Freitag, 12. Februar 2021
Mars01-Die Besiedelung (7)
Ich frühstücke nun erst einmal. Danach treibt mich die Neugierde ins Wohnzimmer. Frau Pinkett sitzt auf der Wohnlandschaft und hat die Beine hochgelegt. Meine Trinkflasche steht vor ihr auf dem Couchtisch. Bei meiner Annäherung beugt sie sich vor und nimmt die Flasche, um sie mir hinzuhalten. Dabei sagt sie:
„Ah, da ist ja das Hundchen! Hast du Durst?“
Ich trinke aus der Flasche. Nachdem sie sie wieder auf den Couchtisch gestellt hat, klopft sie mit der flachen Hand neben sich auf die Sitzfläche und sagt „HOPP! DRACO, HOPP!“
Sofort klettere ich neben sie und schaue sie an.
„Na, leg dich ruhig hin, Draco!“ sagt sie jetzt. „PLATZ, DRACO!“
Im Verlaufe des Videos bin ich ihr immer nähergekommen und habe zum Schluss meinen Kopf auf ihren Oberschenkel gelegt, ohne dass es von ihr sanktioniert worden ist. Sie mag es anscheinend.
Beiläufig meint sie:
„Herrchen ist oft weg. Auch jetzt wird er erst in einer Woche wiederkommen…“

*

Die Schulabschlussfeier ist nun leider aus dem Ruder gelaufen. Betrunken haben wir uns zu dritt vom Hengst des Bauern nehmen lassen, in dessen Scheune wir feiern durften. Das ist natürlich aufgefallen und nun sind wir dazu verurteilt worden, in Zukunft als Pet zu leben.
Ob ich meine Freundinnen jemals wiedersehen werde ist eher unwahrscheinlich. Ich bin in der Außenstelle des Ministeriums für Pets in unserer Stadt einem Körperscan unterzogen worden. Anschließend bin ich gründlich medizinisch untersucht worden und nun stehe ich hier und erhalte meine Erstausstattung als Pet.
„Du hast Schuhgröße 42, richtig?“ vergewissert sich die Angestellte, obwohl sie nur in meine Unterlagen schauen müsste. Ich bestätige ihre Annahme. Sie holt ein Paar Hufschuhe aus dem Regal. Sie haben unten schwere schwarze Hufe, die in der Mitte geteilt sind. Darüber kommt der eigentliche Schuh, in dem man quasi auf den Zehen läuft. Es folgt ein Stiefelschaft, der bis über die Knie reicht.
Die Frau hilft mir in diese Hufschuhe hinein zu kommen und sagt dann:
„Wir wollen einmal schauen, wie du damit zurechtkommst, Alicia.“
Ich erhebe mich mühsam von dem Stuhl. Wenigstens hat man mir meinen Vornamen gelassen. Aber der wird in Zukunft wenig relevant sein. Meine Lebensnummer als Strichcode auf den Ohrmarken wird mich ausweisen. Als ich stehe, bin ich ein ganzes Stück größer als sonst, so dass ich unwillkürlich an Schuhe mit hohen Absätzen erinnert werde. Doch diese Schuhe sind anders. Mein Fußballen ruht auf der breiten Nachbildung eines zweigeteilten Rinderhufes und meine Ferse schwebt frei in der Luft. Dort, wo sich normalerweise der Absatz befindet, ist der Stiefel einfach zu Ende.
Ich gehe ein paarmal auf und ab. Die Frau stützt mich bis ich mich etwas an die absatzlosen Schuhe gewöhnt habe und nicht mehr nach jedem Schritt taumele.
Anschließend legt sie mir eine Armmanschette an, die meine Arme gestreckt auf dem Rücken fixiert und rasiert mir die Kopfhaare.
„Perfekt!“ meint die Mitarbeiterin lächelnd. „Damit ist unsere kleine Verwandlung abgeschlossen!“
Mich hält eine leicht verwirrende Mischung aus Gefühlen gefangen, allen voran Nervosität, Erregung und Scham. Die Mitarbeiterin des Ministeriums sagt nun:
„Na, dann! Also Alicia, es wird Zeit, dass wir dich zu deinen Artgenossen bringen. Ab in den Stall mit dir!“
Bei diesen Worten greift sie nach meiner Armmanschette und bugsiert mich aus dem Raum hinaus. Ich fühle mich hilflos. Sie führt mich einen kurzen Gang entlang und öffnet eine Tür. Hinter der Tür tut sich ein langer Gang auf, der rechts von einer halbhohen Mauer begrenzt wird. Dort gibt es eine weitere Tür, die sie für mich öffnet. Ich erkenne eine kurze Treppe auf ein ein Meter tieferes Niveau.
„Na, dann mal hinein in die gute Stube!“ fordert sie mich lächelnd auf.
Unsicher verharre ich einen Moment. Mein Herz schlägt kräftig. Noch ein paar Schritte, dann werde ich mich zwischen anderen Kühen befinden.
„Worauf wartest du?“ fragt sie nun. „Man bleibt nicht in der offenen Tür stehen.“
Ich mache ein paar zaghafte Schritte und balanciere dann die Treppe hinunter. Unten wende ich mich kurz um, aber die Frau ist nicht mehr zu sehen und die Tür ist verschlossen.
Neugierig drehe ich mich wieder um. Vor mir liegt der Stall. Es gibt zwei Doppelreihen mit Liegeplätzen. Ich schätze, dass ungefähr ein Drittel von ihnen belegt ist. Die Kühe, die im Stroh liegen, dösen scheinbar vor sich hin und schenken ihrer Umgebung nur wenig Aufmerksamkeit.
Rechts von mir erkenne ich einen vergitterten Boden. Eine der Kühe entleert dort gerade ihre Blase. Links von mir befindet sich ein größerer freier Bereich. Langsam, um mit den ungewohnten Hufschuhen nicht zu stürzen, bewege ich mich an den Liegeplätzen entlang auf diesen Bereich zu. Dort befinden sich etwa ein halbes Dutzend Kühe und schweigen sich an. Als ich mich nähere, bemerke ich, dass die Kühe auf irgendwas herum kauen.
Ich nähere mich meinen neuen Artgenossinnen und betrachte sie etwas genauer. Ich lächele der einen oder anderen Kuh zu, die den Neuankömmling mit skeptischen Blicken mustern. Ich versuche nun den Ursprung der schmatzenden Kaugeräusche zu finden, die mich umgeben. Fast alle der Kühe, die sich hier aufhalten, kauen auf irgendwas herum. Auf den ersten Blick kann ich jedoch nicht erkennen, worum es sich dabei handelt.
Ich beobachte die Gruppe weiter und bemerke schließlich, wie eine der Kühe zu einer großen Tränke geht, die sich an der Stirnwand befindet. Die Kuh beugt den Kopf etwas herunter, trinkt ein paar Schlucke und richtet sich danach wieder auf. Einen halben Schritt zur Seite machend, lehnt sie sich an eine kleine Vorrichtung, die auf Kopfhöhe an der Wand befestigt ist. Als sie sich wieder umdreht, kaut sie wieder.
Verblüfft löse ich mich aus der Gruppe und betrachte die Tränke aus der Nähe. Als ich mich ebenfalls leicht vorbeuge, bemerke ich, dass ich meine Hände nicht zu Hilfe nehmen kann, um etwas zu trinken. Mir bleibt also nichts weiter übrig, als das Gesicht leicht in die Tränke zu tauchen, um das ziemlich kühle Wasser zu erreichen. Das kalte Wasser in meinem Gesicht hat eine ziemlich belebende Wirkung.