Freitag, 29. Januar 2021
IWIPAPA - Stamm der Mutter Erde - 62
Sie erkennt, dass es sich um ein Restaurant handelt. Hinter den Fensterscheiben sind Fotos von Gerichten zu sehen und daneben jeweils einige unleserliche Schriftzeichen. Unter den Fotos gibt es allerdings eine deutsche Übersetzung. Das jeweilige Gericht wird benannt. Dazu gibt es noch eine Liste der Zutaten.
„Hmm,“ macht Frau Mailänder, nachdem sie einige Gerichte angeschaut und die Zutaten gelesen hat. Im Geschäft wuseln zwei junge Männer hinter einem Tresen. Auch sie sind dunkelhäutig und haben Kraushaar. Ihr Oberkörper ist ebenfalls nackt.
Sie wendet sich zum Nachbargeschäft und sieht dort einen dunkelhäutigen Mann mit nacktem Oberkörper und langem Rock auf einem Hocker sitzen und an einer Schnitzerei arbeiten. Vor ihm sitzen zwei junge Männer, werkeln ebenfalls und schauen immer wieder auf, um den älteren Mann bei der Arbeit zu beobachten.
Beim nächsten Geschäft ist das Schaufenster innen von breiten Papierbahnen verdeckt. Frau Mailänder und Wuffel wollen schon weitergehen, da kommt aus Richtung des Parks inmitten der INSULA eine braune Doggie auf sie zu getrabt, lässt vor Wuffel einen ledernen Knochen fallen und beugt ihre Ellbogen.
„Weg! Weg, mit dir!“ ruft Frau Mailänder erregt.
In diesem Moment hat sie ein sonnengebräunter Mann mit blonden Haaren erreicht. Er trägt ganz leger eine Jeans und ein kurzärmeliges Hemd. An den Füßen trägt er Zehensandalen. Er lächelt Frauchen und Wuffel an und sagt:
„Hallo! Sie sind die Mailänders. Habe ich Recht? Mein Name ist Karl Emmerich. Ich bin für die Öffentlichkeitsarbeit in diesem Resort zuständig.“
Er streckt Frau Mailänder seine Hand hin und sie begrüßen sich mit Handschlag. Dabei weist sie auf die Doggie im Ledergeschirr zu ihren Füßen. Sie fragt:
„Dann können Sie mir sicher erklären, wer das ist. Sie ist nun schon die zweite Frau auf allen Vieren, die uns begegnet… Und auch die Kanaken in den Geschäften…“
Herr Emmerich zwinkert.
„Kanaken nennen sich ein Volk auf Neuguinea. Diese Leute kommen aus etwa der gleichen Weltgegend, aus der Südsee. Daher sehen sie äußerlich genauso aus. Sie selbst nennen sich IWIPAPA und sind Menschen, wie wir!... Besser gesagt, es sind besondere Menschen! Für sie ist Petplay das normalste der Welt!... Die Doggie, die ihren Doggie begrüßt und zum gemeinsamen Spielen aufgefordert hat, heißt RAKA’U. Sie und ihre Mutter LELE sind meine Doggies.“
Er macht eine kurze Pause und fragt Frau Mailänder:
„Haben Sie schon zu Abend gegessen?“
Sie schüttelt den Kopf. Darauf bietet er ihr an:
„Kommen Sie, dann gehen wir kurz hier hinein. Es schmeckt wirklich vorzüglich!“
Danach spricht er die Doggie in einer fremden Sprache an, die den Knochen liegen lässt und wegläuft. Herr Emmerich hebt den Knochen auf und steckt ihn ein. Danach öffnet er die Tür des Restaurants und hält sie für Frau Mailänder und Wuffel auf.
Drinnen bietet er seinen Gästen Platz an Vierer-Tischen an und zieht einen Stuhl für Frau Mailänder unter dem Tisch hervor, damit sie sich bequem setzen kann. Dann entspannt sich ein kurzer Dialog in der fremden Sprache mit den Männern hinter dem Tresen.
