Sonntag, 14. Februar 2021
Mars02-Der Besucher (1)
Mein Name ist Tim Armstrong. Ich bin Pilot eines Shuttles, das eine Ablösemannschaft zu einem der Astroiden bringen soll, deren Mineralien wir abbauen. Ich habe den Autopiloten eingeschaltet und bin irgendwie eingenickt.
Plötzlich höre ich den Kollisionsalarm schrillen. Mit Mühe werde ich wach und lasse den Autopiloten einen Ausweichkurs berechnen. Da bin ich auch schon mitten in einem Meteoritenschwarm. Ich informiere die Passagiere, dass sie ihre Raumanzüge schließen müssen. Anschließend schalte den Autopiloten ab und versuche, durch einige gewagte Flugmanöver den größten Brocken auszuweichen und aus dem Schwarm heraus zu kommen.
Da schlägt ein dicker Brocken in die Passagierkabine ein. Reflexartig drücke ich den roten Knopf. Sofort lösen Sprengsätze die Kommandokapsel vom havarierten Raumschiff. Der Bewegungsimpuls bringt mich an den Rand des Schwarms. Ziellos herumtrudelnd lasse ich den Autopiloten nach der nächsten menschlichen Ansiedlung suchen. Gleichzeitig stabilisiere ich die Fluglage.
Nach kurzer Zeit erscheint auf dem Monitor vor mir der Mars und eine geschwungene Linie vom aktuellen Standort dorthin. Ich werde den gesamten Treibstoff der Rettungskapsel, die einmal die Kommandokapsel eines irdischen Raumschiffes war, für die Trip verbrauchen!
Nun ist aus historischen Gründen, die Atmosphäre zwischen der Erde und dem Mars nicht die Angenehmste. Einem Raumfahrer in Not müssen sie aber helfen. Also gebe ich das Okay und werde erst einmal in den Sitz gepresst. Nach einiger Zeit schalten sich die Triebwerke ab und ich bin zum Warten in der Schwerelosigkeit verdammt.
Nach einer Woche gerate ich in das Schwerefeld des Mars und gehe mit den Steuerdüsen auf eine weite Umlaufbahn, darauf achtend, dass ich Phobos und Deimos nicht zu nahe komme. Während ich überlege, wie ich die Landung schaffe ohne in der Atmosphäre gegrillt zu werden, entdecke ich einen Orbiter. Es ist eine alte Raumstation mit einem Lander, die wir vor über hundert Jahren benutzt haben. Damals hat die Mars Resource Corporation den Mars quasi als ihr Firmeneigentum angesehen und ausgebeutet, bis die Arbeiter sich dagegen aufgelehnt haben. Diese Leute betrachten sich inzwischen als Marsianer.
Wie dem auch sei. Ich muss den Orbiter erreichen. Dann kann ich mit dem Lander zum Mars hinunter. Vorsichtig manövriere ich meine Rettungskapsel näher heran. Da die Technik während der letzten hundert Jahre weiter fortgeschritten ist, passt nun natürlich kein Andock-Mechanismus mehr.
Deshalb feuere ich aus mehreren Dutzend Metern Entfernung eine Leine aus Karbon ab, deren Spitze mit Widerhaken versehen ist und sich irgendwo verhaken muss. Nach dem zweiten Versuch gelingt es mir und ich ziehe die Rettungskapsel näher an die Raumstation heran. Nun muss ich aussteigen und mit den Anzugdüsen zur Station hinüberwechseln. Ich vertäue aber die Rettungskapsel noch mit der Station, bevor ich eine Luftschleuse öffne und in die Station gelange.
In der Schleuse schließe ich die Außentür. Dann lässt sich die innere Schleusentür leicht öffnen und ich kann die Station betreten. Zielstrebig gehe ich in die Richtung, in der ich den Marslander von der Rettungskapsel aus gesehen habe. Ich öffne die Schleusentür und betrete den Lander. Als ich mich in den Kontursessel setze, trifft mich die Ernüchterung.
