Chico (2)
Bei diesen Aufenthalten im Internet, auf der Suche nach neuen Tätigkeitsfeldern, entdeckte ich Fetisch-Seiten und dabei las ich mich in die Petplayer-Szene ein. Was wäre, wenn ich Hundehaltung und eine dauerhafte Beziehung zu einem Mann miteinander verbinden konnte? Komischerweise gab es auf diesen Seiten mehr ‚Hundehalterinnen‘ als ‚Hundehalter‘ und fast ausschließlich ‚Hunde‘. Es gab nur wenige ‚Hündinnen‘ und die tendierten eher zu ‚Halterinnen‘ als zu ‚Haltern‘.
Ich schaute mir die dazugehörigen Chaträume an und begann Gespräche. Bald bot sich mir ein Mann als Doggie an. Ich wechselte mit ihm in einen privaten Chatraum und begann mit ihm ein Rollenspiel, bei dem ich ihn als Puppy – zu Deutsch ‚Welpe‘ - erziehen sollte.
Das Spiel machte mir richtig Spaß. Daher freute ich mich jeden Abend darauf. Das war besser als die langweiligen Fernsehfilme. Ich nannte ihn Chico und stellte ihm Aufgaben, die er alle sehr gewissenhaft erfüllte, bzw. zu erfüllen versuchte. Er tat diese Dinge auch tatsächlich real, also nicht nur virtuell gespielt, sagte er mir. Das konnte man so oder so sehen, denn kontrollieren konnte ich es ja nicht.
Eines Tages dann verlor ich ein Wort über mein Domina-Studio draußen auf dem Land. Er war gleich Feuer und Flamme und bearbeitete mich so lange, bis ich ihm die Adresse gab.
Als er mich schließlich besuchte, bekam ich erst einmal einen Schock. Mein Chico war ein schmächtiger langhaariger 19jähriger Bengel.
Es war an einem Samstagvormittag. Auf dem Parkplatz im Innenhof standen drei PKW. Meine Mädchen hatten sich mit ihren Kunden auf die Zimmer zurückgezogen. Ich saß am Fenster und schaute zur Einfahrt des Parkplatzes. Dort begann der Wirtschaftsweg, der zur Landstraße führte. An der Einmündung in etwa hundert Metern befand sich eine Bushaltestelle.
Chico schrieb gestern Abend, dass er mit dem Bus um 10:34 dort ankommen wollte. In der Ferne sah ich bald einen Bus halten. Etwa eine Minute nachdem der Bus weitergefahren war, erkannte ich eine Gestalt auf den Hof zu wandern. Je näher die Gestalt kam, desto unsicherer wurde ich. Das sollte Chico sein?
Ich wartete, bis der Junge den Hof erreicht hatte und sich suchend umsah. Ich stand auf und verließ das Haus, um ihn draußen in Empfang zu nehmen.
„Hallo, du bist das erste Mal hier?“ fragte ich ihn und bot ihm meine Hand zum Gruß.
„Ja,“ antwortete er.
Seine Augen waren geweitet. Man sah ihm an, dass er am liebsten auf dem Absatz kehrt machen oder im nächsten Mauseloch verschwinden wollte. Der nächste Bus hielt hier aber erst in einer Stunde. Schließlich fasste er sich ein Herz.
„Ich wollte zu Madam Estelle…“
„So,“ lächelte ich ihn an. „Du hast einen Termin bei Madam? Kannst du sie denn auch bezahlen?“
Ich hatte mich zum Haus umgewandt und machte die ersten Schritte zurück. Er folgte mir. Jetzt blieb er abrupt stehen.
„Ich habe kein Geld dabei. Sie hat mir erlaubt, sie zu besuchen…“
„Oh,“ machte ich. „Du hast Kontakt mit ihr? Ihr kennt euch? Bist du ein Neffe von ihr?“
Er holte tief Luft.
„Ja, ich chatte schon länger mit ihr, bin aber nicht verwandt!“
Ich wandte mich nun voll zu ihm um.
„Chico, ich wusste nicht, dass du noch so jung bist! Du bist noch Schüler oder schon in Ausbildung?“
„Sie sind Madam Estelle?“ brach es aus ihm heraus. Ich hatte den Eindruck, als schlotterten ihm die Knie.
„Ja, Chico. Nun komm erst einmal herein und setz dich.“
Ich drehte mich wieder der Eingangstüre zu, drückte sie auf und ließ ihn hindurch gehen. Drinnen im Treppenhaus wandte ich mich meiner Wohnungstür zu und ließ ihn auch dort hindurch. Im Wohnzimmer bot ich ihm stilecht Platz auf einem Kissen neben der Couch an. Widerspruchslos ließ er sich im Schneidersitz darauf nieder. Ich füllte zwei Gläser Cola in der Küche und reichte ihm eins davon.
„Ich fragte dich, was du zur Zeit machst,“ erinnerte ich ihn an meine Frage.
„Ich bin in der letzten Klasse. Im Sommer habe ich mein Abitur,“ antwortete er.
„Oh, dann hast du sicher schon einen Ausbildungsvertrag,“ vermutete ich.
„Leider nicht, Madam,“ gab er zu.