Cherie - 05
„Gut, dann mach das, Dieter. Möglicherweise habe ich schon bald ein erstes Doggie…“
„Ahhh, du warst ebenfalls aktiv seit unserem letzten Treffen! Das ist schön. Sie mag es, deine Doggie zu sein?“
„Sagen wir so: Sie lässt sich leicht führen, wenn sie mir ihr Vertrauen und ihre Sympathie schenkt. Vielleicht verliebt sie sich sogar? Abwarten, was die Zukunft bringt! Ich werde sie einfühlsam heran führen. Dann schauen wir mal.“
„Okay, schauen wir mal.“

*

Hinter den Kassen schauen wir uns nach den Hinweisschildern zum Rundweg um. Lächelnd zeige ich meine Entdeckung Paul. Er lächelt zurück und wir nehmen diese Richtung. Dabei legt er seinen Arm um meine Schultern. Ich lasse es zu und lehne mich etwas an ihn beim Gehen. Ich möchte ihm so zeigen, dass ich mich bei ihm geborgen fühle.
Jemand fotografiert uns und eine junge Frau drückt mir einen Zettel mit einer Nummer in die Hand. Der Fotograf hat sich schon jemandem hinter uns zugewandt und drückt wieder den Auslöser. Am Ausgang können wir uns ein Erinnerungsfoto aussuchen, erklärt die Frau noch schnell, dann wendet auch sie sich Besuchern hinter uns zu. Ich gebe den Zettel an Paul weiter.
Mit meiner Tapsy an der Hand schlendern wir an den Gehegen entlang. Dann erreichen wir ein Café mit einem Spielplatz auf dem Kinder toben. Wir setzen uns auf die Terrasse und Paul bestellt Cappuccino und Teilchen. Diesmal fragt er nicht, ob ich das mag, was er bestellt. Aber ich sage ichts dazu. Ich mag es, dass er die Führung übernimmt. Wir unterhalten uns und nach einer guten Stunde geht es weiter.
Wieder spazieren wir an Freigehegen vorbei. Zweimal durchqueren wir Hallen. Eine davon ist eine riesige Freiflughalle. Dann erreichen wir ein Gebäude mit der Aufschrift DELFINARIUM. Paul lenkt seine Schritte hinein. Wir steigen eine Treppe hinauf und sehen uns in einem Zuschauerraum stehen. Wie im Kino sind hier bogenförmig Sitzplätze in vielen Rängen angeordnet. Wir finden zwei Plätze nebeneinander und schon beginnt die Vorstellung.
Drei Delfine führen unten im Becken auf Kommando verschiedene Kunststücke vor, die den Zuschauern einen Eindruck davon vermitteln sollen, was diese Tiere in der freien Natur in der Lage sind zu tun. Begleitet wird das Ganze von einem Vortrag eines der Pfleger und Tiertrainer. Nach 25 Minuten ist die Vorstellung zu Ende und die Halle leert sich. Auch die Delfine schwimmen durch einen Kanal in einen Bereich, der nicht von den Zuschauern einsehbar ist.
Während wir an den letzten Gehegen Richtung Ausgang gehen, stellt mir Paul eine Frage:
„Wie fandest du die Vorstellung, Lena?“
„Es ist schon beeindruckend, was die Delfin in der Lage sind zu tun,“ sage ich. „Aber dass man die Tiere in solch kleinen Becken halten kann… Sie sind doch den grenzenlosen Ozean gewohnt – und sie sind intelligent.“
„Sie müssen beschäftigt werden,“ antwortet mir Paul. „Und dabei natürlich geistig gefordert! Stumpf hin und her schwimmen lassen wird man sie nicht. Die Leute sind schon erfahrene Tiertrainer.“
Eine kurze Gedankenpause entsteht, dann spricht Paul weiter:
„Weißt du, es gibt Menschen, die es mögen sich wie Tiere zu verhalten, und auch andere, die diese Leute führen und trainieren, und ihnen so das Gefühl geben ein Tier zu sein. Wie eben das mit den Delfinen.“
Ich schaue Paul schräg von der Seite an. Meint er das ernst, was er da sagt?
„Es gibt zwei Arten von bedingungslosem Vertrauen,“ redet er weiter und schaut mir dabei offen ins Gesicht. „Einmal zwischen Eltern und Kind, wenn die Beziehung in Ordnung ist. Zum Anderen zwischen Tier und Mensch. Als Beispiel schau dir doch dein Verhältnis mit Taps an…“
„Du hast recht,“ sinniere ich. „Aber wenn ein Mensch die Rolle eines Tieres annimmt, das ist doch reichlich schräg!“
Er zuckt kurz mit den Schultern. Dann sind wir auch schon am Stand des Fotografen. Paul steuert darauf zu und wir schauen uns die Bilder an. Zehn Euro bezahlt er für zwei wunderschöne Schnappschüsse.

*

Drei Monate sind vergangen. Wir haben uns regelmäßig besucht und viel unternommen in der Freizeit. Ich habe begonnen zärtliche Gefühle für Paul in meinem Herzen zu entdecken. Er spürt das auch, denke ich, denn er hat mich gefragt, ob wir nicht zusammenziehen sollten.
„Hm,“ antworte ich ihm, „deine Wohnung ist fast genauso klein wie meine. Möchtest du bei mir einziehen?“
Ich weiß nicht, warum ich ihm das Angebot gemacht habe. Selbst meinen Exfreund habe ich nicht bei mir wohnen gelassen.
Paul faltet eine Zeitung auseinander und deutet auf eine Anzeige, die eingekreist ist.
„Was hältst du hiervon?“ fragt er mich.
Ich lese etwas von einer Zweizimmer-Wohnung etwa um die Hälfte größer als sein Appartement, also von der Größe her zwischen seiner und meiner Wohnung angesiedelt. Die Miete werden wir uns gemeinsam leisten können, und sie liegt in der Nähe! Ich lege meinen Arm um ihn und gebe ihm einen Kuss.
„Du bist ein Schatz!“ sage ich. „Aber wer organisiert den Umzug? Ich kann leider keinen Urlaub nehmen. Der Chef findet dann schnell eine andere Verkäuferin…“
„Ich weiß, du bist sehr pflichtbewusst,“ antwortet Paul. „Du könntest deine Sachen in Kartons verpacken, die ich besorge. Ich mache das Gleiche. Und den Rest besorgt ein Umzugsunternehmen! Wo welche Möbel aufgestellt werden, darüber reden wir, wenn wir den Grundriss der Wohnung haben. Also nach Unterzeichnung des Mietvertrages.“
Ein Monat nach diesem Gespräch leben wir zusammen in einer Wohnung. Das ist für mich eine Premiere. Anfängliche Befürchtungen lösen sich aber bald in Luft auf und auch Tapsy hört auf Paul. Letzteres lässt mich manchmal ein wenig eifersüchtig werden.

*