Freitag, 15. Januar 2021
IWIPAPA - Stamm der Mutter Erde - 48
Man ist bereit sechzig Prozent der Gesamtsumme über einen Kredit zu finanzieren, wenn ich die restlichen vierzig Prozent aufbringe. Nun habe ich der Werft schon fünfzehn Prozent vorgeschossen und überlege, wie ich die restlichen fünfundzwanzig Prozent aufbringe.
Da sagt Viktoria zu mir:
„Wenn ich meine Zelte zuhause abbreche und für ein paar Wochen zu dir ziehe, kann ich gerne meine Konten löschen und das Geld hierher überweisen. Das reicht doch?“
Ich überschlage die Finanzierung unter dem neuen Gesichtspunkt und umarme sie:
„Du bist ein Schatz, Viktoria! Aber dann verhandele ich hart mit der Werft!“
Ich erreiche, dass die Werft das Vaka in Papeete in tadellosem Zustand an mich übergibt. Die Überführungsmannschaft und deren Rückholung geht zu Lasten der Werft. Wenige Tage später hat die Werft ihr Geld und beginnt mit der Arbeit.
Als das Vaka in See sticht, ist es auch für die örtliche Presse ein Ereignis, über das die Bilder und Berichte bringen.
Nun löse ich auch meinen Hausstand auf und kaufe Flugtickets über Dubai nach Papeete. Mateo weiß auch Bescheid und wird mit doppelter Besatzung nach Papeete segeln, um das Vaka dort zu übernehmen.
Viktoria erzählt mir vor dem Metalldetektor, dass sie einen RFID-Chip unter der Haut trägt. Aber für das Flughafenpersonal scheint das kein Problem zu sein. Nach einem Flugtag landen wir in Dubai, um nach wenigen Stunden Aufenthalt zum Betanken und Durchchecken wieder abzuheben.
Als wir auf Tahiti-Faa’a landen, dem Flughafen Papeetes und das Terminal verlassen, lassen wir uns die fünf Kilometer ins Stadtzentrum fahren. Ich versuche schon von unterwegs Kontakt zu Mateo und der Werft-Crew aufzunehmen, und muss feststellen, dass weder mein Reisekatamaran noch Mateos Vaku in Papeete am Kai liegen. Wir müssen noch etwa eine Woche auf die Boote warten. Also schauen wir uns also nach einem Hotel um.
Der Fahrer unseres Cabs empfiehlt uns das Fare D’Hotes Tutehau. Das Haus liegt im Viertel Farii piti. Es ist nur fünfzehn Gehminuten vom Zentrum entfernt. Die Gastgeber begrüßen uns herzlich und führen uns zu einem Zimmer. Es ist einfach eingerichtet und liegt, wie alle Gästezimmer rund um ein Gemeinschaftsatrium mit einem großen schattigen Garten.
Nachdem wir uns eingerichtet haben, beginnt es schon zu dämmern. Hier in den Tropen hat man täglich zwölf Sonnenstunden von morgens sechs Uhr bis abends achtzehn Uhr. Also machen wir es uns auf den Betten gemütlich und verschieben das Sightseeing auf die nächsten Tage.
Nachdem Frühstück im Hotel am nächsten Morgen, einem Samstag, gehen wir ins Stadtzentrum, das durch die Kathedrale Notre-Dame de Papeete leicht zu finden ist. Im Tahiti Tourist Office buchen wir eine geführte Tour und schließen uns kurz darauf einer Gruppe Touristen an. Der Guide führt uns durch die Straßen der Innenstadt und den Hafen Motu Uta.
Er erzählt uns, dass Papeete am Wochenende wesentlich ruhiger ist, da keine Veranstaltungen stattfinden. Die Führung geht durch Straßen mit besonderer Architektur, die die Stadtgeschichte erzählen. Wir bleiben immer wieder stehen und der Guide hat zu jeder Lokalität eine Geschichte parat.
Anschließend führt er uns in die Hafenzone und wir können ermessen, wie geschäftig es dort unter der Woche zugeht. Von hier aus werden die umliegenden Inseln versorgt und die Verbindung zwischen Französisch-Polynesien und der Welt aufrechterhalten. Hier landen die Kreuzfahrtschiffe und bringen den Insulanern Umsatz.
Zurück am Tahiti Tourist Office bedankt sich unsere Gruppe unter Klatschen von unserem Guide und zerstreut sich anschließend. Wir suchen das nächste Restaurant auf und lassen uns auf die tahitianische Küche ein.
An den darauffolgenden Tagen schauen wir uns die Gärten Tahua Autonomie, die Bistumsgärten und den Chinesischen Tempel von Papeete an. Nach anderthalb Wochen meldet sich die Crew der Werft vom Reisekatamaran und lässt mich erwartungsvoll den Hafen Motu Uta aufsuchen. Vikki begleitet mich neugierig.
Der Kapitän führt mich anschließend durch das Boot und zeigt mir jedes Detail. Nach meiner Abnahme lasse ich ein Cab vorfahren, das sie zum Flughafen bringt. Wir checken im Hotel aus und planen die Materialübernahme. Anschließend gehen wir zum Wochenmarkt ins Stadtzentrum. Der Markt ist von montags bis freitags von sieben bis siebzehn Uhr geöffnet. Er bietet exotische Lebensmittel. In der oberen Etage liegen die Handwerksläden. Doch Souvenirs werden wir keine brauchen. Stattdessen kaufen wir Stoffe und Muschelketten ein, sowie Seile und anderes für die Schifffahrt.
Mateo hat mir bei unserem letzten Kontakt gesagt, dass er in einigen Tagen ebenfalls eintrifft. So leben wir die paar Tage an Bord meines Vaka. Als Mateo schließlich neben uns festmacht, will auch er mein Vaka -Reisekanu- besichtigen. Er ist nicht so ganz von der Seetüchtigkeit überzeugt, was ich an seiner höflichen Zurückhaltung festmache.
Er hat allerdings die doppelte Bemannung mitgebracht. Also verteilen sich die Männer nun auf beide Vakas. Auch meine Einkäufe werden auf beide Katamarane aufgeteilt. Dann kann es losgehen. Die Männer auf meinem Boot erweisen sich als erfahrene Seeleute. Nach zwei Wochen erkennen wir einen grünen Streifen am Horizont, der immer größer wird.
Wir fahren in die Brandungszone und rammen an jeder Seite des Katamarans drei dünne Stämme in den Meeresboden, an denen wir das Boot befestigen. Anschließend richte ich meine Aufmerksamkeit auf Vikki.
„Ich habe dir ja davon erzählt, Vikki. Nun ist es soweit! Hier ist das Wasser gerade hüfttief. Du musst an Land waten und alleine das Dorf der Insulaner zu erreichen versuchen.“
„Keine Ausnahme?“ fragt sie stirnrunzelnd.
Ich schüttele den Kopf und sage:
„Das hat mythologische Gründe für die Inselbewohner. Ich würde ein Tabu brechen, wenn ich für dich eine Ausnahme machen würde…“
Sie seufzt auf und springt an der Seite des Bootes ins Wasser. Dann watet sie auf den Strand zu.
Ich rufe ich noch nach:
„Schau, in welche Richtung die Boote der Küstenlinie folgen! Nimm du die gleiche Richtung.“

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