Kurz darauf bringt einer der Männer zwei Smoothies aus exotischen Früchten und drei Flaschen mit Saft an den Tisch. Frau Mailänder erkennt, dass auch diese Männer Röcke tragen. Als er sich umdreht sieht sie zwei Bahnen von flachen Höckern über den Rücken hinunterlaufen. Sie macht große Augen und fragt Herrn Emmerich sofort danach.
„Das ist das Zeichen ihrer Volkszugehörigkeit. Zu den ‚Krokodilmenschen‘ zählen sich viele Melanesier auf den unterschiedlichsten Inseln. Etymologisch wird es da Zusammenhänge geben – Jahrhunderte zurück. Man darf sich die Südseeinsulaner nicht als isolierte Menschengruppen betrachten! Mit ihren Auslegerkanus und einer naturbeobachtenden Navigation ist es ihnen ein Leichtes, von Insel zu Insel zu ‚springen‘.“
„Oh…“ macht Frau Mailänder.
„Sie sollten sich ihnen gegenüber tolerant zeigen und mit ihnen umgehen, wie mit mir. Schauen Sie, ihre bevorzugte Garmethode ist das Dünsten der Speisen. Das bringt auch für unsere Gaumen wohlschmeckende Mahlzeiten hervor. Das Dünsten kennt die europäische Küche auch…“ meint Herr Emmerich.
„Ja, stimmt schon. Aber wir nutzen heutzutage doch eher die Pfanne, den Grill, oder wer es leichter mag, die Heißluftfritteuse.“
„Und…?“ fragt er sie nachdem sie fast fertig gegessen haben. „Wie hat es geschmeckt?“
„Eigentlich sehr gut,“ antwortet sie ihm. „Ich hätte es vielleicht gerne etwas anders gewürzt.“
Herr Emmerich nickt.
„Das ist der europäische Gaumen, gegenüber dem melanesischen. Fragen Sie beim nächsten Besuch nach Gewürzen! – Oder ich sage dem Wirt, dass er von sich aus ein Gewürzkarussell auf den Tisch stellt. Seien Sie sich nicht zu schade, die Gewürze dann auch zu nutzen! Das nicht zu machen, wäre falsch verstandene Höflichkeit!“
Frau Mailänder nickt dazu.
In diesem Moment stehen die Doggie von vorhin in Begleitung einer älteren Doggie vor der Tür des Restaurants. Herr Emmerich erhebt sich und lässt beide Doggies herein. Einer der Männer hinter dem Tresen beginnt nun damit, zwei Schalen mit Lebensmitteln zu füllen. Herr Emmerich nimmt sie an und stellt sie rechts und links neben seinen Stuhl auf den Boden
Beide Doggies beginnen nun die Schalen zu leeren. Zwischendurch trinken sie aus den Flaschen, die schon eine Weile neben Herrn Emmerichs Teller stehen. Frau Mailänder ist vorhin im Begriff gewesen, zu gehen. Nun sitzt sie wieder und druckst etwas herum.
Nach einiger Zeit fast sie sich ein Herz und fragt:
„Warum haben Ihre Doggies eigentlich nichts an?“
Herr Emmerich lächelt milde. Er antwortet:
„Die Melanesier leben in einem Klima, dass unserem Mittelmeerklima entspricht, oder noch weiter südlich. Pflanzen und Tiere auf den Inseln kann man als tropisch bezeichnen. Dementsprechend sind sie dann auch gekleidet. Für die Doggies ist das ihr normales Auftreten.
Hier in der INSULA sind sie vor den Blicken von Vanillas oder Normalos geschützt. Hier sind sie unter Petplayern. Natürlich gibt es nicht DAS PETPLAY, sondern jedem seins, je nach Absprache zwischen den Partnern. Das sehen sie schon am Unterschied zu ihrem Doggie in vollem Dog-Gear. Ich sprach vorhin schon von Toleranz. Wenn wir, ob der vielen Facetten des Petplay, schon keine Toleranz üben können, wer dann?“