Cherie - 17
„Komm, Tapsy,“ lockt er die Mops-Dame, die dann auch von meinem Schoß springt und sich über ihre Mahlzeit her macht.
„Wir müssen Taps immer zuerst zu fressen geben, damit sie später Cherie in Ruhe lässt,“ erklärt Paul die Situation.
Anschließend beginnt er wieder in der Küche zu werkeln. Neugierig geworden, stehe ich auf und gehe zu ihm. Sofort werde ich von ihm zu Hilfsarbeiten, wie Gemüse putzen verdonnert, aber ich mache das gern. Bald darauf ist alles fertig in Schüsseln gefüllt. Paul nimmt Geschirr und Besteck aus den Schränken und deckt damit den Esstisch. Ich bringe derweil die Schüsseln und stelle sie in die Mitte.
Zuerst füllt Paul einen Teller mit Essen und zerteilt es in kleine Brocken. Danach setzt er sich an den Tisch und bückt sich zu Boden mit dem gefüllten Teller in der Hand.
„BEI FUSS, Cherie,“ sagt er mit weicher Stimme und liebevollem Gesichtsausdruck.
Lena nähert sich und beginnt zu essen. Paul übersieht meinen erstaunten Gesichtsausdruck und meint:
„Nimm dir was du magst, Biggi. Guten Appetit!“
Ich reiße mich zusammen und bediene mich an den Schüsseln. Es schmeckt vorzüglich, was Paul da gezaubert hat. Nach einer Weile beugt sich Paul wieder zu Lena hinunter und nimmt den Teller hoch. Dann säubert er Lenas Mundpartie mit einer Serviette und hält ihr die Trinkflasche hin, aus der Lena einen großen Schluck nimmt.
Nach dem Essen helfe ich Paul Besteck und Geschirr in die Küche zu bringen und die Spülmaschine zu beladen. Dann bietet er mir an, dass wir uns im Wohnzimmer zusammensetzen und über alles reden, was mir auf der Seele liegt. Das Angebot nutze ich ausgiebig, um ihn auf das Andersartige seines Umgangs mit Lena aufmerksam zu machen. Ich bin bisher einen völlig anderen Umgang meiner Doms mit mir gewohnt.
„Und?“ fragt er. „Hätte es dir gefallen, von deinen bisherigen Doms ähnlich behandelt zu werden?“
Ich lege meine Stirn in Falten und meine:
„Ich weiß nicht so recht… Legt Lena nicht ihre Selbstverantwortung völlig in deine Hand? Macht sie das nicht hörig – letzten Endes?“
„Sie gibt ihre Selbstverantwortung in meine Hand und verlässt sich vollkommen auf mich. Das siehst du schon richtig, Biggi. Hörigkeit ist ein negativ besetzter Begriff in der heutigen modernen Welt… Ist es denn nicht wunderbar, sich völlig auf seinen Partner verlassen zu können?“
„Auf seinen Partner, ja!“ antworte ich ihm, vielleicht etwas lauter als gewollt. „Aber du bist doch nicht mit einem StiNo-Partner vergleichbar!“
„Hm,“ brummt Paul. „Wie beginnt eine StiNo-Beziehung?“
„Man trifft als Frau jemanden auf der Arbeit, bei einer Freizeitveranstaltung, oder wo auch immer. Bei einem Gespräch in lockerer Atmosphäre checkt man gemeinsame Interessen ab und erkennt dabei, ob der Mann sympathisch ist oder nicht. Wenn ja, trifft man sich wieder, besucht gemeinsam irgendwelche Veranstaltungen und schaut, ob sich Vertrauen zueinander bildet. Eine Freundschaft entwickelt sich, aus der mit der Zeit Liebe entstehen kann.“
„Und wie beginnt eine DS-Beziehung?“
„Also, bei mir war das bisher immer das Gleiche: Man trifft sich im Internet oder auf Veranstaltungen und findet den Mann interessant. Vielleicht gefällt einem auch seine Art zu bestimmen. Man kann sich ‘fallen lassen‘ und führen lassen. Dann verabredet man sich zu Sessions und spielt ein Dom/dev-Rollenspiel live. Danach geht man auseinander und taucht wieder in den Alltag ein.“
„Dass du nur solche Verbindungen auf Zeit eingehst, entspringt der Angst hörig zu werden, deine Selbstverantwortung zu verlieren…“
„Das ist doch völlig normal!“ Meine Stimme ist wohl wieder eine Spur zu laut geraten. „Schau dir doch die Kerle an, die da draußen herumlaufen! Jeder ist nur auf seinen Spaß aus, seine sexuelle Befriedigung! Wie es der Frau geht, ist ihnen letztlich egal. Die Frau ist nur Mittel zum Zweck, nur ein Spielzeug!“
Paul bleibt ganz ruhig. Er sieht gar nicht so aus, als fühle er sich von meinen Vorwürfen berührt.