Natürlich hat der Lander noch keinen Autopiloten. Was muss ich tun, damit der Computer erwacht? Welche Befehle in welcher Reihenfolge erwartet die Elektronik von mir? Was ich hier vor mir sehe, gibt mir das Gefühl, in die raumfahrerische Steinzeit versetzt worden zu sein.
Ich suche nach dem Funkgerät und drücke die Mayday-Taste.
Es dauert eine gute Stunde bis sich etwas tut. Eine Stimme aus dem Funkgerät fordert mich zur Identifikation auf. Ich erkläre wer und wo ich bin, und dass ich Hilfe bei der Landung benötige. Irgendjemand muss mich „heruntersprechen“.
Es dauert noch einmal ungefähr eine halbe Stunde. Ein anderer Mann in der Gegenstation auf dem Mars sagt mir, was ich tun muss. Dabei geht er eine Checkliste ab und ich muss jeden Schritt bestätigen. Etwa zwei Stunden später landet das vorsintflutliche Gerät sicher auf der Marsoberfläche. Nun soll ich warten.
Nach ungefähr weiteren dreißig Stunden, meine Vorräte sind fast verbraucht, taucht draußen ein Rover auf, so ein Fahrzeug mit hermetisch geschlossener Kabine. Ich verlasse erfreut den Lander und gehe auf das Fahrzeug zu, das inzwischen gestoppt hat.
In einen Raumanzug, der außen an der Karosserie hängt, kommt Leben. Schließlich trennt sich der Anzug vom Fahrzeug und kommt auf mich zu. Einige Minuten darauf umrundet ein weiterer Mann im Raumanzug den Rover und bleibt in der Nähe des Fahrzeuges stehen. Er hat irgendetwas in der Hand, das er auf mich richtet.
Ich nähere mich den Beiden, zeige meine leeren Hände und lege meine rechte Hand auf die linke Brustseite. Der Mann lässt das Teil sinken, das er auf mich gerichtet hat und öffnet eine Fahrzeugtür, nachdem er mehrere Knöpfe daneben gedrückt hat. Er macht die Willkommensgeste und ich klettere in den Rover. Hinter mir wird die Tür wieder verschlossen und kurz darauf höre ich einströmendes Gas.
Beidseitig an der Rückwand des Fahrzeuges öffnen sich Klappen. Zwei großgewachsene dunkelhäutige Männer kriechen in das Innere des Rovers. Ich erinnere mich. Das ist die Technik, mit der man die Mars-Rover seitens der Mars Resource Corporation vor 200 Jahren ausgestattet hat. Durch die Selbstisolation der Menschen hier hat man also auch den technischen Fortschritt vernachlässigt. Die Raumanzüge der Beiden sind nun luftdicht mit der Karosserie verbunden.
Da die beiden Männer hier im Fahrzeug keine Atemmasken tragen, will ich nun auch wenigstens den Helm meines Raumanzuges öffnen. Das wird mir verwehrt. Stattdessen soll ich mich in einen freien Sitz setzen und abwarten.
Die Männer wenden den Rover und fahren auf ihrer Spur zurück. Nach etwa drei Stunden Fahrt erreichen wir eine Öffnung in einer Steilwand. Der Rover fährt in die Höhle und bald in eine seitliche Öffnung hinein. Dort stoppen die Männer das Fahrzeug und öffnen die Seitentür, durch die ich den Rover betreten habe. Anscheinend herrschen draußen jetzt der gleiche Atmosphärendruck und das Gasgemisch wie im Fahrzeug.
Die Männer steigen aus und bedeuten mir, ihnen im geschlossenen Raumanzug zu folgen. Einer der Männer legt seine Hand an die Wand vor sich. Kurz darauf öffnet sie sich und wir gehen hindurch. Ich fühle mich hier in eine irdische U-Bahn versetzt – jedenfalls kommt es mir so vor.
Ein kleiner fensterloser Triebwagen steht am Rand eines Bahnsteiges. Wir besteigen das Fahrzeug und die Männer drücken verschiedene Knöpfe. Der Triebwagen beschleunigt sanft, um nach weiteren zwei Stunden allmählich abzubremsen. Nachdem das Fahrzeug steht, öffnet sich die Seitentür und wir befinden uns auf einem ebensolchen Bahnsteig.