Freitag, 19. Juni 2020
Cherie - 34
Bald haben wir die Kreditzusage im Briefkasten und Paul beauftragt Dieter mit den Baufirmen in Kontakt zu treten. Die Verträge kommen per Post und werden von Paul unterschrieben zurückgeschickt. In den nächsten drei Monaten fährt Paul regelmäßig an den Wochenenden in die Eifel um den Baufortschritt zu beobachten. Schließlich steht unser Haus neben Dieter‘s und wir feiern Richtfest mit den Mitarbeitern der Baufirmen. Dann ist das Dach gedeckt und die Solarpaneele angebracht und Dieter fragt, ob wir den Einzug mit einem Petplay-Event feiern wollen. Dadurch wird die Location bekannt und wir bekommen Kontakt mit noch mehr Petplayern.
Ich bin begeistert und auch Paul bekommt leuchtende Augen, als er zustimmt. Ein Wochenende ist schnell bestimmt und der Termin in der Internet-Community bekannt gemacht. Dieter sagt, er hätte etwas Besonderes vor. Entsprechend gespannt erwarten wir den Termin.

*

Es ist ein warmer sonniger Tag als wir zu dem Petplay-Event in die Eifel fahren. Der Parkplatz vor unseren beiden Häusern ist vollgestellt mit Autos. Dieter kommt uns entgegen und begrüßt uns. An seiner Seite steht Biggi auf zwei Beinen. Beide haben blaue Latzhosen, ein kariertes Arbeitshemd und eine Schirmmütze an.
„Hallo, da seid ihr ja,“ sagt Paul lächelnd und Biggi legt zur Begrüßung ihre Wange an Meine.
Ich umarme sie und Dieter führt uns ins Haus, während unsere Mopsdame Taps aufgeregt um uns herumtänzelt. Drinnen öffnet er die Gästetoilette und zeigt auf einen kleinen Textilienstapel.
„Zieht euch eben um,“ meint er.
Aus dem Wohnzimmer höre ich Stimmengewirr. Biggi trennt sich von uns und geht zu den Leuten, die dort sitzen, um Getränke zu servieren. Wir betreten die Gästetoilette einzeln und ziehen uns die gleiche Arbeitskleidung an, die Biggi und Dieter tragen. Jetzt sehen wir aus, als würden wir auf einem Hof arbeiten. Unsere Alltagskleidung trägt Paul mit Dieter ins Gästezimmer nach oben, während ich mich zu Biggi geselle und ihr helfe. Dabei sehe ich unter den Leuten im Wohnzimmer auch ein paar Frauen. Alle haben sie szenetypische Kleidung in Lack, Leder oder Latex an. Durch die Fensterwand zur Terrasse hinaus kann ich erkennen, dass der Rasen mit einem halbhohen Gitter zur ‚Weide‘ umfunktioniert wurde. Als ich genauer hinsehe kann ich erkennen, dass die Weide in mehrere Abteile unterteilt ist. Auf dieser Weide befinden sich „Vierbeiner“ beiderlei Geschlechts in allen Aufmachungen aus Lack, Leder, Latex und auch Kunstfell.
„Sag mal,“ frage ich Biggi in einer ruhigen Minute, „wie läuft das Event eigentlich ab? Das Programm kommt mir etwas seltsam vor.“
Biggi erklärt mir lächelnd:
„Du hast in den Bekanntmachungen sicher gelesen, dass möglichst nur Singles geladen sind. Nachkontrollieren lässt sich das ja nicht, aber Dieter hofft, so eine besondere Atmosphäre zu schaffen. Hier im Wohnzimmer siehst du die ‚Owner‘ und draußen tummeln sich die ‚Pets‘. Dieter hat sie je nach Art in verschiedene Gehege gesteckt. Später sollen sich die Owner die Pets anschauen dürfen. Dann ertönt irgendwann eine Glocke. Die Pets, die sich die Owner ja auch anschauen konnten, kommen dann an die Gitter und suchen sich ihre Owner aus. Das funktioniert genauso wie die Damenwahl in der Tanzschule.
Dann gehen alle hinüber auf euer Grundstück. Dort ist ein Parcours aufgebaut. Die Pet-Owner-Teams sollen den Parcours nacheinander durchlaufen und die Aufgaben erfüllen. Wir stoppen die Zeit. Dieter und Paul haben in der Zwischenzeit die Gehege hier abgebaut und Tische, Bänke, sowie einen Grillplatz errichtet. Die besten zwei Teams erhalten eine Übernachtung in den beiden Gästezimmern als Gewinn.
Dieter hofft, dass unter den Leuten einige sind, die DS praktizieren ohne SM-Anteile, also so wie wir. So ließen sich Freundschaften begründen.“
Ich höre aufmerksam zu und nicke am Schluss von Biggis Rede. Während wir mit dem Servieren der Getränke beschäftigt sind, läuft Tapsy von einem zum anderen Gast, beschnuppert und begrüßt sie, und holt sich hier und da Streicheleinheiten ab.
„Das wäre schön,“ bestätige ich Biggi.
Ich sehe, dass Dieter in Begleitung von Paul draußen an die Gehege tritt und mit den Pets spricht. Kurz darauf betreten sie die Terrasse und kommen ins Wohnzimmer.
„Hallo,“ sagt Dieter. „Ich möchte mich noch einmal für euer zahlreiches Erscheinen bedanken. Hiermit ist die Veranstaltung eröffnet! Wir werden jetzt alle nach draußen zu den Pets gehen. Dort verteilt ihr euch bitte vor die Gehege der Ponys, Doggies, Kittys, Pigs. Je nachdem welche Art von Pets euch zusagt. Dann schaut ihr euch das Angebot in den Gehegen an. Die Pets werden ebenso das Angebot an Ownern interessiert betrachten. Auf ein Glockensignal hin kommen sie an den Zaun zu dem Owner, den sie sich für das nachfolgende Agility als Teampartner ausgesucht haben. Die Teams gehen dann hinüber zu den Parcours, wo sie weitere Anweisungen von Paul hier“ – er zeigt auf meinen Herrn – „erhalten.“
Die Leute stehen auf und drängen durch die Terrassentür nach draußen. Am Gitter verteilen sie sich vor den verschiedenen Gehegen, die durch Schilder gekennzeichnet sind. Aber auch an den Kostümen der Pets lässt sich erkennen, welcher Art sie angehören.
Etwa zehn Minuten später hat sich das Hin-und-Her-Gewusel gelegt. Jetzt ertönt eine Glocke über einen Lautsprecher und auch das Gewusel auf dem Gras legt sich. Männlein und Weiblein halten sich in etwa die Waage, wie ich sehen kann. Die Pets kommen an das Gitter zu den Ownern. Ich kann beobachten, dass einige aus der Gruppe der Owner einen Schritt zurück machen. Auf diese Weise dauert es eine gute halbe Stunde bis sich alle Teams gebildet haben. Dieter lässt dazu das jeweilige Pet zu dem Owner aus der Umzäunung.
Nach und nach gehen die Teams hinüber auf unser Grundstück. Dort sollen wir unverzüglich mit der Wertung auf dem Parcours beginnen, hat Dieter gesagt. Wir sollen nicht warten bis alle Teilnehmer bei uns sind. Es bringt Spaß und viel Lachen von Seiten der Zuschauer.
Als nach zwei Stunden alle Teams den Parcours durchlaufen haben, bringe ich die Wertungs-Ergebnisse zu Paul und kann sehen, dass die Gitter am Rand zusammengestellt und stattdessen Partytische und –bänke aufgestellt worden sind. Der Grill glimmt auch schon und erste Würste brutzeln.