„Ich weiß,“ sagt er. „Viele Kerle sind auf ONS aus, sprechen von ‘ohne Anlauf‘. Dabei kann weder Freundschaft noch Liebe entstehen. Gefühle sind ihnen egal. Ich bin kein Vertreter des ‘Ohne Anlauf‘! Ich will die Frau kennenlernen, ihren Charakter, ihre Interessen. Ich will Vertrauen zwischen ihr und mir aufbauen… Natürlich will ich führen, bestimmen wo es lang geht, jedoch nicht ungeduldig sofort, sondern allmählich. In dem Maße, indem das Vertrauen zueinander wächst, kann sie allmählich Stück für Stück Teile ihrer Selbstverantwortung auf mich übertragen – und auch wieder entziehen, sollte ich sie enttäuschen, sollte ich es an Respekt gegenüber ihr vermissen lassen.“
Während Paul redet, bleibt mein Mund offen stehen. Seine Art ist völlig anders als die der anderen Doms, die ich kennengelernt habe.
„Dir geht es nicht um deine sexuelle Befriedigung?“ fasse ich alles noch einmal zusammen.
Paul lächelt.
„Es ist mehr! Mir geht es um das Wohl der Frau. Wenn ich eine Anweisung gebe aus meinem Führungsanspruch heraus, ist die sexuelle Befriedigung ein wunderschönes Nebenprodukt! In erster Linie habe ich das Wohl der Frau im Blick, die sich mir hingibt. Sie ist kein Ding, kein Spielzeug, sondern ein fühlendes Lebewesen.
Um den Begriff ‘fühlendes Lebewesen‘ zu erklären: Du fühlst tagsüber eine Menge. Mal ärgerst du dich, mal freust du dich, mal bist du traurig, usw. Im rationalen Alltag behältst du deine Gefühle in deinem Herzen, um das du eine mehr oder minder dicke Schale gelegt hast. Niemand geht es an wie du fühlst, denn das macht dich angreifbar. Unter Liebenden öffnet man ein Fenster zu seinem Herzen und lässt den Anderen immer einmal hinein blicken.
Wenn du nun einen Dom hättest bei dem du mit der Zeit gelernt hast voll zu vertrauen, weil er deine Sache zu seiner macht, weil er offen für alles ist, was dich bewegt, weil du mit ihm Freude, Trauer, Ärger, usw., teilen kannst, dann entsteht ein starkes emotionales Band zwischen euch.“
In die entstehende Atempause platze ich mit meinem Statement hinein:
„So einen Dom gibt es nicht!“
Paul senkt den Kopf ein wenig und schaut mich unter den Augenbrauen hervor an.
„Frag Cherie, wenn sie wieder aus ihrer Rolle heraus ist! Ich war mir noch nicht sicher, was ich bin, ob ich Pet oder Owner bin. Ich fühlte mich als Pet und suchte einen Owner, als ich Dieter traf. Dieter ist kein Gay und ich im Grunde auch nicht. Dieter hat mir seine Art dominant zu sein beigebracht. Ich habe sie weiterentwickelt, eigene Aspekte eingebracht – und schließlich Lena kennengelernt, meine Cherie.
Es ist allmählich Zeit schlafen zu gehen… Was hältst du davon, wenn du morgen mit uns Dieter besuchst. Der Mann hat zurzeit keine Doggie. Vielleicht springt ja ein Funke über und es entwickelt sich etwas Ähnliches wie zwischen Cherie und mir?“
„Du machst mich neugierig. Wenn du meinst, wir könnten einfach überfallartig bei ihm aufschlagen, dann komm ich gerne morgen mit! Übermorgen geht aber mein Zug von hier zurück.“
„Lena kann dich übermorgen zum Bahnhof bringen. Da habt ihr unterwegs Zeit euch über deine neuen Eindrücke auszutauschen,“ sagt Paul und erhebt sich.
Dann zieht er das Sofa auseinander und baut mir das Gästebett für die Nacht. Nach einem freundschaftlichen ‚Gute Nacht‘ geht er mit Lena an seiner Seite hinüber ins Schlafzimmer.

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