Cherie - 11
Ich verteile das Essen auf drei Teller und zerteile Lenas Portion mundgerecht, so dass sie ihr Essen mit dem Mund aufnehmen kann. Taps bekommt ihr Futter in einem Napf. Dann bringen wir die Teller zum Esstisch und ich stelle wohlweißlich Lenas Teller gut zwei Meter neben Tapsys Napf. Ein Wassernapf daneben und für Lena stelle ich eine Trinkflasche mit Fruchtsaft neben meinen Teller.
Wir setzen uns und Dieter wünscht guten Appetit.
Als wir zum Esstisch gekommen sind, ist Taps sofort aufgesprungen und zu uns gelaufen. Auch Lena hat sich erhoben und schaut mir zu, was ich mache. Zuerst bekommt Taps ihr Futter. Nachdem sie zu Fressen begonnen hat, stelle ich Lena ihren Teller vor die ‚Vorderfüße‘.
Wie schon befürchtet, muss ich bald eingreifen. Taps hat Lenas Fisch in die Nase bekommen und ihren Platz verlassen.
„Taps, aus!“ sage ich mit fester Stimme.
Den Geruch des Thunfisches in der Nase, reagiert sie jedoch nicht wie erwünscht. Ich greife Taps ins Halsband und ziehe sie zurück. Dann bringe ich sie zu ihrem Napf zurück und stoße sie mit der Nase in ihr Futter. Sie frisst nicht weiter. Mit einem kurzen Blick in die Runde finde ich beim Kamin einen Ring. Also nehme ich Cheries Kette aus meiner Hosentasche, befestige sie mit der Schlaufe an dem Ring und nehme Taps auf den Arm. Am Ring befestige ich Tapsys Halsband an der Kette und stelle ihren Futter- und Wassernapf vor sie hin. Erst dann komme ich zum Essen. In Zukunft muss ich Taps wohl immer festmachen, damit Lena in Ruhe essen kann.
Nach dem Essen frage ich Dieter:
„Gibt es hier eigentlich die Möglichkeit, mit den Hunden einen längeren Spaziergang durch die Natur zu machen – und sie vielleicht auch mal von der Leine zu lassen? Oder haben wir stets mit unbedarften Passanten zu rechnen?“
Dieter schüttelt den Kopf.
„Wenn wir über mein Land Richtung Wald gehen begegnen wir wochenlang keinem Menschen. Das ist hier noch unberührte Natur.“
Ich mache große Augen. Das kenne ich so gar nicht. Aber es freut mich sehr.
„Dann könnten wir die Hunde sich auspowern lassen – nachher!“ schlage ich vor.
„Gute Idee,“ sagt Dieter. „Obwohl Taps wohl noch jede Menge Power haben wird, wenn deine Cherie langsam müde wird. Wäre es da nicht einfacher gewesen, nur eine Doggie zu haben – und nicht auch noch einen echten Hund?“
„Wo die Liebe hinfällt,“ sinniere ich. „Ich kann doch Lena nicht vor die Wahl stellen, entweder Taps oder ich… Ich kann mir ausrechnen, wie dann ihre Entscheidung ausfallen wird! Also gehört es auch zu meinen Pflichten, für ihre Hündin zu sorgen. – Und zu meiner Verantwortung, beiden irgendwie gerecht zu werden. – Außerdem: So erlernt Cherie viel schneller die nonverbale Kommunikation der Hunde!“
„Ah, das gehört auch zu deinen Prioritäten…“
„Aber sicher! Entweder, oder…“ gebe ich lächelnd zurück.
Bald läuft die Spülmaschine. Dieter zieht Gummistiefel an und bietet mir ein weiteres Paar, das mir leicht zu groß ist. Draußen gehen wir über einen Sandweg an einer Art Heidelandschaft mit Gras und Kräutern, sowie einzelnen Büschen und Bäumen vorbei auf den Wald zu.
„Hier willst du bald mehr Bäume pflanzen, um sie dann abholzen und die Stämme verkaufen zu können?“
„Ja, erstmal Nadelholz, das wir als Weihnachtsbäume verkaufen. Vereinzelte Obstbäume zur Eigenversorgung und bei genügend Geld später Buchen und andere Hölzer.“
„Ah,“ mache ich und schaue in die Runde.
Ich führe beide Hunde an der Leine. Taps bleibt als erste stehen und kotet am Wegesrand.

*

Nachdem ich mich im Bad erleichtert und anschließend gesäubert habe, schließe ich mein Body mit den Druckknöpfen im Schritt und gehe die angenehm breiten Stufen der Treppe ins Erdgeschoß auf allen Vieren hinunter. Unten höre ich Stimmen in der Küche und schaue kurz nach, was die Männer tun. Als Paul den Kopf wendet, ziehe ich mich schnell zurück und gehe ins Wohnzimmer. Dort am Elektrokamin lasse ich mich nieder. Sofort kommt unsere Tapsy auf mich zu gelaufen und legt sich neben mir ab.
