Sonntag, 13. September 2020
Yamato Meinu - 16
Wir gehen auf das Flüsschen zu und biegen dann auf einen Weg ein, der dem Lauf des Flüsschens folgt. Große Steine im Flussbett lassen das Wasser wild fließen.
„Also,“ beginne ich. „Ich war früher die Sub eines Masters, der mich hin und wieder zu seinem Vergnügen und um mich zu demütigen auf alle Viere geschickt hat, unterstützt mit der Gerte. Nun liebe ich den Schmerz eigentlich gar nicht. Anfangs dachte ich, das gehört dazu. Eine devote Frau müsse auch Schmerzen aushalten, und das würde mit der Zeit weniger, je angepasster ich mich verhalte, und dem Master keinen Grund zum Strafen mehr gäbe. Aber tatsächlich wurde es nicht weniger. Irgendwann habe ich ihn schließlich vor die Tür gesetzt. Danach fühlte ich mich richtiggehend schlecht. Aber ich sagte mir, dass musste sein, wenn ich nicht untergehen wollte.“
Es sprudelt nur so aus mir heraus. Endlich fühle ich mich wohl im Beisein von einer Geschlechtsgenossin und einem Mann, dem ich Vertrauen schenke. Nach kurzem Luftholen rede ich weiter.
„Monate später, als ich einigermaßen gefestigt war, lernte ich Joe kennen. Durch ihn habe ich eine völlig andere Art des Petplay kennengelernt. Er straft kein Fehlverhalten, sondern korrigiert geduldig. Daneben lobt und belohnt er gute Ergebnisse. Nun haben Sie im Club letzten Samstag davon gesprochen, dass Tiere ‚Gefühlsmenschen‘ sind, ihre Gefühle also spontan zeigen. Und ihre Doggies sollen sich am Verhalten echter Tiere orientieren, also auch deren Gestik und Mimik zeigen.“
Nun entsteht erst einmal eine Pause, in der wir drei bis vier Meter stumm nebeneinander hergehen. Dann sagt ‚Stardust‘:
„Sie haben die richtige Wahl für sich getroffen! Es wird auch Frauen geben, die solche Männer brauchen, wie ihren vorherigen Master. Aber jetzt scheinen Sie sich in ihrer Wunsch-Partnerschaft zu befinden. Nun heißt es, darin aufzugehen, sie mit Leben zu füllen… Wie darf ich Sie nennen?“
„Also, ich heiße Barbara. Einen speziellen Doggienamen habe ich nicht. Mein Freund und Master heißt Joe…“
„Okay, Barbara. Wenn du dir einen echten Hund vorstellst… Das ist doch kein Roboter, der nur auf irgendwelche Kommandos entsprechend reagiert und sonst inaktiv ist. Ein Hund ist ein Lebewesen. Er will beschäftigt werden – am besten ständig -, ansonsten beschäftigt er Herrchen. Wenn der Mensch mit dem Hund nicht umzugehen weiß, wird es problematisch.“
„Stimmt,“ meine ich.
„Gut,“ antwortet sie. „Beschäftigung kann anfangs das Training sein mit ein wenig Spiel, um das Training aufzulockern. Je fortgeschrittener das Training ist, desto länger sollten die Spielzeiten sein. Setzt sich Herrchen einfach hin und überlässt Doggie sich selbst, darf er sich nicht wundern, dass irgendeine Unordnung in der Wohnung entsteht oder er selbst Ziel einer liebevollen Attacke wird, um seine Aufmerksamkeit wieder Doggie zuzuwenden.“
„Das ist quasi alles, was man beachten muss fürs Dogplay?“ frage ich.
„Ja, Dogplay soll Spaß machen. Beiden! Lachen ist ausdrücklich erlaubt!“
Wieder entsteht eine längere Gedankenpause, in der ich das Gehörte verarbeiten muss. Dabei fällt mir meine Rucksacktasche ein. Ich bleibe stehen und nestele daran herum, bis sie offen ist. Dann nehme ich meinen Dogsuit und Handschuhe heraus, gebe die Tasche an Joe weiter und ziehe mir schnell mein Outfit über. Anschließend lasse ich mich auf alle Viere herunter und sage zu ‚Stardust‘:
„Beim gegenseitigen Jagen ziehe ich bestimmt immer den Kürzeren. So sportlich bin ich nicht!... Wie kommt es eigentlich, dass bei Ihnen nur Japaner arbeiten?“
„Nun, die Meisten sind schon Kanadier – japanischer Abstammung, aber die Idee zu der Hundeschule kam uns auf einer Japantour. Bar und Club haben wir später hinzugenommen, um Umsatz und Kosten in die Waage zu bringen. Dazu gehören auch die DVDs in der Garderobe.“
„Ah, Japan…“ lässt sich Joe vernehmen.
„Ja, Sie müssen die japanische Kultur in ihre Überlegung mit einbeziehen. Japaner glauben, dass in allem ein Kami steckt. In westliche Denkweise übersetzt, heißt das: Alles ist beseelt! Pflanze, Tier, Mensch, Wasser, Stein, Luft – und deren Phänomene, wie Überschwemmung, Vulkanausbruch, Orkan. Wenn nun in meinem Hund ein Kami steckt, genauso wie in mir, dann kann ich ohne weiteres die Rolle tauschen und zum Hund werden. Ich muss mich nur genauso verhalten.“
„Ah, okay,“ meint er nun.
‚Stardust‘ redet weiter. Inzwischen haben wir gewendet und streben wieder zur Hundeschule zurück.
„Da Hunde… die gesamte Natur beseelt ist, zollen ihr die Japaner Respekt. Unter uns Menschen ist Ihnen das wohl zuerst aufgefallen: Sie verbeugen sich voreinander. Die Frau zeigt sich willensstark, wenn es gilt die Familie zu schützen oder die Firma, oder auch nur für sie zu arbeiten. Ihrem Vater, ihrem Mann, ihrem Chef gegenüber gibt sich die Japanerin devot, um ihn zu ehren.
Auch hier gibt es eine Parallele zu Hunden: Sie sind dein Freund, dein Partner, dein Verteidiger, dein Hund. Für sie bist du ihr Leben, ihre Liebe, ihr Führer. Sie wollen zu dir gehören, treu und wahrhaft, bis zum letzten Schlag ihres Herzens. Du schuldest es ihnen, einer solchen Hingabe würdig zu sein. Behandele darum auch deine Doggie mit Ehrfurcht und Respekt!“
Wir sind zurück an der Hundeschule. ‚Stardust‘ macht Männchen und öffnet die Tür, durch die wir eben das Gebäude verlassen haben. Joe hilft ihr und hält die Tür auf, bis wir alle Drei drinnen sind. Jetzt beginnt Frau St.Albert damit, sich ihr Outfit auszuziehen. Auch Barbara zieht sich um.
Während wir danach die Treppe hinaufsteigen, sagt Frau St.Albert:
„Ich freue mich jedenfalls, Sie regelmäßig im Club begrüßen zu können! Barbara, vielleicht trauen Sie sich ja auch einmal auf die Bühne… Das muss jetzt noch nicht sein! Wenn die Zeit gekommen ist, spüren Sie es in sich! Dann geben Sie sich einen Schubs. Aber warten Sie, bis Sie sich dazu bereit fühlen. Ich denke, wir würden uns dann alle darüber freuen!
Für heute ‚Good Bye‘ und einen schönen Abend noch!“