Freitag, 13. November 2020
Chico (5)
Bei dieser Gelegenheit sprach mich eine Madam Estelle an und lud mich in ihren privaten Chatraum ein. Sie fragte mich um Informationen zu meiner Person und meinen Neigungen. Letzteres konnte ich ihr nicht beantworten, nur dass ich begierig war, Neues zu lernen.
Sie modifizierte ihre Frage und textete dann, welche Sehnsüchte und Phantasien ich denn hätte, wenn ich lese, was die Anderen auf der Site schreiben. Damit konnte ich mehr anfangen. Ich erzählte ihr also, dass ich gerne mal ein Pet wäre. Sie fragte mich dann, welches Pet mir am ehesten liegt. Ich antwortete ihr, Schwein und Kuh passt irgendwie nicht. In Fabeltiere und Zwitterwesen könne ich mich nicht so hinein denken.
Sie lachte mit einem Smilie und sagte, dass dann ja nur noch Ponyplay, Dog- bzw. Puppyplay und Catplay übrig bliebe.
‚Hm,‘ schrieb ich zurück. ‚Mit Ponyplay kann ich irgendwie nichts anfangen. Das Cat, sagt man, hat keinen Herrn, sondern einen Diener. Das Cat ist ein eigenwilliger Charakter. Ich glaube, ich könnte mich eher in ein Doggie hineindenken.‘
Sie fragte mich nun, ob ich vielleicht devot und/oder maso sei.
Mit ihrer Fragerei setzte sie bei mir einen Denkprozess in Gang. So tief war ich bis dahin noch nicht in das Thema eingedrungen. Nun musste ich mich mit meinem Innersten auseinander setzen, Licht in das Dunkel meiner Seele bringen. Ich tat mich schwer, eine korrekte Antwort zu formulieren.
‚Also, wenn maso bedeutet, dass ich Schmerz brauche um erregt zu werden, um mich quasi von meinen Gefühlen davontragen zu lassen, dann bin ich nicht maso! Devot bedeutet unterwürfig, dienstwillig. Ich weiß nicht recht, Madam Estelle…‘
‚Es gibt bei echten Hunden, die zu mehreren von Menschen gehalten werden, innerhalb des Rudels Rangabstufungen. Der Mensch ist das unangefochtene Alphatier! Dann hat jedes Rudel noch mindestens ein Führungstier und sonst sogenannte Arbeitstiere.
Will ein Mensch wissen, welchen Charakter der Hund hat, für den er sich interessiert, gibt es einen Test: Eine Person versteckt sich. Der Hund bekommt einen Suchauftrag. Findet der Hund die Person und kommt zum Menschen zurück, um ihn zum Fundort zu führen, hat man es meist mit einem Arbeitstier zu tun. Will der Hund das Versteck selbständig öffnen und gräbt daran unter bellen herum, ist es ein Führungstier. Ein zweiter Test: Geht man mit dem Hund Gassi und das Tier bleibt hinter oder mindestens an der Seite des Menschen, ist es ein Arbeitstier. Will der Hund ständig vor dem Menschen her laufen und möglichst auch noch die Richtung bestimmen, ist es ein Führungstier.
Wenn du dir das überlegst, wo würdest du dich einordnen?‘
‚Hm, wahrscheinlich würde mir die Rolle des Arbeitstieres eher zusagen.‘
‚Okay, wenn du magst, machen wir ein Rollenspiel. Immer wenn wir uns hier im Chat treffen bist du mein Rüde Chico und durchläufst ein Hundetraining. Wäre das fesselnd?‘
‚Oh ja, Madam Estelle, das wäre steil!‘ schrieb ich ihr begeistert zurück.
Von diesem Tag an stellte sie mir Aufgaben aus dem Petplay und fragte mich jedesmal danach, wie ich darüber dachte, was ich während des Tuns fühlte.
So musste ich mir sehr schnell ein Hunde-Halsband besorgen und während des Chats tragen oder mein Abendessen auf einem Teller vom Boden weg ohne Besteck und ohne Hände essen. Es faszinierte mich und so tat ich das auch alles, wie mir befohlen wurde. Ich schrieb ihr nicht bloß, dass ich das tun würde.

*

Ich machte uns beiden eine heiße Schokolade in der Küche und brachte sie Justin an den Couchtisch.
„Schau mal, Chico. Ich habe hier ein Halsband, an dem per Druckknöpfen eine Maske befestigt werden kann,“ nahm ich das Gespräch wieder auf.
„Eine Maske?“
Justin schaute erstaunt. Ich zog, nicht ohne Mühe, einen Hundekopf aus rötlichbraunem Leder aus einem Plastikbeutel. Justins Miene hellte sich auf.