Ich beginne die Mopsdame zu streicheln, worauf sie sich an mich schmiegt. In dieser Stellung findet uns Paul, der ins Wohnzimmer kommt und den Blick suchend schweifen lässt. Er lächelt mich an und ich schenke ihm ein ebensolches glückliches Lächeln. Paul geht nun beruhigt in die Küche zurück, um kurz darauf mit Dieter und gefüllten Tellern zum Esstisch zu gehen und die Teller darauf zu platzieren.
Bevor er sich zum Essen hinsetzt füllt er einen Napf mit Hundefutter und einen zweiten mit Wasser. Er stellt sie links neben sich auf den Boden und ruft Taps zu sich, dann schneidet er das Essen auf einem Teller klein und ruft mich zu sich. Den Teller stellt er rechts von sich in einiger Entfernung zu Taps auf den Boden und streicht mir sanft über den Kopf. Ich drücke meine Schulter an sein Bein und reibe sie kurz an ihm, während ich dankbar zu ihm aufschaue. Dann senke ich den Kopf über den Teller und beginne zu essen.
Paul setzt sich an den Tisch und will nun ebenfalls essen als Tapsy zu mir kommt, um auch von meinem Teller zu essen.
Schon tönt Paul sehr energisch: „Aus! Taps!“
Ein Tier ist aber nun einmal ein sehr emotionales Lebewesen. Den köstlichen Duft des Thunfisches in der Nase, ist das Gehorchen schwer. Also steht Paul auf und platziert sie mittels der Leine entfernt von uns. Dort bietet er ihr wieder ihr Futter und das Wasser an, doch Taps schaut nur traurig zu mir herüber.
Als ich Durst bekomme und zu Paul aufschaue, fragt er mich – als ob er Gedanken lesen könne -:
„Magst du etwas trinken?“
Ich nicke freudig und er greift nach einer Trinkflasche auf dem Tisch und hält mir das Mundstück hin. Ich sauge einen Schluck heraus und esse weiter. Die Männer derweil reden über irgendetwas. Nach dem Essen räumen sie auf und Paul lässt Taps von der Leine, die sofort zu mir kommt und zu lecken beginnt.
Die Männer schlüpfen in Stiefel. Danach kommt Paul zu mir und zieht mir wieder die Pfotenfäustlinge und die Spezialballerinas an. Er leint Tapsy und mich an und wir verlassen das Haus. Es geht über einen Sandweg in Richtung Wald. Rechts und links erstreckt sich eine unbearbeitete verwilderte Landschaft aus Gräsern, Büschen und Bäumen. Wir stoppen einmal kurz, weil Taps sich am Wegesrand erleichtert, dann haben wir schnell den Wald erreicht und die Bäume umschließen uns.
„Wenn die Hunde die Gegend kennen und aufs Wort gehorchen, könnten wir sie hier schon laufen lassen,“ höre ich Dieter zu Paul sagen.
„Aha,“ macht Paul.
„Ich schlage aber vor, dass wir ein Stück gehen. Wir kommen dann zu einer Stelle, wo ein Bachlauf den Sandstein durchbrochen hat. Er mäandert natürlich und so ist auf einer Seite ein Steilufer entstanden, während sich auf der anderen Seite ein kleiner Sandstrand befindet, hinter der eine Wiese eine Waldlichtung bildet. Dort können die Hunde laufen und spielen,“ meint Dieter.
Paul Gesicht zeigt eine neugierige Miene. Taps hat schon eine ganze Weile an der Leine gezogen. Das mache ich jetzt auch. Ich will diese Lichtung erkunden…
Sofort ruft Paul: „BEI FUSS!“
Während ich stehenbleibe und Paul aufholen lasse, muss er Tapsy mit der Leine zurückziehen. Dazu bleibt er auch stehen. Also gehe ich langsam mit gesenktem Kopf auf Paul zu und setze mich neben ihm auf meine Fersen.
„Du brauchst einen Wanderstock als Armverlängerung,“ sagt Dieter zu Paul. „Und dann musst du das ‘Bei Fuss‘-Gehen solange üben bis keine Leine mehr notwendig ist – zumindest in bekanntem Gelände. In unbekanntem Gelände lauern so viele fremden Düfte, dass die tierischen Instinkte anfangs alle erlernten Kommandos vergessen machen werden.“
„Oookay,“ meint Paul.
Der Weg steigt ein wenig an, dann zweigt ein Pfad nach links ab. Hier gibt’s nur nackten Waldboden. Der Pfad führt nach einigen Metern steil abwärts, aber die Wurzeln der Waldbäume wirken wie Treppenstufen. So komme ich ganz gut voran.
Schließlich versperrt uns mannhohes Schilf die Sicht.
„Hier sind wir richtig,“ meint Dieter. „Mensch, ist das Schilf gewachsen…“