Cherie - 29
Damit drehe ich mich um und betrete das Wohnzimmer wieder. Ich gehe zur Couch, setze mich und lege die Hand flach auf das Polster neben mir. Dazu sage ich HOPP, und lächele da Biggi das Kommando prompt ausführt und neben mich auf die Couch kommt.
Dann sage ich BLEIB und stehe auf. Es ist Zeit, das Mittagessen für uns zu machen. Bald darauf bringe ich zwei Teller an meinen Platz und schneide ihre Portion in mundgerechte Stücke. Ich beuge mich mit dem Teller in der Hand neben mir zu Boden und stelle ihn ab. Jetzt sage ich ZU MIR. Biggi verlässt die Couch, kommt zu mir und beginnt zu essen ohne die Hände zu benutzen. Also esse ich nun auch.

*

Ich, Paul, habe Lena heute Vormittag spielerisch Einblick in die nonverbale Kommunikation der Hunde gewährt. Meine Liebste hat dabei aus Unkenntnis zwar einen niedrigeren Rang als ihre Mopsdame Taps erlangt. Aber das ist nicht weiter tragisch. Tiere leben für den Augenblick. So kann sich die Rangfolge jederzeit ändern. Lena muss danach nur Nervenstärke beweisen und sie wird ihren dann höheren Rang behaupten können. Beim Mittagessen habe ich ihr erlaubt, auf dem Stuhl neben mir Platz zu nehmen und Besteck zu benutzen.
Während des Essens haben wir das Ballspiel noch einmal durchgesprochen und vereinbart, es am Nachmittag zu wiederholen. Nach einer kleinen Ruhepause nehme ich also wieder den Ball an mich. Taps ist sofort voll da. Sie hüpft und springt an mir hoch, um den Ball zu bekommen. Lena schaut sich das Spiel aus wenigen Metern Entfernung an. Dann lasse ich den Ball etwa zwei Meter in Lenas Richtung zu Boden fallen.
Lena und Taps sind etwa gleichzeitig am Ball. Sofort beginnt Taps zu knurren und fletscht ihre Zähne. Lena knurrt Taps nun ihrerseits an.
„Öffne ebenfalls den Mund und zeige deine Zähne,“ rate ich ihr.
Dadurch verkommt Lenas Knurren zwar zu einem rollenden Errrr, aber Tapsy stört sich nicht daran. Nun habe ich da eine Hündin und eine Doggie, die anscheinend das Objekt ihrer Begierde vergessen haben. Sie sind nur damit beschäftigt nicht nachzugeben, ihren Rang auszuhandeln. Als Rudelführer darf ich hier nicht eingreifen. Dennoch behalte ich sie im Auge, damit Taps nicht zuschnappt. Dann wäre das mentale Kräftemessen sofort beendet!
Es vergeht keine Minute, dann legt sich Taps auf den Rücken. Damit, dass sie ihre Kehle freigibt, ist das Kräftemessen für den Augenblick entschieden. Ich streichele unsere Mopsdame und ermuntere Lena, es mir gleich zu tun.
„Du siehst, wie die Spielregeln sind,“ sage ich zu meinem Schatz. „Ein Kampf mit Bisswunden wird unter allen Umständen vermieden. Allenfalls wärest du gekniffen worden. In Zukunft – um was auch immer es geht, ob um ein Spielzeug oder um Nahrung – bist du immer zuerst an der Reihe. Drängelt Tapsy sich vor, knurrst du sie kurz an. Reicht das nicht, weil das was sie will zu verlockend ist, zeigst du ihr die Zähne und knurrst weiter bis sie klein beigibt. Dann behältst du deinen Rang.“
Lena kommt zu mir und reibt ihren Kopf an meinem Oberschenkel. Ich will ich gerade Gelegenheit geben sich zu äußern, als Taps sich dem Ball nähert.
„Schau, Cherie, hol ihn dir sofort wieder! Das darfst du nicht dulden,“ mache ich sie aufmerksam.
Sofort läuft Lena zu Taps und stößt unter Knurren den Ball weg. Taps dreht den Kopf weg und trottet zu ihrer Decke, wo sie sich ablegt und uns aufmerksam beobachtet.
„Jetzt hängt endgültig dein Etikett ‚MEINS‘ am Ball,“ sage ich lächelnd. „Jedenfalls für die nahe Zukunft! Wenn du etwas sagen möchtest, dann tu es ruhig.“
„Das war aufregend, Herr!“ bricht es aus Lena hervor.
„Und das ist noch nicht alles! Geh mit offenen Augen mit Tapsy um, schau wie sie sich benimmt und geh dazwischen, wenn sie etwas haben will, das dir gehört. Überlasse es ihr auch nicht auf Zeit, denn damit gibst du deinen Anspruch auf das Teil auf! Lasse sie allenfalls bei etwas mitspielen, unterbinde aber sofort jeden Eigentumsanspruch. Lasse ihr im Gegenzug aber auch all die Sachen, die ihr gehören!“
„Das will ich,“ sagt Lena voll Überzeugung. „Wie aber sagst du mir, was du von deinem Doggie willst. Dazu sind doch die Kommandos da.“
„Richtig…“ mache ich und schaue Lena erwartungsvoll an.
„Wann bringst du mir die Kommandos bei? Erst nachdem ich die nonverbale Kommunikation beherrsche?“
„Nein, das mache ich parallel. Vor allem, weil ich am Erlernen der nonverbalen Kommunikation wenig Anteil habe. Darin ist Taps die bessere Lehrerin. Wir können gerne mit den grundlegenden Kommandos jetzt gleich beginnen.“
„Ja, gerne.“
„Also dann, Sprechverbot!“
Ich gehe in die Küche und hole ihre heißgeliebten Erdnüsse ins Wohnzimmer. Sie sollen meine Belohnung darstellen. Auch im Training echter Hunde wird heute die ‚Positive Verstärkung‘ angewandt, statt schmerzhafte Strafen für Fehlverhalten. So stärkt der Trainer die Motivation.

*

Nach dem Mittagessen fordert Dieter mich auf, ihm zu folgen. Er öffnet die Terrassentür und geht weiter in den Garten. Dort ist ein Pool in den Boden eingelassen. Dieter sagt HOPP und deutet auf das Wasser. Ich schaue ihn zweifelnd an, aber er lächelt aufmunternd. Also springe ich aus dem Vierfüßlerstand ins Wasser und vergnüge mich eine Weile darin. Dieter setzt sich in der Zwischenzeit an den Rand und schaut mir zu.
Nach einer Weile meint er:
„Im Wasser bewegst du dich nach Menschenart wie ein Frosch. Eine Hündin schwimmt anders. Sie paddelt mit Vorder- und Hinterbeinen nahe am Körper unter Brust und Bauch. Einfach ist dieser Schwimmstil sicher nicht – du hast gegenüber natürlichen Hunden den Vorteil, dass deine Hände dem Wasser eine größere Angriffsfläche bieten als Hundepfoten. Denke daran: Alles was einfach ist, fordert deinen Ehrgeiz nicht heraus! Du kannst - je nachdem - beim Vorziehen die Hand etwas drehen und dem Wasser so die Kante geben, und beim Zurückstoßen die Handfläche nach hinten drücken. Deine Füße machen dabei Bewegungen wie beim Fahrradfahren – oder zieh sie fast bewegungslos hinterher! Schau selbst, was für dich praktikabel ist…“