Freitag, 8. Januar 2021
IWIPAPA - Stamm der Mutter Erde - 41
Dann zieht er den hellhäutigen Mann in seiner Begleitung von mir weg und entfernt sich. Ich verlege mich aufs Bitten und Betteln, aber niemand kümmert sich um mich. Die vier Frauen folgen den Männern auf allen Vieren zurück ins Haus. Die beiden Jungen sitzen an ihrem Platz und reagieren auf nichts.
Eine Ewigkeit scheint vergangen zu sein, als die Männer wiederkommen. Zwei andere Jungs übernehmen den Platz der Jungs, die nun zurück ins Haus gehen. Sie haben zusammengeflochtene Blätter dabei.
Der dunkelhäutige Mann ist hier wohl der Wortführer. Er stellt sich vor den Käfig und sagt:
„Ab heute heißt du IKA –Fisch-. Wie du einmal geheißen hast, was du in deinem früheren Leben warst, welche Fertigkeiten du erlangt hast, ist nicht von Interesse! Verstanden? Wie heißt du?“
Kleinlaut antworte ich: „IKA.“
„Gut,“ redet er weiter. „Du wirst ab jetzt nur noch reden, wenn ich es dir erlaube! Neugierige Fragen wirst du vergessen müssen! Du wirst gehorchen, anderenfalls wirst du kein Essen erhalten. Natürlich kannst du ‚Lieb Kind‘ machen, bis man dich herauslässt, und dann im Wald verschwinden… Aber der Wald ist gefährlich. Nur Wahine, die hier aufgewachsen sind und sich jahrelang im Wald bewegt haben, kennen sich dort aus. Stellst du dich aber unter meinen Schutz und zeigst Engagement beim Lernen erhältst du die nötige Sorge und Pflege. Ich und meine Poki tane sorgen für dein Wohl und beschützen dich gegen jede Unbill des Lebens hier.“
„Ich will nach Hause!“ sage ich und versuche ihn dabei offen anzublicken.
Er schüttelt lächelnd den Kopf.
„Du bist zuhause,“ stellt er fest. „Dein früheres Leben gibt es nicht mehr!“
Ich höre, was er sagt, kann es aber nicht wirklich akzeptieren. Ich rüttele an den Stäben meines engen Käfigs.
„Schau dir RA’A und HETU’U an!“ sagt er und deutet auf zwei der Frauen, die mich hierher geführt haben. „Sie sind ganz entspannt. Tu es ihnen gleich, dann bekommst du auch etwas zu essen!“
Damit dreht er sich wieder um, lässt einen Laut zwischen Zischen und Pfeifen hören und geht davon. Als er den Laut artikuliert stehen die beiden Frauen auf, die eben noch auf der Seite gelegen und uns beobachtet haben, und laufen ihm auf allen Vieren hinterher. Ich mache große Augen und schaue zu den beiden anderen Frauen hin. Die Eine, LELE, hat mich in der Nacht zu gestern gewärmt.
Der hellhäutige Mann wendet sich nun auch ab und sagt laut: „LELE, RAKA‘U, ZU MIR!“
Nun stehen auch die letzten mir vertrauten Frauen auf und laufen auf allen Vieren zu dem Mann. Bei ihm angekommen, reiben sie ihre Wangen an seinem Oberschenkel. Er beugt sich zu ihnen herab und streicht ihnen durchs Haar. Dabei zeigt er, aber auch die beiden Frauen, einen zufriedenen, frohen Gesichtsausdruck.
„Hallo, Sie!“ rufe ich.
Ich habe Angst, alleingelassen zu werden. Zwar sitzen die beiden Jungen da. Aber ich weiß nicht, was ich von ihnen erwarten kann. Zu LELE habe ich inzwischen Zutrauen gefasst.