Cherie - 33
„Und das kann jeder machen?“
Ich mache große Augen.
„Nein! Dazu sind gewisse Hygiene-Standards einzuhalten. Das sollte nur ein Arzt machen – oder ein Piercing-Studio. Letzteres solltest du dir vorher aber genau anschauen!“
„Und Paul…“ frage ich lauernd.
‚Wenn die Frau das alles mit sich machen lässt, was leistet dann der Mann?‘ frage ich mich in Gedanken.
„Paul kümmerte sich während der Prozedur rührend um mich – und scheint sich seitdem noch mehr mit mir verbunden zu fühlen,“ schwärmt Lena. „Bildlich gesprochen räumt er mir sämtliche spitzen Steine aus dem Weg. Manchmal fühle ich mich wie in Watte gepackt – und das mag ich gar nicht!“
Ich muss lachen.
„Wie zeigst du ihm denn, dass du nicht so umsorgt sein willst?“
Jetzt lacht auch Lena.
„Ich bin für ihn kein Spielzeug, wie du weißt. Ich zeige ihm deutlich, dass ich ein eigenständiges Lebewesen bin! Manche würden das vielleicht zickig nennen, aber ich bleibe spielerisch liebevoll. So hat er keinen Grund genervt oder gar böse auf mich zu sein. Er hat schon ein paar blaue Flecken davon getragen…“
Ich muss grinsen.
„Sag mal, hast du dich in der letzten Zeit eigentlich mal wieder mit Dieter getroffen?“ fühlt sie mir nach einer Gedankenpause auf den Zahn.
„Ja,“ bestätige ich. „Wir haben uns letztes Wochenende zu einer Session bei ihm getroffen.“
„Ah, und wie war es?“ hakt sie nach.
„Interessant! So ganz anders als ich Sessions mit Doms bisher kennen gelernt habe.“
„Das ist Pauls und Dieters Merkmal,“ stellt Lena fest. „Wie hat dir das Wochenende gefallen?“
„Ich denke, ich gehe wieder hin – vielleicht sogar regelmäßig…“ resümiere ich.
„Oh, das ist schön!“ ruft meine Gesprächspartnerin begeistert aus. „Dann treffen wir uns bestimmt häufiger!“
„Ich bin dort allerdings mit gemischten Gefühlen weggefahren,“ sage ich nun ehrlicherweise.
„Warum?“ fragt sie zurück.
Ihre Stimme klingt verhalten, leicht traurig.
„Es ging um den Heimtierausweis. Er sprach ihn an für den Fall, dass wir zusammenkommen würden, und dass wir dafür einen Arzt aus der Szene aufsuchen würden.“
„Aber das ist doch sehr verantwortungsbewusst gedacht!“
„Ja, so wie du es mir jetzt erklärt hast. Aber ich sah da plötzlich wieder diese Doktorspiele mit meinem früheren Dom und seinem Freund vor meinen Augen. Da war die ganze Atmosphäre zerstört.“
„Hm, der Dom, mit dem du auf dem Event in Hamburg warst?“
„Nein, nicht Klaus! Einer vor ihm…“
„Ahso… Aber bei Dieter brauchst du die Befürchtungen nicht haben! Da gibt es kein MMF. Er respektiert deine Gefühle genauso wie Paul.“
„Danke dir, Liebes!“ sage ich.
Große Erleichterung schwingt in meiner Stimme mit.
Lenas Stimme vibriert wie nur bei einer lächelnden Person. Sie antwortet mit sanfter, leiser Stimme:
„Wenn du magst, nenn mich ebenfalls CHERIE. Hast du auch schon einen Hundenamen von Dieter bekommen?“
„Ja, AIKA hat er mich genannt.“
„Ein schöner Name, AIKA. Also, dann treffen wir uns sicher bald einmal zu Viert bei Dieter. Hier bei uns wäre Petplay nur eingeschränkt möglich…“
„Das werden wir sicher!“ antworte ich bestimmt.
Ich trenne das Gespräch. Eine große Erleichterung hat mich erfasst. Die emotionale Leere ist verpufft. Das hätte Dieter oder Paul nicht schaffen können. Dazu ist der Kontakt zu Lena sehr wichtig gewesen!

