Donnerstag, 11. Juni 2020
Cherie - 18
Am nächsten Morgen lasse ich es mir nicht nehmen, das Frühstück für uns drei und Taps zu bereiten. Als Paul für Lena zuerst die Schlafzimmer-, dann die Badtür aufhält, und den frischen Kaffee riecht, bedankt er sich lächelnd und meint, dass ich als ihr Gast das nicht nötig gehabt hätte. Ich lächele zurück und wünsche ihnen einen Guten Morgen. Sie sollen es als Dank ansehen, sage ich, während Lena in ihrer Rolle als Cherie auf allen Vieren an mir vorbei streicht auf dem Weg ins Bad.
Paul begleitet sie ins Bad und bald höre ich die üblichen Badgeräusche. Ich habe Frühstückseier gekocht, kann aber den Salzstreuer nicht finden, als ich den Frühstückstisch nun decken will. Also stecke ich den Kopf zur Badtür herein, um danach zu fragen. Dabei sehe ich, wie Paul seine Cherie reinigt. Mit erstaunt/belustigtem Gesichtsausdruck frage ich nach dem Utensil.
Paul schaut auf, zwinkert und gibt mir die gewünschte Information. Einige Minuten später, als wir mit dem Frühstück beginnen, sagt Paul:
„Als Doggie hast du vier Beine, aber keine Hände. Zu Anfang wird dir das bewusst gemacht, indem du deine Hände in Pfotenfäustlinge stecken musst. Um dir die nötige Hygiene zu gewähren, ist nun der Owner gefordert. Im Petplay hat der dominante Part auch eine ‚dienende‘ Seite, wenn man es genau nimmt. Er trägt Verantwortung für das Wohl seiner Doggie. Sie ist ihm kein Spielzeug seiner Lust! Ich glaube, das habe ich gestern schon gesagt.“
„Ja, stimmt. Aber ein Statement hören – und die entsprechende Ausführung erleben, ist noch eine völlig andere Dimension,“ antworte ich ihm.
„Ich sage eben keine leeren Worte…“ meint er.
Gleich nach dem Frühstück führt er ein kurzes Telefonat, in dem er unser Kommen ankündigt und fragt, was der Gesprächspartner im Haus hat und ob er etwas mitbringen muss, da dann ja vier Personen zu verpflegen sind.
Paul kündigt mich als weiteren Gast an. Aus dem Gespräch entnehme ich, dass der Gegenüber wohl dieser Dieter, Pauls Mentor ist. Wir nehmen eine Klappkiste voll Lebensmittel mit, als wir kurz darauf zum Auto gehen. Taps und Lena steigen hinten ein. Um den großen Transportkäfig im Auto unterzubringen ist die Lehne der Rückbank umgelegt. Ich darf vorne neben Paul sitzen.
Drei Stunden später biegt Paul von der Landstraße auf einen Wirtschaftsweg ab. Die Landschaft hier in der Eifel ist grandios. Nach wenigen hundert Metern sehe ich vor uns ein Dach erscheinen. Je näher wir dem Gebäude kommen, desto ungewöhnlicher wird das Haus. Es scheint nur aus einem Dach zu bestehen. Eine Seite des Daches ist fast vollständig von Solarmodulen verdeckt. Auf dem Parkplatz vor dem Haus hält Paul an und lässt uns aussteigen. Er gibt mir die Leine mit Taps in die Hand und hilft seiner Cherie aus dem Auto. Dann gehen wir auf das Haus zu. Lena bleibt an Pauls Seite.
Wir haben beinahe die Haustüre erreicht, als sie geöffnet wird und ein älterer Mann im Eingang steht. Er begrüßt Paul freundlich und gibt auch mir die Hand. Dann macht er den Eingang frei und während wir eintreten sehe ich, wie er Lena sanft durch ihr Haar streicht. Sie lässt es lächelnd geschehen.
„Hattet ihr eine gute Fahrt?“ fragt er, was Paul lächelnd bestätigt.
Er stellt mich vor als eine Bekannte aus der Szene von einem Event bei Hamburg. Dieter schaut interessiert. Er fragt mich:
„Darf ich fragen, wie Sie zum Petplay gekommen sind?“
Ich erzähle ihm, dass ich vom BDSM dahin gekommen bin über meinen vorletzten Dom, und dass ich dort meinen letzten Dom getroffen habe, nun aber solo bin.
