Cherie - 41
Zuerst stehe ich sprachlos da und beobachte das Szenario. Dann falle auch ich in das Lachen ein. Lena und Biggi lecken Paul und Dieter ab, die am Boden liegen. Sie wehren sich nur halbherzig und kommen nur langsam in sitzende Stellung hoch. Sie knuddeln ihre Doggies. Es ist ein friedliches, zärtliches Bild, das sich mir da bietet. Auch Taps ist inzwischen herangekommen, um sich ihre Streicheleinheiten abzuholen.
Nach einer Weile sagt Dieter zu mir, da ich als einzige noch stehe:
„Komm, setz dich zu uns, Anita.“
Klaus und Lisa haben vorhin sich zusammen hingehockt. Ich sehe sie zärtliche Blicke austauschen. Ich hocke mich nun auch hin. Dieter zieht seine Jacke aus und breitet sie im Gras aus. Paul sieht das und macht es ihm gleich.
„Macht es euch ruhig bequem,“ meint er und weist auf die Jacken auf dem feuchten Gras.
Zögernd folgen wir der Aufforderung. In der nächsten Stunde, die wie im Flug vergeht, löchern wir Dieter und Paul zum Petplay. Nach einer Weile rufen sie Biggi und Lena hinzu und erlauben ihnen zu sprechen. Nun erhalten wir das Petplay, wie die Vier es leben, auch aus der Sicht der Doggies erklärt. Als wir uns dann auf den Rückweg machen wollen und aufstehen, sehe ich, dass Lisa sich an Klaus Schulter angelehnt hat.
Auf dem Rückweg frage ich deshalb Lisa:
„Wie findest du Klaus?“
„Ich denke, er ist ein lieber Kerl,“ meint sie. „In seiner Nähe fühle ich mich wohl.“
„Hmm…“ brumme ich.
„Ist da Eine eifersüchtig?“ lacht sie. „Wart‘ ein bisschen! Du wirst auch noch ein Schnuckelchen für dich finden!“
„Eifersüchtig? Ich?“ lache ich zurück.
Natürlich weiß ich, dass Klaus nicht uns beide haben kann. Es wird wohl noch etwas dauern bis ich einen Owner finde, wie Dieter, Paul und bestimmt auch Klaus sie sind. Dieter, der mit Klaus nun auf dem Rückweg den Abschluss bildet, sagt in diesem Moment:
„Kommt doch wenn ihr Zeit an den Wochenenden habt – und wir gerade keine Feriengäste hier haben – gemeinsam hierher. Wir bringen euch die nonverbale Kommunikation und die Hunde-Kommandos bei.
Anita, du brauchst dich wirklich nicht als fünftes Rad am Wagen fühlen! Konzentriere dich auf deine Freundschaft mit Lisa. Sie ist zu wertvoll, um es durch Konkurrenzdenken aufs Spiel zu setzen! Wir werden einfach weiterhin Events wie das Gestrige veranstalten. Dabei wird sich auch ein Owner für dich finden, der ins Schema passt!“
Ich bin ihm dankbar für die aufbauenden Worte und nehme mir vor, sie zu beherzigen. Nachdem wir wieder zurück sind, essen wir gemeinsam bei Dieter. Dabei kommen lustige Ereignisse während des gestrigen Parcourslaufes zur Sprache. Das trägt sehr zu der wohltuend gelösten Atmosphäre bei. Danach verabschieden wir uns und fahren nachhause.

*

Meine Freundin Anita, eine Anime-/Manga-Begeisterte, hat mich bei einem unserer Treffen darauf angesprochen, dass sie sich vor einiger Zeit auf einer Petplay-Community-Seite im Internet angemeldet hat. Ich runzele die Stirn und frage:
„Was ist denn das?“
„Das sind Leute, die im Rollenspiel ‚Haustiere‘ und deren Halter spielen, Lisa.“
„Hä?“
Ich zweifele etwas an Anitas Geisteszustand. Entsprechend entgeistert habe ich sie in dem Moment angeschaut und meinen Cappuccino hart auf die Tischplatte aufgesetzt.
„Du weißt doch von meinem Anime-Manga-Faible…“
„Ja, die Bildchen sind wirklich schön…“
„Und die Geschichten dahinter so schön emotional… Ich habe vor Längerem auf Youtube nach entsprechenden Videos gesucht und da welche gefunden mit realen Personen – keine Comics. Dabei ist der Begriff ‚Kemonomimi‘ des Öfteren gefallen. Im Laufe der Recherchen kam ich dann zum ‚Petplay‘. Danach habe ich gegoogled. So bin ich auf die Community gestoßen. Ich gebe zu, es ist etwas verwirrend.“
„Und diese Petplayer halten sich für ein Tier?“ frage ich, immer noch sehr zurückhaltend.
„Nein, so wie andere Leute in ihrer Freizeit irgendeinem Hobby nachgehen und dabei ihre Entspannung vom Alltagsstress finden, entspannen diese Leute dadurch, dass sie ein Haustier oder dessen Halter SPIELEN.“
„Hm, und was gefällt dir daran?“
„Du weißt doch, dass ich diese Comics früher regelrecht verschlungen und später nachgezeichnet habe.“
„Ja, an den Wänden hängen ja noch genug Kittys…“ entgegne ich grinsend.
„Auf der Seite,“ erzählt Anita weiter, „wird das Thema im Forum mit Beiträgen von allen Seiten beleuchtet. Außerdem werden Treffen bekanntgegeben und es existiert dort ein Storyblog. Darin werden Phantasie-Geschichten von Mitgliedern veröffentlicht. Diese Geschichten lassen Einem manches Mal einen Schauer den Rücken herunter rieseln. Wenn du magst, zeige ich es dir, wenn wir uns das nächste Mal bei mir treffen.“
Anita hat mich neugierig gemacht. Es ist doch ein Riesenunterschied, ob jemand Mangas mag und die Geschichten verschlingt und ob jemand das live nachspielt. Also sage ich:
„Ja, gern.“
Wie reden noch über so Einiges bis Anita aufbricht. Wir umarmen uns zu Abschied wie immer.
Eine Woche später bin ich bei Anita turnusmäßig verabredet. Wir unterhalten uns über alltägliches bis ich sie auf das ungewöhnliche Thema anspreche, dass sie beim letzten Treffen angeschnitten hat.
„Was ist denn nun mit dem Petplay? Du wolltest mir doch etwas zeigen!“
Anita holt ihren Laptop an den Tisch und setzt sich neben mich. Sie startet das Gerät und wählt sich ins Internet ein. Dann ruft sie eine Seite auf und meldet sich an.
„Schau mal hier,“ sagt sie, „alle möglichen Tierarten sind vertreten, Ponys, Hunde, Katzen, Kühe, Schweine – und da ist der Storyblog.“