚Tiere sind Gefühlsmenschen‘, sagt man ja. Meine Freundin kommt dagegen aus einer anderen Ecke. Mein Vorgänger bei ihr war sehr dominant und hat sie in die Rolle als Doggie gezwungen. Dass es auch eine andere Methode gibt, war ihr nicht klar, bevor sie mich kennengelernt hat.“
„Aha,“ meint Frau St.Albert und schaut lächelnd von mir zu Joe und wieder zu mir. „Nun wollen Sie mehr über unsere Methode erfahren? Sie, weil sie noch unsicher sind, und sie, weil in Ihnen eine große Neugier entflammt ist?“
„Ja, genauso könnte man es nennen!“ schalte ich mich in das Gespräch ein.
„Wie haben Sie sich das Weitere gedacht?“ fragt Frau St.Albert nun. „Möchten Sie Trainingsstunden buchen?“
Joe lächelt und schüttelt den Kopf.
„Nein, keine Trainingsstunden! Das können wir uns finanziell nicht leisten…“
„Hm,“ macht Frau St.Albert nun. „Dann empfehle ich Ihnen den regelmäßigen Besuch unseres Petclubs und das Nachspielen in ihrer heimischen Atmosphäre!“
„Können Sie mir nicht auch Fragen beantworten, die mir auf der Seele brennen?“ frage ich sie nun rundheraus.
„Okay,“ antwortet sie lächelnd. „Wenn Sie fertig gegessen haben, lassen Sie sich von Aiko vor das Haus führen. Wir machen einen kleinen Spaziergang.“
Sie lächelt uns noch einmal zu, erhebt sich und geht nach vorne zu der Garderobiere. Ich sehe, wie sie mit der Angestellten redet und durch die Glastüre auf uns zeigt, dann geht sie dort eine Treppe hinab.
„Die Garderobiere heißt als Aiko,“ bemerkt Joe trocken.
Bald haben wir die Portion aufgegessen, die wir uns geteilt haben und erheben uns. Joe steuert die Garderobe an und ich folge ihm. Dort fragt er die Garderobiere:
„Entschuldigung, Sie sind Aiko?“
Sie ist bei unserem Näherkommen aufgestanden, beugt den geraden Oberkörper leicht vor und erwidert lächelnd:
„Ja, ich heiße Aiko. Ich habe gehört, dass ich Sie kurz führen soll.“
Spricht es, kommt hinter der Theke hervor und wendet sich zur Treppe. Unterwegs wendet sie sich kurz noch einmal zu uns um und meint:
„Folgen Sie mir bitte, ehrenwerte Herrschaften!“
Wir gehen hinter ihr die Treppe hinunter und stehen in einem Gang, auf dessen einer Seite ein Zwinger neben dem Anderen steht. Einige davon scheinen mit Hunden besetzt zu sein. Aiko öffnet gegenüber den Zwingern eine der Türen. Nun durchqueren wir einen Trainingsraum und nachdem wir durch eine zweite Tür gegangen sind, stehen wir draußen vor dem Haus.
Direkt am Haus befinden sich gepflegte Beete. Dann führt dort ein Sandweg entlang und schließlich stehen dort Büsche und Bäume, unberührte Natur mit Steinen und kleinen Felsen. Das Haus ist in den Hang eines Creek gebaut worden. Das kleine Flüsschen hat sich in Jahrtausenden dieses Tal in die Landschaft gegraben, auf das wir nun über den Sandweg zugehen.
Von Frau St.Albert ist leider nichts zu sehen, und Aiko ist sicher zu ihrem Arbeitsplatz zurückgekehrt. Plötzlich bricht Joe neben mir zusammen. Er klappt regelrecht in Knien und Hüfte zusammen und eine Doggie steht über ihm und leckt ihn ab.
„Was, zum T…“ lässt sich Joe vernehmen, um danach die Doggie verlegen lachend abzuwehren.
Die Doggie lässt auch von ihm ab und Joe rappelt sich auf. Wir haben uns zu der Doggie umgedreht, die sich uns lautlos und schnell genähert hat, um uns zu überraschen. Nun sitzt sie vor uns auf ihren Fersen. Ich fasse mich als Erste und sage unter Kichern:
„Frau St.Albert!“
Sie antwortet:
„Als Doggie habe ich den Namen ‚Stardust‘ bekommen.“
Auch sie grinst beinahe von einem Ohr zum anderen.
„Kommen Sie, gehen wir weiter!“ meint sie. „Was wollten Sie also genau von mir wissen?“