Cherie - 33
„Und das kann jeder machen?“
Ich mache große Augen.
„Nein! Dazu sind gewisse Hygiene-Standards einzuhalten. Das sollte nur ein Arzt machen – oder ein Piercing-Studio. Letzteres solltest du dir vorher aber genau anschauen!“
„Und Paul…“ frage ich lauernd.
‚Wenn die Frau das alles mit sich machen lässt, was leistet dann der Mann?‘ frage ich mich in Gedanken.
„Paul kümmerte sich während der Prozedur rührend um mich – und scheint sich seitdem noch mehr mit mir verbunden zu fühlen,“ schwärmt Lena. „Bildlich gesprochen räumt er mir sämtliche spitzen Steine aus dem Weg. Manchmal fühle ich mich wie in Watte gepackt – und das mag ich gar nicht!“
Ich muss lachen.
„Wie zeigst du ihm denn, dass du nicht so umsorgt sein willst?“
Jetzt lacht auch Lena.
„Ich bin für ihn kein Spielzeug, wie du weißt. Ich zeige ihm deutlich, dass ich ein eigenständiges Lebewesen bin! Manche würden das vielleicht zickig nennen, aber ich bleibe spielerisch liebevoll. So hat er keinen Grund genervt oder gar böse auf mich zu sein. Er hat schon ein paar blaue Flecken davon getragen…“
Ich muss grinsen.
„Sag mal, hast du dich in der letzten Zeit eigentlich mal wieder mit Dieter getroffen?“ fühlt sie mir nach einer Gedankenpause auf den Zahn.
„Ja,“ bestätige ich. „Wir haben uns letztes Wochenende zu einer Session bei ihm getroffen.“
„Ah, und wie war es?“ hakt sie nach.
„Interessant! So ganz anders als ich Sessions mit Doms bisher kennen gelernt habe.“
„Das ist Pauls und Dieters Merkmal,“ stellt Lena fest. „Wie hat dir das Wochenende gefallen?“
„Ich denke, ich gehe wieder hin – vielleicht sogar regelmäßig…“ resümiere ich.
„Oh, das ist schön!“ ruft meine Gesprächspartnerin begeistert aus. „Dann treffen wir uns bestimmt häufiger!“
„Ich bin dort allerdings mit gemischten Gefühlen weggefahren,“ sage ich nun ehrlicherweise.
„Warum?“ fragt sie zurück.
Ihre Stimme klingt verhalten, leicht traurig.
„Es ging um den Heimtierausweis. Er sprach ihn an für den Fall, dass wir zusammenkommen würden, und dass wir dafür einen Arzt aus der Szene aufsuchen würden.“
„Aber das ist doch sehr verantwortungsbewusst gedacht!“
„Ja, so wie du es mir jetzt erklärt hast. Aber ich sah da plötzlich wieder diese Doktorspiele mit meinem früheren Dom und seinem Freund vor meinen Augen. Da war die ganze Atmosphäre zerstört.“
„Hm, der Dom, mit dem du auf dem Event in Hamburg warst?“
„Nein, nicht Klaus! Einer vor ihm…“
„Ahso… Aber bei Dieter brauchst du die Befürchtungen nicht haben! Da gibt es kein MMF. Er respektiert deine Gefühle genauso wie Paul.“
„Danke dir, Liebes!“ sage ich.
Große Erleichterung schwingt in meiner Stimme mit.
Lenas Stimme vibriert wie nur bei einer lächelnden Person. Sie antwortet mit sanfter, leiser Stimme:
„Wenn du magst, nenn mich ebenfalls CHERIE. Hast du auch schon einen Hundenamen von Dieter bekommen?“
„Ja, AIKA hat er mich genannt.“
„Ein schöner Name, AIKA. Also, dann treffen wir uns sicher bald einmal zu Viert bei Dieter. Hier bei uns wäre Petplay nur eingeschränkt möglich…“
„Das werden wir sicher!“ antworte ich bestimmt.
Ich trenne das Gespräch. Eine große Erleichterung hat mich erfasst. Die emotionale Leere ist verpufft. Das hätte Dieter oder Paul nicht schaffen können. Dazu ist der Kontakt zu Lena sehr wichtig gewesen!

*

„Hi, Lena,“ begrüßt mich Paul, als er von der Arbeit kommt. „Ich war auf dem Heimweg noch schnell auf der Bank. Wir könnten uns endlich ein neues und größeres Auto leisten – oder aber solch ein Nur-Dach-Haus auf Dieters Grundstück in der Eifel…“
„Zumindest ein jüngeres Auto wäre schon schön,“ erwidere ich ihm nach dem innigen Begrüßungskuss. „Aber das können wir uns bestimmt immer noch leisten – dann eben etwas später. Ein Umzug in die Eifel fände ich besser. Das Geld reicht aber sicher nicht, um das Haus komplett zu bezahlen?“
„Nein, aber ein Drittel könnten wir als Eigenkapital in einen Abzahlungsvertrag einbringen bei der Sparkasse.“
„Sprich darüber mit Dieter, Liebling! Wir sollten dafür nicht unsere Bank wählen, sondern seine, weil sie bei ihm in der Nähe liegt. Dann haben wir es nicht so weit, wenn wir dort wohnen.“
„Das mache ich!“ verspricht er mir.
Am Wochenende ruft Paul dann Dieter an und der verspricht Paul, einen Termin bei seiner Bank zu vereinbaren. Vier Wochen nach diesem Gespräch fahren wir schon Donnerstagnachmittag los und sind in der Abenddämmerung bei Dieter angekommen. Für Freitag hat Paul Urlaub bekommen. Wieder übernachten wir in Dieters Gästezimmer und haben wie immer ein fürstliches Frühstück am nächsten Morgen.
Während der Fahrt und bis nach dem Banktermin trete ich als die Partnerin Pauls zweibeinig auf, auch damit der Bankberater keinen falschen Eindruck bekommt. Paul hat seine Bankunterlagen von unserer Sparkasse dabei und Dieter die Bauunterlagen seines Hauses. Das Gespräch in der Bank verläuft in lockerer Atmosphäre. Freundlich werden wir verabschiedet, nachdem wir den Antrag beide unterzeichnet haben.
Danach fährt Dieter mit uns zum Haus zurück. Dort steht inzwischen ein zweites Fahrzeug. Wir steigen in unseren Wagen um und sehen, dass Paul die Schlüssel an das fremde Paar mit einem vielleicht achtjährigen Sohn übergibt. Dann steigt er in seinen Wagen und wir folgen ihm zu seiner Wohnung. Das Haus ist nun für die Dauer von zwei Wochen als Ferienhaus vermietet. Am frühen Nachmittag fahren wir zurück nachhause.