Während wir ins Wohnzimmer gehen und uns setzen fragt Dieter, wie ich denn bisher Petplay gespielt habe. Ich antworte wahrheitsgemäß, dass ich mich mit den Doms bisher nur zu Sessions getroffen habe. Zu einer Beziehung auf dieser Grundlage, wie ich sie bei Lena und Paul kennen gelernt habe, fühle ich mich noch nicht bereit.
Dieter zeigt Verständnis und entschuldigt sich, das Essen sei im Ofen. Er steht auf und verlässt uns in Richtung Küche, die man wegen fehlender Zwischenwände von unserem Sitzplatz aus einsehen kann.
Paul fragt mich leise:
„Na, Biggi, wie ist dein erster Eindruck?“
„Der erste Eindruck ist durchaus positiv. Aber das will nichts heißen. Um einen Menschen beurteilen zu können, muss man ihn näher kennen lernen!“
„Das stimmt. Geh doch zu ihm. Beim Miteinander lernst du Dieter näher kennen…“
„Wenn du meinst,“ sage ich und stehe auf.
Ich gehe an der Essgruppe vorbei in die Küche. Es riecht verführerisch. Dieter schaut auf und ich frage ihn rundheraus:
„Kann ich hier ein wenig helfen?“
Dieter nickt kurz und lächelt.
„Ich habe in der letzten Stunde schon einiges erledigt. Aber du könntest gerne den Tisch decken.“
Er zeigt mir, wo hier die Bestecke und das Geschirr untergebracht ist. Während ich den Tisch decke, füllt Dieter einige Schüsseln mit dem Inhalt der Töpfe. Als dann der Ofen piept, holt er einen Braten heraus, zerteilt ihn und belegt damit eine Platte. In dem Zeitraum, in dem wir in der Küche sind, versorgt Paul Tapsy mit Wasser und Futter. Dann ruft Dieter alle zum Tisch.
Er wünscht uns: „Guten Appetit.“
Wieder erlebe ich, dass Paul Lena ihr Essen mundgerecht zerteilt und ihr den Teller vor ihre ‘Vorderfüße‘ stellt. Lena beugt sich nun hinunter und isst mit dem Mund. Danach lässt er sie aus einer Plastikflasche mit Mundstück trinken und reinigt ihren Mund mit der Serviette. Während des Essens befördert Dieter leichten Smalltalk. Als wir dann fertig sind, stupst Lena Paul an und dreht sich etwas in Richtung der Treppe zum Obergeschoß.
„Du musst mal?“ fragt Paul.
Lena nickt und macht Schritte auf die Treppe zu. Paul steht auf und folgt ihr. Auch Dieter erhebt sich und stellt das gebrauchte Geschirr aufeinander, um es dann in die Küche zu tragen. Ich helfe ihm also die Spülmaschine zu beladen und die Reste der Mahlzeit in Plastikbehältern umgefüllt in den Kühlschrank zu stellen. Dieter sagt dazu:
„Danke dir, Biggi. Wir wollen gleich einen Spaziergang machen. Wenn du denkst, es sei nötig, dann kannst du gerne eben noch auf die Toilette gehen. Unterwegs wird es leider keine Gelegenheit geben.“
Er weist mit der Hand auf die Gästetoilette im Eingangsbereich. Ich nehme das Angebot gerne an, denn ich weiß nicht, was der Nachmittag noch für mich bereithält.
Wenig später treffen wir uns alle im Eingangsbereich. Die Männer ziehen sich Stiefel an und Dieter bietet mir ebenfalls ein Paar an. Er gibt mir altes Zeitungspapier.
„Stopf dir die Stiefel mit der Zeitung aus, damit sie dir passen,“ schlägt er vor.
Ich muss grinsen. Aber ich folge dem Vorschlag. Lena ist, wie die ganze Zeit schon, nackt und auf allen Vieren in ihrem ‘Dogspace‘. Irritiert frage ich:
„Begegnen wir unterwegs denn niemandem?“
Dieter lächelt.
„Ich wohne hier kilometerweit vom nächsten Dorf entfernt. Ich habe den Großteil der zugehörigen Ländereien verpachtet. Wenn die Bauern herkommen, sehen wir das an den großen Landmaschinen. Im Wald hinter meinem Land streifen nur in den Morgen- und Abendstunden vereinzelt Jäger herum. Deren Annäherung hören wir rechtzeitig. Kommen Waldarbeiter, um einzelne Bäume zu fällen, weiß ich vorher davon. Spaziergänger, die mit dem Auto herkommen, um sich für ein Stündchen die Füße zu vertreten, sind hier sehr selten. Bevor wir solchen Leuten begegnen, sehen wir deren Autos auf den Waldparkplätzen stehen.“



Cherie - 17
„Komm, Tapsy,“ lockt er die Mops-Dame, die dann auch von meinem Schoß springt und sich über ihre Mahlzeit her macht.
