Mittwoch, 30. September 2020
Lexi -08
„Also war es nicht schlimm, dass ich dich heute Morgen geweckt habe und wie ich das gemacht habe?“
Sie schaut mich schüchtern an. Ich lächele und bestätige:
„Nein, du hast es genau richtig gemacht! Als wärst du in deiner Rolle drin. Wie ein echter Hund!“
„Wenn ich aber etwas tue, was dich in Mitleidenschaft zieht. Sagen wir, indem ich nicht auf dich höre, weil mir der Schalk im Nacken sitzt?“
„Hm, du hast in allem meinen Respekt verdient. Wenn ich nun der Leidtragende eines Spaßes deinerseits geworden bin, sollte ich auch darüber lachen können. Nun bin ich aber auch nur ein Mensch, und mich könnte im ersten Moment der Ärger übermannen. Ich werde versuchen, den Ärger zu bekämpfen. Das gelingt mir am Leichtesten, wenn du mir gegenüber Mitgefühl zeigst.“
Nach einigen stillen Minuten schaut sie mich fragend.
„Wirklich keine Strafe für mein ungezogenes Verhalten?“ fragt sie.
„Nehmen wir an, du spielst nicht nur einen Hund, du wärst einer: Würdest du einen Hund schlagen?“ frage ich zurück.
Sie unterbricht ihr Frühstück, stemmt sich mit den Armen hoch und schüttelt vehement den Kopf.
„Man schlägt kein Tier! Das Vertrauen zwischen Herr und Hund würde zerstört werden.“
„Richtig!“ gebe ich ihr Recht. „Würdest du denn eine andere Strafe wählen? Und wenn ja, welche?“
Unsicher geworden, antwortet Alex‘:
„Ich weiß nicht…“
„Ein Tier verknüpft die Reaktion meinerseits mit der direkt vorher erfolgten Aktion seinerseits. Wenn ich erst später reagiere, weiß das Tier nicht, warum ich so oder so reagiere und es reagiert verstört, wird vielleicht zu einem Angstbeißer. Ungezogenes Verhalten, kann ich also nur sofort ahnden.
Wenn ich zuerst hinter dir herlaufen muss, um etwas wieder zu bekommen, und reagiere erst dann, ist es zu spät. Bist du öfter ungezogen, müsste ich ein Schockhalsband für dich kaufen. Damit kann ich auch aus der Entfernung reagieren.“
Alex‘ schaut mich groß an. Ich schüttele lächelnd den Kopf und nicke ihr aufmunternd zu.
„Nehmen wir an, du bist noch nicht auf Hundekommandos trainiert und konntest deshalb nicht gehorsam sein…-“
Alex‘ merkt auf.
„Hundekommandos trainieren…“ wiederholt sie mich. „Wie geht das?“
„Heute nutzt man in allen Hundeschulen in Deutschland dafür die ‚positive Verstärkung‘, das bedeutet ‚Motivation über Lob und Belohnung‘.“
„Und wenn ich nicht will?“ bleibt sie am Ball.
„Ein echter Hund mag es, wenn man sich um ihn kümmert, ihm Aufmerksamkeit schenkt. Dann ist er glücklich. Das wirkt auch wie eine Belohnung. – Wenn ich dich nun ignorieren würde, weil du keine Kooperation zeigst?“
„Das wäre schlimm!“
„Siehst du. Dich trainieren bedeutet auch, dir Aufmerksamkeit schenken, meine Zeit mit dir teilen…“
„Das stimmt,“ bestätigt sie. „Was kann ich denn unter ‚Lob und Belohnung‘ verstehen?“
„Lob,“ erkläre ich ihr, „kann mit Worten geschehen oder durch Streicheln. Meistens nutzt man beides. Als Belohnung kommen Leckerlies infrage. Dafür müsste ich wissen, was du besonders gerne magst. Oder ich schneide fürs Training extra einen Apfel klein und schiebe dir als Belohnung jeweils ein Stückchen in den Mund.“
„So wie gestern das Lakritzstückchen? Das wäre wunderbar,“ meint sie und reibt ihren Kopf an meiner Schulter. „Du bist ein gutes Herrchen! Kein bisschen nachtragend…“
Ich ziehe die Augenbrauen hoch, lasse das Thema aber auf sich beruhen. Stattdessen meine ich:
„Dann trainiere ich mit dir gleich einmal die Grundkommandos. Du siehst dann, wie so etwas abläuft.“
„Jaa!“ sagt sie und schiebt mir ihre leere Schale zu.
Ich halte ihr die Trinkflasche hin und lasse sie einen großen Schluck Kaffee nehmen.
„Bist du satt?“ frage ich noch.
Sie nickt und ich nehme die leere Schale auf. Dabei schaue ich sie an und meine:
„Gestern habe ich über das Ausdrücken von Gefühlen gesprochen. Wie wäre es, wenn du Trauer zeigst, sobald ich mich entferne und Freude, sobald ich wieder zu dir komme?“
Sie macht „Hm…“ und kauert sich hin, um mir danach einen traurigen Blick zu gönnen. Ich lächele und sage:
„Ja, ungefähr so! Das machst du schon gut! Da bin ich gleich gespannt, wie du mich empfängst, wenn ich aus der Küche komme…“
Nun trage ich Geschirr und Besteck in die Küche und spüle es ab. Anschließend gehe ich ins Wohnzimmer zurück. ‚Lexi‘ kauert immer noch da. Als sie mich sieht, kommt sie auf alle Viere hoch, grinst fast von Ohr zu Ohr und beginnt mit dem Hintern zu wackeln. Dadurch verliert sie ihren stabilen Stand und rollt ab auf eine Seite. Dort kommt sie wieder auf die vier Beine und beginnt wieder mit dem Po-wackeln.
Ich lächele sie ebenfalls an und gehe auf sie zu, um sie zu streicheln und zu tätscheln. Dabei lobe ich sie und verlange, dass sie sich ab jetzt immer so verhalten soll.
Da fällt mir ein Fehler ein und sage:
„Oh, ich brauche ja Leckerlies für dich! Ich gehe noch einmal in die Küche zurück und schneide schnell einen Apfel in kleine Stücke.“
Mich umdrehend gehe ich, wie angesagt, in die Küche zurück und nehme einen Apfel aus dem Obstkorb, um ihn kleinzuschneiden. Dabei sehe ich ‚Lexi‘ in der Küchentür stehen. Sie ist mir neugierig gefolgt.