Cherie - 38
„Das Event ist ja früh zu Ende,“ stellt Lisa fest.
Dieter lächelt gequält.
„Was heißt ‚früh‘,“ sagt er. „Dass die Kennenlern-Gespräche bei Essen und Trinken nicht immer den gewünschten Erfolg haben, ist bei der Unterschiedlichkeit der Charaktere und Vielzahl der Neigungsvarianten eigentlich normal. Umso schöner finde ich, dass wir hier nun zu Siebt zusammensitzen, wo wir vorher zu Viert waren.“
„Klaus sagte gerade, dass er von Ihrer Art Petplay zu leben fasziniert ist und Sie ihm versprochen haben, ihm das WIE zu zeigen…“
Dieter schaut Klaus vielsagend an und schaut mir dann gewinnend lächelnd in die Augen.
„Damit wären wir dann schon drei ‚Owner‘. Ich habe auch Paul ‚meine Art Petplay zu leben‘, wie du es nennst, beigebracht. Paul und Lena sind inzwischen ein Paar und Biggi hier ist mit mir befreundet.“
Er weist auf die ältere Servicekraft, die auf der anderen Seite neben Dieter Platz genommen hat.
„Ich mache euch Dreien einen Vorschlag,“ sagt er dann. „Da unsere beiden Gästezimmer frei sind, die Gewinner haben dankend verzichtet, biete ich sie euch an. - Paul ist sicher einverstanden. – Und morgen Vormittag erlebt ihr Lena und Biggi als Doggies. Ihr könnt dabei zuschauen, wie wir mit unseren Doggies umgehen und danach überlegt ihr euch in den nächsten Wochen, was ihr wollt.“
Paul hat freundlich lächelnd genickt, als das Gespräch auf sein Gästezimmer gekommen ist.
„Ich nehme mit Lisa eins und Klaus kann das Andere haben!“ stimme ich neugierig zu.
„Selbstverständlich,“ bestätigt Dieter. „Helft ihr uns beim Aufräumen?“
„Gern,“ bestätige ich lächelnd.
Es dauert fast zwei Stunden, bis alle Gerätschaften und Partymöbel in einem Baucontainer verstaut sind. Die Dämmerung ist hereingebrochen. Wir versammeln uns in Dieters Wohnzimmer, wo wir ihn mit Fragen löchern können. Ich finde es wohltuend, wie er selbst für das scheinbar Unsinnigste offen ist. So wird es spät an diesem Samstag, als wir uns alle in unsere Zimmer zurückziehen.
Bemerkenswert ist mir Lenas Bekenntnis zu ihrer Partnerschaft mit Paul erschienen. Es hat damit begonnen, dass einer aus der Runde – ich glaube, Klaus hat es fallen gelassen – das Wort ‚Liebe‘ ins Gespräch gebracht hat. Paul hat sich eingeschaltet und präzisiert:
„Liebe ist übrigens mehr als die sexuelle Harmonie, für die das Wort heute oft gebraucht wird! Genauso wichtig ist die emotionale Hingezogenheit zum Partner.“
Lena hat sich daraufhin eingeschaltet:
„Ohne die Liebe zum Partner hat der Sex miteinander nicht diese Kraft! Die Liebe verbindet beide auf emotionaler Ebene. Sie macht langmütig, lässt also vieles zu, worüber andere schon längst in Streit geraten wären. Sie lässt einen nicht nach seinem persönlichen Vorteil suchen oder nachtragend werden, sondern versucht das Wohl des Anderen zu vermehren. Sie respektiert den anderen, verurteilt die Lüge, lässt einen ritterlich und ehrenhaft handeln. Die Liebe hält allen Anwürfen von außen stand!“
Während Lena redet, werden meine Augen immer größer. Dann platzt es aus mir heraus:
„Das ist doch alles Theorie! Das ist ein hohes Ideal von der Liebe, die im Alltag nicht lange Bestand hat! Wie willst du deine Ideale denn durch den Alltag retten?“
Paul antwortet für Lena, während sie sich an ihn schmiegt:
„Wir sind alle nur Menschen und keine Halbgötter. Aber wir sind intelligent genug frühzeitig Anzeichen zu erkennen, dass man sich auseinanderlebt und darüber offen zu sprechen. Dann lässt sich gegensteuern. Lena ist das wichtigste Lebewesen auf diesem Planeten für mich! Umgekehrt gilt sicher das Gleiche.“
Er lächelt, während sie sich etwas streckt und ihm einen Kuss auf die Wange drückt. Auch Biggi schaut Paul an und dann zu Dieter.
„Wie will ich nun gegensteuern?“ nimmt er den Faden wieder auf. „Es gibt eine Reihe negativer Einflüsse, die man kennen muss: einmal, wenn wir uns des anderen nicht mehr bewusst sind, wenn uns der andere egal zu werden beginnt. Dann das unstillbare Verlangen nach mehr. Wenn uns der andere nicht mehr genug ist. Oder, wenn das Mitgefühl schwindet und der Selbstsucht Platz macht. Auch die Angst vor der Vergänglichkeit, vor dem Ende des Mitgefühls. Sowie, wenn die Gefühle nicht mehr unser Handeln bestimmt, sondern das körperliche überhandnimmt. Und letztlich, nur noch zu glauben, was man sieht. Wenn also die Rationalität mehr Gewicht bekommt als die Emotionalität. Schließlich die Besserwisserei, die verblendete Selbstüberzeugung, der Fanatismus.
Das muss alles auf den Tisch und besprochen werden, ohne den Anderen mit Vorwürfen zu überhäufen. Dann müssen Lösungen gesucht werden – Verhaltensänderungen nicht nur beim Anderen, sondern auch bei sich selbst.“
„Das ist ein Riesen-Programm! Ich weiß nicht, ob je ein Mensch dazu fähig wäre…“ sage ich.
Wahrscheinlich klingt meine Stimme entmutigt, denn nun sagt Dieter:
„Verliere niemals den Mut! Erinnere dich an das, was dich einmal mit deinem Partner zusammengebracht hat und überlege dir, ob du das wirklich über Bord werfen willst. Außerdem, nichts geschieht von jetzt auf gleich. Alles entwickelt sich – von einer Mücke zu einem Elefanten. Die Mücke lässt sich noch leicht bekämpfen!“
„Okay,“ sage ich und spüre, wie mir die Lider schwer werden.
Ich schaue Lisa an und sage dann:
„Seid ihr uns böse, wenn wir jetzt schlafen gehen wollen?“
„Aber nein, zieht euch ruhig zu zurück und träumt etwas Schönes!“
Ich stehe auf und auch Lisa erhebt sich. Wir gehen die Treppe hoch zum Gästezimmer und wünschen noch einmal eine ‚Gute Nacht‘. Dabei sehen wir, dass auch die Anderen sich erheben und die Gläser in die Küche bringen.

*

Am nächsten Morgen werde ich von Geschirrgeklimper wach. Die Sonne schaut über die hohen Bäume des nahen Waldes und taucht das Gästezimmer durch die Vorhänge in ein Dämmerlicht. Ich stehe auf, ziehe die Vorhänge zur Seite und öffne einen Fensterflügel. Schlagartig wird es hell im Zimmer. Nadelholzduft und Vogelstimmen erfüllen die Luft. Lisa regt sich nun auch, setzt sich auf und kneift die Augen zusammen.