„Wir müssen Taps immer zuerst zu fressen geben, damit sie später Cherie in Ruhe lässt,“ erklärt Paul die Situation.
Anschließend beginnt er wieder in der Küche zu werkeln. Neugierig geworden, stehe ich auf und gehe zu ihm. Sofort werde ich von ihm zu Hilfsarbeiten, wie Gemüse putzen verdonnert, aber ich mache das gern. Bald darauf ist alles fertig in Schüsseln gefüllt. Paul nimmt Geschirr und Besteck aus den Schränken und deckt damit den Esstisch. Ich bringe derweil die Schüsseln und stelle sie in die Mitte.
Zuerst füllt Paul einen Teller mit Essen und zerteilt es in kleine Brocken. Danach setzt er sich an den Tisch und bückt sich zu Boden mit dem gefüllten Teller in der Hand.
„BEI FUSS, Cherie,“ sagt er mit weicher Stimme und liebevollem Gesichtsausdruck.
Lena nähert sich und beginnt zu essen. Paul übersieht meinen erstaunten Gesichtsausdruck und meint:
„Nimm dir was du magst, Biggi. Guten Appetit!“
Ich reiße mich zusammen und bediene mich an den Schüsseln. Es schmeckt vorzüglich, was Paul da gezaubert hat. Nach einer Weile beugt sich Paul wieder zu Lena hinunter und nimmt den Teller hoch. Dann säubert er Lenas Mundpartie mit einer Serviette und hält ihr die Trinkflasche hin, aus der Lena einen großen Schluck nimmt.
Nach dem Essen helfe ich Paul Besteck und Geschirr in die Küche zu bringen und die Spülmaschine zu beladen. Dann bietet er mir an, dass wir uns im Wohnzimmer zusammensetzen und über alles reden, was mir auf der Seele liegt. Das Angebot nutze ich ausgiebig, um ihn auf das Andersartige seines Umgangs mit Lena aufmerksam zu machen. Ich bin bisher einen völlig anderen Umgang meiner Doms mit mir gewohnt.
„Und?“ fragt er. „Hätte es dir gefallen, von deinen bisherigen Doms ähnlich behandelt zu werden?“
Ich lege meine Stirn in Falten und meine:
„Ich weiß nicht so recht… Legt Lena nicht ihre Selbstverantwortung völlig in deine Hand? Macht sie das nicht hörig – letzten Endes?“
„Sie gibt ihre Selbstverantwortung in meine Hand und verlässt sich vollkommen auf mich. Das siehst du schon richtig, Biggi. Hörigkeit ist ein negativ besetzter Begriff in der heutigen modernen Welt… Ist es denn nicht wunderbar, sich völlig auf seinen Partner verlassen zu können?“
„Auf seinen Partner, ja!“ antworte ich ihm, vielleicht etwas lauter als gewollt. „Aber du bist doch nicht mit einem StiNo-Partner vergleichbar!“
„Hm,“ brummt Paul. „Wie beginnt eine StiNo-Beziehung?“
„Man trifft als Frau jemanden auf der Arbeit, bei einer Freizeitveranstaltung, oder wo auch immer. Bei einem Gespräch in lockerer Atmosphäre checkt man gemeinsame Interessen ab und erkennt dabei, ob der Mann sympathisch ist oder nicht. Wenn ja, trifft man sich wieder, besucht gemeinsam irgendwelche Veranstaltungen und schaut, ob sich Vertrauen zueinander bildet. Eine Freundschaft entwickelt sich, aus der mit der Zeit Liebe entstehen kann.“
„Und wie beginnt eine DS-Beziehung?“
„Also, bei mir war das bisher immer das Gleiche: Man trifft sich im Internet oder auf Veranstaltungen und findet den Mann interessant. Vielleicht gefällt einem auch seine Art zu bestimmen. Man kann sich ‘fallen lassen‘ und führen lassen. Dann verabredet man sich zu Sessions und spielt ein Dom/dev-Rollenspiel live. Danach geht man auseinander und taucht wieder in den Alltag ein.“
„Dass du nur solche Verbindungen auf Zeit eingehst, entspringt der Angst hörig zu werden, deine Selbstverantwortung zu verlieren…“
„Das ist doch völlig normal!“ Meine Stimme ist wohl wieder eine Spur zu laut geraten. „Schau dir doch die Kerle an, die da draußen herumlaufen! Jeder ist nur auf seinen Spaß aus, seine sexuelle Befriedigung! Wie es der Frau geht, ist ihnen letztlich egal. Die Frau ist nur Mittel zum Zweck, nur ein Spielzeug!“
Paul bleibt ganz ruhig. Er sieht gar nicht so aus, als fühle er sich von meinen Vorwürfen berührt.