Der Mann wendet sich mir zu. Seine Stirn liegt in Falten. Dann aber glättet sie sich wieder und er tritt nahe an den Käfig heran, um sich bei mir auf dem Boden nieder zu lassen. Die beiden Frauen sind ihm gefolgt und lassen sich nun ebenfalls rechts und links neben ihm nieder.
„Du weißt, dass dir verboten wurde zu reden!“ sagt er.
Sein Gesicht zeigt dabei keinen strengen, sondern eher milden Ausdruck.
„Ich weiß,“ antworte ich und schaue zu Boden. „Aber ich weiß mich noch nicht anders auszudrücken. - Ich verspreche auch, nicht neugierig zu sein! – Aber wenn LELE geht, fühle ich mich einsam…“
Der Mann lacht kurz und streckt seine Hand durch die Stäbe. Er beginnt, mir über die Wange zu streicheln. Ich wende meinen Kopf und drücke meine Lippen in seine Handfläche.
„LELE und RAKA‘U werden zusammen mit mir täglich ein paar Stunden hier sein. Freunde dich aber ruhig auch mit RA’A und HETU’U an. Die beiden wohnen hier und sind daher ständig in deiner Nähe. – Noch eins: Niemand will dir hier etwas Schlimmes antun! Deine sexuelle Selbstbestimmung bleibt weitgehend erhalten. Das war einmal anders, aber heute darfst du weitgehend selbst entscheiden, mit welchem Mann du Sex hast.
In diesem Haus bringt man dir alles bei, was du für dein weiteres Leben auf dieser Insel wissen musst. Eine Rückkehr in dein früheres Leben ist nicht möglich! Sein also lernbegierig, gehorche und schaue dir von RA’A und HETU’U ab, was sie dir zeigen!“
Ich höre ihm zu und genieße sein Streicheln. Als er jetzt endet, schaue ich ihn sehnsüchtig fragend an.
„Du möchtest etwas sagen? Gut, du darfst jetzt sprechen!“ sagt der Mann nun.
„Herr, ich darf ablehnen, mit jemandem Sex zu haben?“ frage ich gedehnt und schaue ihn zweifelnd an.
„Ja,“ antwortet der Mann mit sanfter Stimme. „Hier im Haus stehst du unter dem Schutz des Hausherrn. Der Zweck deines Aufenthaltes hier ist es, zu lernen. Kann man dir nichts mehr beibringen, kommst du in den Haushalt eines anderen Mannes, wo du den Rest deines Lebens wohnen wirst. Irgendwann wirst du fremde Männer sehen, die dem Unterricht folgen. Es sind Interessenten. Aus diesen Männern such dir einen aus, aber lass dir Zeit dabei! Schau dir die Männer genau an: Wie sie sich bewegen, ihr Mienenspiel, wann sie lachen, in welcher Situation sie ärgerlich werden… Dazu darfst du sie ruhig neckisch herausfordern!“
Er streicht mir noch einmal durchs Haar, dann erhebt er sich und entfernt sich in Richtung des Weges, auf dem LELE und die anderen mich hierher geführt haben. Bald danach ist er im Wald verschwunden. Schließlich lege ich mich wieder auf die Decke und döse vor mich hin. Mein Hunger wird immer stärker.

*

Der Kahuna hat meinen Lehrplan erstellt, den dann die Jungs, die hier Poki tane heißen, ausgeführt haben. Regelmäßig lässt sich der Kahuna über meine Fortschritte unterrichten, und die der anderen Frauen, die noch hinzu gekommen sind. LELE und RAKA‘U bringen im Durchschnitt jeden Tag eine weitere Frau aus dem Wald zur Schule. Es sind auch schonmal zwei. Genauso kommt es vor, dass sie ein oder zwei Tage keine Frau aus dem Wald bringen. Diese Frauen sind viel sensibler als ich, habe ich das Gefühl. Sie können sich jedenfalls viel besser als ich verständigen ohne zu sprechen. Im Wald muss man sich wohl still verhalten.