Lexi -07
Alex‘ hat aufmerksam zugehört und meint nun:
„Puh, das ist eine ganze Menge!“
„Keine Angst,“ muntere ich sie auf und streichele über ihr Haar. „Das kommt so nach und nach!
Die Zunge eines Hundes zum Beispiel ist ein vielseitiges Werkzeug. Da ein Hund keine Hände hat verformt er sie zum Trinken wie einen Löffel. Aber da gibt es noch mehr: Die Hündin hat ihre Welpen nach der Geburt mit der Zunge gesäubert. Später fordern die Welpen ihre Mutter auf Nahrung hervor zu würgen, indem sie die Schnauze lecken.
Der erwachsene Hund im menschlichen Haushalt nutzt nun diese Gesten, um dem Menschen seine Zuneigung zu zeigen. Nun liegt der Mund des Menschen so weit über dem Boden, dass der Hund den Menschen anspringen muss. Wenn man ihm das verbietet, leckt er als Ersatzhandlung die Hand.
Nochmal zurück zum Trinken aus dem Napf: Du kannst deine Zunge nicht so verformen wie ein Hund. Mit viel Training klappt es irgendwann ein wenig, aber das reicht bestimmt nicht, um deinen Durst zu stillen. Deshalb habe ich dafür so eine Trinkflasche mit Mundstück, wie sie Radrennfahrer benutzen. Mach dir also keinen Knoten in die Zunge!“
Beim letzten Satz grinse ich leicht und streichele über ihre Flanke. Lexi ist auf die Couch geklettert, während ich geredet habe und hat ihren Kopf auf meinen Oberschenkel abgelegt. Jetzt schaue ich zur Uhr und frage sie:
„Es ist ja schon nach zehn Uhr und immer noch hell! Willst du nicht allmählich zum Übernachten runter in deine Wohnung gehen?“
Alex‘ hebt den Kopf und schaut ebenfalls zur Uhr.
„Ooooch,“ dehnt sie die Antwort. „Muss das sein?“
„Denk an Toscha!“ gebe ich ihr ein Beispiel. „Sie hat die Nächte auch immer draußen verbracht.“
„Das stimmt,“ gibt Alex‘ mit Enttäuschung in der Stimme zurück. „Aber alle Hunde, die ich hier kennengelernt habe, leben bei ihrer Familie in der Wohnung…“
Sie schaut mich mit traurigen Augen an. Ich lenke ein:
„Gut, die Hunde legen sich abends in ihr Hundebett, ein Körbchen, Kissen, Matratze, was auch immer. Du hast ja schon einmal bei mir auf dem Gästebett übernachtet. Ich bau dir das wieder auf, da bist du mir auch nahe wie ein Hund.“
Ich stehe auf und sie stellt sich auf, um mir zuzuschauen. Nachdem ich fertig bin, krabbelt sie neben der Couch auf ihr Gästebett und ich bin wenig später eingeschlafen.

*


Am Morgen danach wache ich auf, weil ein feuchter Waschlappen durch mein Gesicht gezogen wird, wie ich im Halbschlaf annehme.
Ich öffne die Augen und mache eine schwache Abwehrbewegung mit der Hand, die aber gestoppt wird, weil sich irgendetwas über mir auf der Couch befindet. Es ist Alex‘. Sie steht vierbeinig über mir und beugt sich gerade wieder zu mir herunter, spitzbübisch lächelnd, um mir über Wange und Nase zu lecken.
Jetzt erkennt sie, dass ich wach bin, und macht „Wuff!“ Sie steigt von der Couch und läuft auf allen Vieren zur Küchentür. Dort dreht sie sich halb um und schaut zu mir zurück.
Ich habe mich aufgesetzt und trockne mein Gesicht an der Bettdecke. Dann stehe ich auf und gehe erst einmal ins Bad, um mich frisch zu machen. Alex‘ ist in der Tür zum Badezimmer aufgetaucht und schaut mir interessiert zu. Danach macht sie die Tür frei und lässt mich heraus. Während ich noch im Schlafanzug bin, hat sie inzwischen eine kurze Hose, Strümpfe, Schuhe und ein Tshirt angezogen. Auf allen Vieren krabbelt sie zum Küchenschrank und schaut von dort zu mir herüber. Wieder höre ich ein „Wuff!“
„Okay!“ sage ich lächelnd. „Ist ja schon gut. Ich beeile mich ja schon!“
Ich mache Rührei und schneide zwei Brötchen auf. Wieder schneide ich ihre Portion in kleine Stücke und fülle damit ihre Schale.
„Magst du Kaffee oder Tee zum Frühstück?“ frage ich.
Sie sagt kurz „Kaffee“ und ich brühe etwa ein Liter des Getränkes auf. Die Hälfte davon gebe ich in ihre Plastikflasche, und bringe dann alles an den Esstisch.
Sie setzt sich zu meinen Füßen an den Tisch, schaut prüfend zu mir hoch und fragt:
„Habe ich eigentlich alles richtig gemacht, heute Morgen?“
Ich nicke und antworte ihr:
„Ich muss feststellen, du hast gut behalten, was ich gestern Abend noch zur Gestik der Hunde sagte… Zumindest was den Gebrauch der Zunge angeht!“
Dabei grinse ich und streichele über ihre Wange. Sofort dreht sie den Kopf, aber ich nehme die Hand weg, bevor sie darüber lecken kann. Wir frühstücken weiter. Nach kurzer Zeit fragt sie mich weiter:
„Und was machen wir heute?“
„Wenn du magst, kannst du den ganzen Tag in deiner Rolle bleiben. Wenn du dich wie ein Hund verhältst, neugierig und lernbegierig bist, schaffe ich dir eine Atmosphäre der Sicherheit und Geborgenheit. Ich fühle mich für dein Wohl verantwortlich. Es kommt nur darauf an, dass dir die Rolle Spaß macht. Lachen ist nicht verboten! Du kannst in der Rolle auch selbständig agieren, so wie heute Morgen beim Aufwachen. Schließlich bist du ja kein Roboter, der nur auf Befehl reagiert!“