„Ich weiß,“ sagt er. „Viele Kerle sind auf ONS aus, sprechen von ‘ohne Anlauf‘. Dabei kann weder Freundschaft noch Liebe entstehen. Gefühle sind ihnen egal. Ich bin kein Vertreter des ‘Ohne Anlauf‘! Ich will die Frau kennenlernen, ihren Charakter, ihre Interessen. Ich will Vertrauen zwischen ihr und mir aufbauen… Natürlich will ich führen, bestimmen wo es lang geht, jedoch nicht ungeduldig sofort, sondern allmählich. In dem Maße, indem das Vertrauen zueinander wächst, kann sie allmählich Stück für Stück Teile ihrer Selbstverantwortung auf mich übertragen – und auch wieder entziehen, sollte ich sie enttäuschen, sollte ich es an Respekt gegenüber ihr vermissen lassen.“
Während Paul redet, bleibt mein Mund offen stehen. Seine Art ist völlig anders als die der anderen Doms, die ich kennengelernt habe.
„Dir geht es nicht um deine sexuelle Befriedigung?“ fasse ich alles noch einmal zusammen.
Paul lächelt.
„Es ist mehr! Mir geht es um das Wohl der Frau. Wenn ich eine Anweisung gebe aus meinem Führungsanspruch heraus, ist die sexuelle Befriedigung ein wunderschönes Nebenprodukt! In erster Linie habe ich das Wohl der Frau im Blick, die sich mir hingibt. Sie ist kein Ding, kein Spielzeug, sondern ein fühlendes Lebewesen.
Um den Begriff ‘fühlendes Lebewesen‘ zu erklären: Du fühlst tagsüber eine Menge. Mal ärgerst du dich, mal freust du dich, mal bist du traurig, usw. Im rationalen Alltag behältst du deine Gefühle in deinem Herzen, um das du eine mehr oder minder dicke Schale gelegt hast. Niemand geht es an wie du fühlst, denn das macht dich angreifbar. Unter Liebenden öffnet man ein Fenster zu seinem Herzen und lässt den Anderen immer einmal hinein blicken.
Wenn du nun einen Dom hättest bei dem du mit der Zeit gelernt hast voll zu vertrauen, weil er deine Sache zu seiner macht, weil er offen für alles ist, was dich bewegt, weil du mit ihm Freude, Trauer, Ärger, usw., teilen kannst, dann entsteht ein starkes emotionales Band zwischen euch.“
In die entstehende Atempause platze ich mit meinem Statement hinein:
„So einen Dom gibt es nicht!“
Paul senkt den Kopf ein wenig und schaut mich unter den Augenbrauen hervor an.
„Frag Cherie, wenn sie wieder aus ihrer Rolle heraus ist! Ich war mir noch nicht sicher, was ich bin, ob ich Pet oder Owner bin. Ich fühlte mich als Pet und suchte einen Owner, als ich Dieter traf. Dieter ist kein Gay und ich im Grunde auch nicht. Dieter hat mir seine Art dominant zu sein beigebracht. Ich habe sie weiterentwickelt, eigene Aspekte eingebracht – und schließlich Lena kennengelernt, meine Cherie.
Es ist allmählich Zeit schlafen zu gehen… Was hältst du davon, wenn du morgen mit uns Dieter besuchst. Der Mann hat zurzeit keine Doggie. Vielleicht springt ja ein Funke über und es entwickelt sich etwas Ähnliches wie zwischen Cherie und mir?“
„Du machst mich neugierig. Wenn du meinst, wir könnten einfach überfallartig bei ihm aufschlagen, dann komm ich gerne morgen mit! Übermorgen geht aber mein Zug von hier zurück.“
„Lena kann dich übermorgen zum Bahnhof bringen. Da habt ihr unterwegs Zeit euch über deine neuen Eindrücke auszutauschen,“ sagt Paul und erhebt sich.
Dann zieht er das Sofa auseinander und baut mir das Gästebett für die Nacht. Nach einem freundschaftlichen ‚Gute Nacht‘ geht er mit Lena an seiner Seite hinüber ins Schlafzimmer.

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