Cherie - 42
„Als was hast du dich denn angemeldet?“ werfe ich dazwischen.
„Mein Nickname ist FELI, eine Abkürzung von Felitae. Ich spiele eine Kitty, selbständig, manchmal unnahbar, jedoch verkuschelt, wenn ich Vertrauen gewonnen habe.“
„Und? Hast du zu jemandem Vertrauen gefasst?“
„Den Richtigen habe ich leider noch nicht gefunden. Aber man soll nichts überstürzen – wie im normalen Alltag ja auch. Viel zu vielen Kerlen ist das Gehirn in die Hose gerutscht. Ich habe den Eindruck, dass sie sich bloß hier angemeldet haben, um über diese Schiene eine Frau ins Bett zu bekommen. Hier kehre ich die Unnahbare heraus, die auch schonmal ihre Krallen zeigt.
In den Beiträgen im Forum bekommt man den Eindruck, dass Petplay eine Spielart des BDSM ist. Auch viele Geschichten im Storyblog geben diesen Eindruck wieder. Man kann sich das wirklich nur durchlesen. Das Kopfkino lässt Einen hier und da erschauern. Live erleben möchte ich das nicht!“
„Weißt du was? Ich melde mich da ebenfalls an. Als unnahbare Katze Kerlen zeigen, wo der Hammer hängt, macht mir Spass,“ sage ich.
Meine Mundwinkel umspielt ein leichtes Grinsen. In den nächsten Minuten habe ich mich ebenfalls angemeldet. Wir überfliegen die Seite noch etwas, rufen das eine oder andere Thema auf und lesen es durch. Dann meine ich:
„Komm, lass uns das Internet ausschalten. Schließlich leben wir in der Realität und nicht in einer Phantasiewelt.“
Den Rest des Nachmittags reden wir über anderes und amüsieren uns über Episoden, die wir in den letzten Tagen miterlebt haben.
In den nächsten Tagen gehe ich immer wieder einmal auf diese Internet-Seite. Auch recherchiere ich bei Google, was es über den Begriff BDSM zu lesen gibt. Und tatsächlich finden sich Parallelen. Bei einer Geschichte im Storyblog vermisse ich aber den Bezug zum BDSM. Ich mache Anita darauf aufmerksam und sie zeigt sich in der Folgezeit fasziniert von der Geschichte. Ich muss sagen, sie ist auch wirklich gut geschrieben. Jedoch: Gibt sie auch wirklich das Wesen des Autors wieder? Die Kerle halten bei Treffen selten das, was sie vorher beim Texten als Eindruck vermittelt haben…
Viel zu oft vertraut sie dem Mann viel zu schnell und wird immer mehr zum Spielzeug seiner sexuellen Lust. Er holt sie zu sich, wann er ‚es‘ braucht und schickt sie weg, wenn er für den Moment genug hat. Dass es für sie auch solche Zeiten gibt, ist für ihn von minderem Interesse. Dann beginnt er immer mehr zu verlangen. Bisherige NoGos von ihr werden zu Hürden, die es zu überwinden gilt, und sie macht das alles mit, um ihn nicht zu verlieren. Oft genug sieht er aber dann eine andere Frau, die ihm gefällt. Sein Jagdtrieb erwacht erneut und er lässt seine bisherige ‚Flamme‘ fallen, die dann in ein emotionales Loch gerät. Nein, so etwas wird mir nicht geschehen. Ich bin jetzt vorgewarnt! Und auf Anita werde ich achtgeben. Das bin ich ihr als langjährige Freundin schuldig!
Monate danach spricht mich Anita auf einen Beitrag im Forum an.
„Lisa, hast du gelesen? Der Autor der Geschichte, über die wir vor einem halben Jahr so gegensätzlich diskutiert haben, hat die Teilnahme an einem Petplay-Event angeboten, dass er in vier Wochen organisieren will. Es soll in der Eifel stattfinden. Das ist nicht so weit weg von uns.“
„Nein…“
Ich muss gestehen, so viel will ich gar nicht wissen über die Leute dort. Ich habe mir meine Meinung gebildet und das reicht. Die Geschichten in dem Storyblog sind amüsant zu lesen, sind es doch nur moderne Märchen, reine Phantasie.
