Cherie - 35
Zurück auf unserem Grundstück informiere ich die Leute darüber und während sie zurückströmen stellen wir uns an die Tische unter denen Körbeweise Brötchen stehen. Sie müssen aufgeschnitten werden. Dieter schlägt das Fass an und beginnt die ersten Gläser zu füllen.

*

Mein Name ist Anita. Ich bin schon ein paar Jahre auf der Seite der Petplay-Community angemeldet. Dort habe ich mich Feli genannt, eine Abkürzung von Felitae, und genauso unnahbar wie eine Katze gebe ich mich auch, wenn ich per Persönlicher Nachricht Avancen anderer männlicher Community-Mitglieder bekomme. Deren Nachrichten sind vielfach so flach, dass man denken könnte, ihr Gehirn ist ihnen in die Hose gerutscht.
Irgendwann habe ich meiner Freundin Lisa davon erzählt und sie hat sich ebenfalls auf der Seite angemeldet. Unser liebster Aufenthalt dort ist der Story-Blog. Sehr interessant, was für Geschichten sich die Leute ausdenken! Aber ich könnte mir nie vorstellen, Petplay real zu leben…
Irgendwann lese ich eine Geschichte, die mich fesselt. Es geht dort um eine Frau, die in die Rolle der Hündin eines Mannes schlüpft. Das allein lässt mir einen Schauer den Rücken hinunterlaufen, heißt das doch, man gibt zumindest zeitweise seine Selbständigkeit auf und lässt sich vertrauensvoll führen. Gut, dass es sich um ein Märchen, um reine Phantasie handelt!
Der Verlauf der Story beginnt mich jedoch zunehmend zu faszinieren. Bisher bin ich der Meinung gewesen, Petplay sei ein Ableger des BDSM, und die Herren benutzen die Frauen als Spielzeug ihrer sexuellen Lust. Sie zitieren sie zu sich, gebrauchen sie wie einen Gegenstand und schicken sie weg, um sie bald wieder zu sich zu rufen. Das Spiel geht so lange bis sie ihrer überdrüssig werden oder sie eine andere Frau gesehen haben und ihr Jagdtrieb wiedererwacht ist.
Die Story handelt jedoch von einem Mann, dem sich die Frau zwar hingibt, aber er benutzt sie nicht. Stattdessen kümmert er sich um sie. Er ermuntert sie, ihre Emotionen zu leben und bedient ihre Gefühle. Er sorgt sich um ihr Wohl und pflegt sie, als wäre sie das Tier, das sie spielt. Auch aus dem Blickwinkel der Frau finde ich dieses Verhalten himmlisch
Als ich mit Lisa über die Geschichte spreche, macht sie mich darauf aufmerksam, dass das nur die eine Seite ist. Daneben bestimmt der Mann über die Frau und sie braucht ein gehöriges Maß an Vertrauen ihm zu gehorchen, weiß sie doch nicht wohin das führt. Hat er wirklich immer ihr Wohl im Auge? Oder nutzt er sie nicht doch letztlich aus?
Ich bin schon etwas tiefer in der Geschichte drin, und antworte ihr:
„Zu einer lockeren bis festeren Beziehung gehören immer zwei. Das ist im normalen Alltag genauso. So wie ich die Geschichte verstehe, lässt er der Frau – seiner Doggie – ihre Eigenarten. Ein Hinausschieben von Grenzen, ein Überwinden von mentalen Hürden findet nicht statt. Das unterscheidet diese Geschichte vom BDSM. Ich sehe ein Gleichgewicht der Protagonisten.“
Lisa brummt zweifelnd. Also schreibe ich einen Beitrag unter die Geschichte. Ich lobe die beschriebene Gewaltfreiheit und bekenne, dass ich bisher dachte Petplay sei nur mit sadomasochistischen Praktiken denkbar.
Der Autor bedankt sich kurz darauf in einem weiteren persönlich gehaltenen Beitrag für meine Rückmeldung und sagt, dass er mit seinen Ansichten zum Thema hinter der Geschichte steht, was mich sehr für ihn einnimmt.
Monate später bietet der Autor in einem Beitrag einen Petplay-Nachmittag für alle interessierten Singles an. Um das Kennenlernen untereinander zu fördern sollen die Pets sich ihre Owner auswählen, mit denen sie die Aktivitäten und Spiele durchlaufen möchten. Das finde ich so interessant, dass ich Lisa überrede mit mir zu der Location in die Eifel zu fahren. Ich nehme mir fest vor, das Angebot an Ownern auf Herz und Nieren zu prüfen. Dabei kann Lisa mir eine große Hilfe sein.
Im Verlaufe des Nachmittages müssen wir allerdings feststellen, dass wohl außer den Veranstaltern alle anderen Männer sadomasochistischen Praktiken anhängen und im Übrigen nur an dem Einen interessiert sind. Wir stehen auf, lassen sie sitzen und setzen uns etwas abseits der Leute, um fertig zu essen und dann zu fahren. Das hat die jüngere der beiden Servicekräfte wohl bemerkt, denn sie kommt auf uns zu, setzt sich und fragt nach unseren Eindrücken während des Events.

*

Einer der männlichen Doggies, ein etwa gleichaltriger Mann, steht von seinem Platz auf, wo er sich mit seiner Ownerin eine ganze Zeit unterhalten hat und kommt zu mir.
„Was kann ich Ihnen Gutes tun?“ frage ich.
Ich denke, er möchte für sich und seine Begleitung, die er hier kennengelernt hat, etwas zu essen bestellen. Er schaut mich mit zweifelnder Miene an.
„Sagen Sie mal,“ setzt er an. „Sind hier alle Frauen so – teuer?“
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und frage zurück:
„Wie meinen Sie das?“
„Nun ja, der Nachmittag war interessant. Ich habe die Frau eben gefragt, ob es eine Fortsetzung geben könnte. Sie wohnt in Köln – genau wie ich…“
„Das sind doch die besten Voraussetzungen für ein gemeinsames Faible!“ stelle ich fest.
„Wissen Sie, was sie geantwortet hat? Für 400 Euro pro Monat könnten wir uns gerne an einem Nachmittag pro Woche bei ihr treffen. Dann könnte ich mich ganz ins Dogspace fallen lassen…“
Ich schaue mein Gegenüber enttäuscht an.
„Das hätte ich nicht gedacht, dass hier einige ein Geschäft aus dem Faible machen. Mir würde so etwas nie in den Sinn kommen!“ entgegne ich ihm.
„Würden Sie mich als ihr Doggie trainieren?“ fragt mein Gegenüber hoffnungsvoll.
Ich lächele ihn an und strecke ihm die Hand hin. Er nimmt sie und schüttelt sie kurz.
„Ich heiße Dieter,“ stelle ich mich vor.
„Ich bin der Klaus,“ sagt mein Gegenüber.
„Ich bin allerdings hetero,“ dämpfe ich seine Erwartungen, „ich kann mit einem männlichen Doggie wenig anfangen. Es geht ja doch nicht bloß um das Kommandieren und Gehorchen. Es entstehen Sympathien zwischen Herr und Doggie. Im Idealfall wird mehr daraus. - Wie bist du eigentlich zum Dogplay gekommen?“