*

„Hi, Lena,“ begrüßt mich Paul, als er von der Arbeit kommt. „Ich war auf dem Heimweg noch schnell auf der Bank. Wir könnten uns endlich ein neues und größeres Auto leisten – oder aber solch ein Nur-Dach-Haus auf Dieters Grundstück in der Eifel…“
„Zumindest ein jüngeres Auto wäre schon schön,“ erwidere ich ihm nach dem innigen Begrüßungskuss. „Aber das können wir uns bestimmt immer noch leisten – dann eben etwas später. Ein Umzug in die Eifel fände ich besser. Das Geld reicht aber sicher nicht, um das Haus komplett zu bezahlen?“
„Nein, aber ein Drittel könnten wir als Eigenkapital in einen Abzahlungsvertrag einbringen bei der Sparkasse.“
„Sprich darüber mit Dieter, Liebling! Wir sollten dafür nicht unsere Bank wählen, sondern seine, weil sie bei ihm in der Nähe liegt. Dann haben wir es nicht so weit, wenn wir dort wohnen.“
„Das mache ich!“ verspricht er mir.
Am Wochenende ruft Paul dann Dieter an und der verspricht Paul, einen Termin bei seiner Bank zu vereinbaren. Vier Wochen nach diesem Gespräch fahren wir schon Donnerstagnachmittag los und sind in der Abenddämmerung bei Dieter angekommen. Für Freitag hat Paul Urlaub bekommen. Wieder übernachten wir in Dieters Gästezimmer und haben wie immer ein fürstliches Frühstück am nächsten Morgen.
Während der Fahrt und bis nach dem Banktermin trete ich als die Partnerin Pauls zweibeinig auf, auch damit der Bankberater keinen falschen Eindruck bekommt. Paul hat seine Bankunterlagen von unserer Sparkasse dabei und Dieter die Bauunterlagen seines Hauses. Das Gespräch in der Bank verläuft in lockerer Atmosphäre. Freundlich werden wir verabschiedet, nachdem wir den Antrag beide unterzeichnet haben.
Danach fährt Dieter mit uns zum Haus zurück. Dort steht inzwischen ein zweites Fahrzeug. Wir steigen in unseren Wagen um und sehen, dass Paul die Schlüssel an das fremde Paar mit einem vielleicht achtjährigen Sohn übergibt. Dann steigt er in seinen Wagen und wir folgen ihm zu seiner Wohnung. Das Haus ist nun für die Dauer von zwei Wochen als Ferienhaus vermietet. Am frühen Nachmittag fahren wir zurück nachhause.