Anita fährt ihren Laptop hoch und geht auf die Internetseite. Dann holt sie den Beitrag auf den Bildschirm und lässt ihn mich lesen.
„Du willst dort hin. Habe ich recht?“ frage ich sie.
„Ja, Lisa. Einmal sollten wir aus unserem Elfenbeinturm heraustreten und uns unter die Leute mischen. Wenn es uns nicht zusagt, fahren wir einfach wieder!“
„Wenn wir das dann noch können…“
„Nun hör‘ mal, Lisa! Wenn uns einer an die Wäsche will, wehren wir uns! Wir werden uns nicht Hals über Kopf auf etwas einlassen, was wir nicht auch hundertprozentig selbst wollen.“
„Okay, Anita. Gespannt bin ich auch, was uns erwartet.“
„Na also!“
Für Anita ist die Sache damit abgetan. Wir schauen uns im Bastelbedarf nach Plüschteilen um und nähen den Stoff auf alte Bikinis, so dass das entfernt nach Manga-Kittys aussieht. Haarspangen versehen wir mit Plüsch-Ohren und im Haustierhandel erstehen wir zwei Halsbänder. Damit ausgerüstet fahren wir an dem Samstag, an dem das Event stattfinden soll zu der angegebenen Adresse.
Einige Leute sind schon vor uns da. Es kommen aber noch mehr, als wir schon dort sind. Ein Mann kommt uns aus einem der beiden kuriosen Häuser entgegen, die dort stehen. Die Dächer reichen bis zum Erdboden.
„Hallo, herzlich willkommen! Ich bin Dieter Mattes. Sie wollen sicher an dem Event teilnehmen, das ich angeboten habe.“
„Hallo, ja, das wollen wir. Das ist meine Freundin Anita Pohl und ich bin Lisa Mertens. Wir sind Kittys.“
„Ah, okay. Ich habe mir den Ablauf in etwa so gedacht: Die Owner hole ich zu mir ins Haus und für die Pets habe ich im Garten mehrere Gehege aufgebaut. Wir haben ja das Glück, dass wir heute schönes Wetter haben. Wenn keiner mehr kommt, bringe ich dann die Owner nach draußen zu den Pets. Ihr könnt euch gegenseitig beäugen und wenn ein Signal ertönt suchen sich die Pets ihre Owner aus. Das funktioniert genauso, wie die Damenwahl in der Tanzschule“ – er zeigt ein gewinnendes Lächeln – „dann gehen die Teams aus Pet und Owner rüber auf das Nachbargrundstück. Dort ist ein Parcours aufgebaut. Es müssen Aufgaben gelöst werden und schnell sollten die Teams sein. Die zwei besten Teams haben eine Nacht in einem der beiden Gästezimmer gewonnen, so sie das überhaupt wollen. Nach dem Parcourslauf kommt ihr wieder herüber auf das Grundstück hinter diesem Haus. Dort ist dann ein Grillplatz eingerichtet mit genügend Tischen. Jetzt kann man sich stärken und einander kennenlernen.
Es ist mein erstes Event dieser Art. Ich hoffe, es gefällt euch. Wenn ihr euch umziehen wollt, im Eingangsbereich könnt ihr dafür gerne meine Gästetoilette benutzen!“
Er öffnet die Haustür und zeigt auf die Zimmertür gleich links. Ich nicke und schaue Anita an. Sie lächelt mir zu, also verschwinde ich als erste hinter der Tür, um als Kitty wieder heraus zu kommen. Während ich auf Anita warte, kommt eine Frau um die Vierzig in einer blauen Latzhose, Hemd und Mütze auf mich zu. Sie trägt ein Tablett mit belegten Broten in der Hand und fragt, ob ich mich vorab stärken möchte.
Ich nehme zwei Brote vom Tablett herunter und frage, ob es auch etwas zu trinken gäbe.