Sonntag, 31. Januar 2021
IWIPAPA - Stamm der Mutter Erde - 64
Spricht es und wendet sich zu den Geschirren um. Mir ist etwas mulmig zumute beim Ausziehen. Also lasse ich Slip und BH, neben dem T-Shirt, auch noch an. Danach gehe ich auf alle Viere und lasse mir von Faipa das Geschirr anziehen.
Anschließend gehen wir zu Fünft hinaus auf den Innenhof der INSULA und dort zu Faipas Werkstatt. Hier riecht es streng. Auf meine Frage, warum das hier so riecht, will Herr Emmerich antworten, aber er überlässt es doch dem Handwerker.
„Das kommt von den Flüssigkeiten, mit denen das Leder geschmeidig bleibt.“
„Aber kommen denn dann überhaupt Kunden?“ frage ich zurück. „Die Leute möchten das Endprodukt kaufen, aber nicht den Geruch in der Nase haben!“
Herr Emmerich setzt sich lächelnd auf ein Stapel Felle.
„Du hast recht!“ sagt er. „Für europäische Nasen ist das hier nichts. In der Heimat auf der Südseeinsel gab es nicht die Möglichkeit, Werkstatt und Geschäft zu trennen. Ja, sie wohnten sogar darin. Und da das alle so machten, fiel das niemandem auf.
Hier in Europa müssen wir es anders organisieren, wollen wir auch Europäer als Kunden gewinnen!“
Er wendet sich an Faipa:
„Wir hatten ja schon einige Weiße als Urlauber hier. Hat irgendjemand ein Schaffell für seine Wahine bei dir gekauft?“
Faipa legt seine Stirn in Falten.
„Bisher sind nur IWIPAPA zu mir gekommen!“ sagt er.
„Gut,“ meint Herr Emmerich. „Ich kümmere mich darum. Du bekommst Luftabsaugvorrichtungen in deiner Werkstatt und im Geschäft hier oben. Danach ziehst du mit deinen Werkzeugen eine Etage tiefer, wo jetzt nur dein Lager ist. Der Raum hier oben wird als Ausstellungsfläche genutzt. Dann werden wir sehen, ob auch Weiße bei dir einkaufen kommen!“
Er und seine Wahine verlassen uns und nun sind wir beide das erste Mal miteinander allein. Zuerst will sich eine allgemeine Stille breit machen. Bald durchbricht Faipa aber die Stille und meint:
„Ich werde also die Werkstatt nach unten verlegen. Dann sind auch die Flüssigkeiten erst einmal fort.“
Nun geht er mehrfach die schmale Treppe schwer bepackt auf und ab. Irgendwann sagt er wie im Selbstgespräch:
„Was mache ich aber dann, wenn Käufer in das Geschäft kommen und ich bin gerade in der Werkstatt?“
Ich zwinkere ihn an und sage:
„Du hast zwei Möglichkeiten: Entweder öffnest du dein Geschäft nur an Nachmittagen und bist an den Vormittagen in der Werkstatt. Oder du lässt einen Signalgeber an der Tür anbringen. Du hörst, wenn jemand hereinkommt, unterbrichst deine Arbeit und bedienst die Käufer.“
Er kommt auf mich zu und streicht mir sanft durch das Haar.
„Darüber rede ich auch noch mit Kahuna Karl. Vielen Dank für die Idee!“
Nach einer Weile meint er:
„Es wird Zeit für das Abendessen. Wir sollten zum Fale Pa’enga -Versammlungshaus- gehen.“
Faipa verlässt sein Geschäft, dreht das Schild an der Tür auf ‚Geschlossen‘ und lässt mich nach draußen schlüpfen. Dann zeigt er mir den Weg zu einer Tür, die in ein anderes Treppenhaus führt. Dort erklimmen wir die Treppen bis zur Ebene 2. Als wir dort angekommen sind, fühle ich Sand unter Händen und Füßen. Ich bewege mich nun schon seit langem im Bear Crawl.
Ich schaue zu Faipa auf, aber der Mann scheint den neuen Untergrund als eine Selbstverständlichkeit anzusehen. Also trabe ich leichtfüßig neben ihm her. Er führt mich zu einer Wohnungstür mit vielen Schnitzereien an den Seiten, drückt sie auf und lässt mich an sich vorbei. Er betritt die Wohnung hinter mir.
Wir müssen gleich hinter der Tür um eine Zwischenwand herumgehen. Dort öffnet sich ein großer Raum. An den Wänden stehen Regale aus Bambus, in denen sich der Hausrat stapelt. Neben Haushaltstextilien liegen dort auch Gerätschaften aus Bambus, Holz und gebranntem Ton.
Mehr als ein Dutzend Männer und ebenso viele Frauen sitzen im Schneidersitz oder auf ihren Fersen auf dem Boden. Junge Männer gehen herum und verteilen Essen aus einem großen Topf. Faipa setzt sich dazu und ich setze mich ganz selbstverständlich an seine Seite.
Faipa erhält einen großen flachen Teller aus Holz, der wie ein Kranz aus großen Blättern geschnitzt ist. Ein weiterer junger Mann stellt eine gefüllte Schale aus Ton vor mich und eine Flasche zwischen uns, die aussieht wie eine ausgehöhlte Frucht. Ich schaue mich diskret um und leere danach meine Schale, indem ich meinen Kopf hineinsenke und die Lebensmittelstückchen mit den Lippen angele.
Um meinen Durst zu stillen mache ich Faipa auf mich aufmerksam, wie die anderen Frauen es bei ihren Männern auch tun. Faipa trinkt aus dem selben Gefäß und lässt es sich noch einmal füllen.
Nach dem Essen gehen tönerne Becher rund mit einer graubraunen Flüssigkeit, dass die Männer laut und lustig werden lässt. Es wird wohl Alkohol beinhalten.
Ich versuche, Faipa dazu zu bewegen, die Versammlung zu verlassen. Als es mir gelingt, frage ich ihn draußen auf dem Gang:
„Das Getränk zu Schluss, wie nennt ihr das?“
„Das ist Kawa kawa. Es wird aus einer Wurzel gewonnen und dann gären gelassen. Danach kann man es trinken. Es bringt Stimmung in die Runde, kann aber auch eine narkotische Wirkung erzielen. Daher wird es auch bei den Tattoos verwendet.“
„Ah,“ mache ich. „Faipa, wieviel Mitspracherecht habe ich in einer möglichen künftigen Beziehung?“
„Hm,“ macht er. „Das ist eine schwierige Frage. Eine Wahine folgt ihrem Tangata, sobald sie Vertrauen gefasst und Zuneigung gewonnen hat. Aber natürlich ist das kein Hohlweg, der nur in eine Richtung führt. Denn Vertrauen ist eine sehr empfindliche Pflanze. Verliert ein Tangata das Vertrauen seiner Wahine, verliert er auch deren Zuneigung. Eine empfindliche Pflanze, die aus dem Boden gezogen wird, wächst kaum wieder an… Ein Tangata muss sich seiner Wahine daher stets würdig erweisen!“
„Darf ich dich dann um etwas bitten, Faipa?“
„Aber ja! Worum handelt es sich?“
„Trink bitte niemals so viel Kawa kawa, dass du nicht mehr aufrecht gehen kannst. Sobald dein Geist die Nebel kommen fühlt, solltest du aufhören! Ich habe schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht, die zuviel davon getrunken haben! Es wäre so, als würde der Mann diese empfindliche Pflanze, von der du sprachst, mit Absicht aus der Erde reißen…“
Faipa macht große Augen, sagt aber „Okay.“