Dienstag, 12. Januar 2021
IWIPAPA - Stamm der Mutter Erde - 45
Unsere drei Wahine laufen los und treffen nach wenigen Metern durch dichte Vegetation LELE mit der jungen Wahine. Sie begrüßen sich sehr emotional über Gestik und Mimik wie sie es immer tun, wenn sie sie länger nicht gesehen haben. Ein Teil der emotionalen Begrüßung bekommt auch die junge Wahine ab, die dabei etwas zurückweicht. Für sie ist das neu. Sie fremdelt, das ist normal. Dann stupst RA’A sie von hinten an, um ihr zu signalisieren „WEITER GEHT’S“.
Als sich die junge Wahine dazu entschließt zu folgen, gibt LELE weiterhin die Richtung an. RAKA‘U und HETU’U laufen rechts und links neben ihr, damit die junge Wahine die Richtung beibehält, und RA‘A bildet den Abschluss. Sie treibt die Wahine durch gelegentliche Stupser immer wieder zum Weiterlaufen an.
Wir folgen der Gruppe mit einigem Abstand, denn sie machen eine deutliche Spur im Unterholz des Waldes.
Darüber vergeht der Tag. Gegen Abend erreichen wir die Schule. Am Rand des Waldes bleiben wir stehen und schauen auf die Lichtung. Ich sehe Bewegung im Gehege unter dem großen Fale des Kahuna.
Nachdem es nach einer guten halben Stunde im Gehege ruhig geworden ist, gehen wir auf das Fale zu und nehmen einen Einzelkäfig. LELE hat ihr zum Einschlafen etwas zu essen gegeben, in das ich eine Schlaftablette hinein getan habe, bevor wir gestern losgegangen sind. So können wir sie jetzt entkleiden und den Käfig über sie stülpen, einen ihrer Füße nach innen schieben und die Pfosten des Käfigs ins Erdreich hämmern. Sie wird morgen früh vielleicht mit leichten Kopfschmerzen erwachen, aber die sind schnell verklungen.
Dann ziehe ich mich in die Hütte zurück, in der der Poki tane zusammen mit zwei weiteren auf der Lichtung wohnt.
Am nächsten Morgen gehe ich frühzeitig in Begleitung des Poki tane zum Kahuna zum Frühstücken. Der Mann bestimmt zwei andere seiner Poki tane zum Bewachen des Käfigs und dass ihm berichtet wird, sobald die Wahine aktiv wird.
Gerade sind wir mit dem Frühstück fertig und sitzen beim Kawa kawa zusammen, als einer der Wächter meldet, dass die Wahine wach ist. Wir trinken unsere Becher leer und stehen auf, um sie uns anzuschauen.
Wir betreten das Gehege und nähern uns dem Käfig. LELE, RAKA’U, RA’A und HETU’U sitzen im Hintergrund und schauen zu.
Der Kahuna beugt sich vor und greift durch die Gitterstäbe ein Fußgelenk der Wahine. Er begutachtet kurz das Tattoo, das eine Hundepfote zeigt. Sie versucht den Fuß an sich zu ziehen, aber der Kahuna hält ihn fest. Nun überschüttet sie ihn mit einem Wortschwall. Nach der verärgerten Miene zu urteilen, muss es sich um eine Schimpfkanonade handeln. Möglicherweise hält sie ihn für den Kopf ihrer Entführer.
Der Kahuna lässt nun los und erhebt sich. Dabei sagt er nur ein Wort:
„Inu –Hund-.“
Dann zieht er mich von ihr weg. Wir entfernen uns, obwohl sie sich nun auf das Flehen verlegt, wie ich aus ihrer Tonlage entnehme. LELE, RAKA’U, RA’A und HETU‘U folgen uns die Treppe hinauf ins Haus.
Gegen Mittag bestimmt der Kahuna, dass die Neue zu essen bekommen soll. Wir begleiten die Poki tane, die gleichzeitig die Beiden ablösen, die seit heute Morgen den Käfig bewachen. Der Kahuna tritt vor den Käfig und nennt ihr mit festem Ton den Namen, auf den sie ab heute hören soll. Er nennt sie IKA, was Fisch bedeutet. Sie wiederholt nach Aufforderung mit niedergeschlagenem Blick ihren neuen Namen.
Danach gibt er ihr noch einige Verhaltensregeln mit der Ankündigung, dass sie nur dann Nahrung bekommt, wenn sie sie befolgt. Er stellt ihr in Aussicht, dass er für sie sorgt, sich um ihr Wohl und ihre Pflege kümmert, wenn sie sich angepasst verhält.
Sie versucht trotzdem, ihn für ihren Wunsch einzuspannen, nach Hause zu kommen. Der Kahuna lehnt lächelnd ab und eröffnet ihr, dass nun hier ihr zuhause ist. Sie zeigt eine enttäuschte Miene und rüttelt am Gitter des Käfigs, was ihn nicht weiter kümmert.
Er lässt ein zischendes Pfeifen hören, worauf hin RA’A und HETU’U zu ihm laufen. Dann geht der Kahuna zurück ins Fale. Die junge Wahine greift durch die Gitterstäbe nach dem Essen, dass einer der Poki tane ihr dort hingestellt hat.
Ich bin nun alleine mit der jungen Wahine, LELE und RAKA’U, bis auf die beiden jungen Wächter am Käfig. Auch ich wende mich zum Gehen und rufe:
„LELE, RAKA‘U, ZU MIR!“
Ich beuge mich zu ihnen herunter und streichele ihnen durchs Haar, während sie ihre Wangen an meinem Bein sanft reiben, bevor ich aufbrechen will. Da ruft sie mich an:
„Hallo, Sie!“
Der Kahuna hat ihr zwar verboten zu sprechen, aber sie muss sich erst noch in ihre Rolle hineinfinden. Normalerweise sollte ich mich taub stellen, aber ich will ihr Zeit geben, also wende ich mich ihr wieder zu und gehe näher an sie heran. Bei ihr gehe ich in die Hocke und setze mich dann im Schneidersitz neben den Käfig.
Wie immer folgen mir LELE und RAKA’U und lassen sich rechts und links neben mir nieder. Mit milder Stimme mache ich sie auf ihren Fehler aufmerksam.
„Du weißt, dass dir verboten wurde zu reden!“
Sie senkt den Blick, und antwortet leise:
„Ich weiß, aber ich weiß mich noch nicht anders auszudrücken. - Ich verspreche auch, nicht neugierig zu sein! – Aber wenn LELE geht, fühle ich mich einsam…“
Ich lache kurz auf und strecke meine Hand durch die Stäbe, um ihr über die Wange zu streicheln. Sie küsst flüchtig meine Hand.
Ich beruhige sie etwas, indem ich ihr versichere, dass LELE täglich ein paar Stunden hier ist, weil auch den Fortgang ihres Trainings miterleben will. Sie soll sich zusätzlich mit RA’A und HETU’U anfreunden, sage ich ihr, denn diese beiden sind rund um die Uhr mit ihr zusammen und zeigen ihr alles. Dann versuche ich ihr noch die Angst zu nehmen, dass ihr hier die sexuelle Selbstbestimmung genommen wird. Natürlich kann ich dazu viel sagen. Meine Worte sind Schall und Rauch. Der Alltag hier wird sie aber mit der Zeit überzeugen, dass meine Worte der Wahrheit entsprechen.