Dienstag, 16. Februar 2021
Mars02-Der Besucher (3)
Er begrüßt die Runde mit „Sol!“, während wir Platz nehmen.
Vor mir sitzen etwa ein Dutzend Männer rund um im Karee aufgestellte Tische. Mister Berlin führt mich zu zwei leeren Stühlen und setzt sich neben mich. Danach stellt er mir die anwesenden Männer vor. Es sind ausnahmslos Leiter verschiedener Fachrichtungen der wissenschaftlichen Abteilung im Präsidialamt.
Nun ist es an mir, mich der Runde vorzustellen und meine Geschichte zu erzählen, warum ich nun vor ihnen sitze. Dann werde ich gefragt:
„Wie stellen Sie sich nun ihre weitere Zukunft vor?“
Ich habe es mir in den vergangenen Wochen überlegt. Da ich persönlich ungebunden bin, will ich mich hier auf dem Mars niederlassen. Mein Willkommensgeschenk kann die Rettungskapsel sein, wenn man es schafft, sie unbeschadet zur Marsoberfläche zu bringen. Die darin enthaltene Technik kann der marsianischen Technik einen guten Schubs nach vorne bescheren. Genau das biete ich der Runde nun an.
„Das ist ein interessantes Angebot. Aber der Präsident hat hier das letzte Wort, da es auch etwas die Politik tangiert!“ sagt einer der Herren.
Die anderen Männer grummeln zustimmend. Das wirft aber ein ganz profanes Problem auf: Wo soll ich in der Zeit wohnen, während über mich entschieden wird? Schließlich erklärt sich Mister Berlin dazu bereit, mich bei sich aufzunehmen.
Man erklärt mir, dass die normale Arbeitszeit auf dem Mars sechs Stunden beträgt und man im Zwei- bis Vierschicht-Betrieb arbeitet, je nachdem wie hoch der Arbeitsanfall ist. Ich soll also in der nächsten Zeit die ingenieurtechnische Abteilung als meinen Arbeitsplatz ansehen und den Leuten dort helfen, eine Routine zu erarbeiten, um die Rettungskapsel unbeschadet zur Marsoberfläche zu bringen und auszuschlachten. Dafür würde ich 2000 Stein monatlich bekommen.
Meinen etwas dümmlichen Gesichtsausdruck lässt Mister Berlin kurz auflachen. Er erklärt mir:
„Da wir hier, wohin wir auch sehen, von Steinen umgeben sind – wenn man von der ursprünglichen marsianischen Natur ausgeht -, haben unsere Vorfahren sinnigerweise die allgemeine Währung STEIN genannt. Sie werden sich schnell daran gewöhnen!“
Anschließend führt Mister Berlin, der Leiter der ingenieurtechnischen Abteilung, mich in seinen Bereich. Er ruft einige Raumfahrt-Ingenieure herbei und nun überlegen wir zu sechst wie wir an die Rettungskapsel herankommen. Wieder begrüßt er die Leute mit dem Wort „Sol!“
Nach Schichtwechsel begleite ich Mister Berlin nachhause. Unterwegs frage ich ihn, was es nun mit dem Wort „Sol!“ auf sich hat. Mister Berlin nickt lächelnd und erklärt:
„Ein Marstag ist etwa eine halbe Stunde länger als der Tag auf der Erde. Der Mars dreht sich ein wenig langsamer um seine Achse als die Erde. Darum haben die ersten Raumfahrer, die auf dem Mars landeten, den Marstag zur Unterscheidung ‚Sol‘ genannt. Wir haben das übernommen, und so ist aus einem ‚Guten Tag‘ oder ‚Hallo‘ im Laufe der Zeit einfach ‚Sol‘ geworden.“
Wir verlassen das Gebäude an Mistress Albright vorbei durch den Eingang aus buntem Glas. Als ich vor das Gebäude trete, sehe ich mich unter einem Überhang, wie eine Balustrade, die von Säulen zur Straße hin begrenzt wird. Ich sehe, dass unter der Decke der Lavaröhre, in der Olympia liegt, Tageslichtlampen angebracht sind. Es ist zurzeit taghell. Unter der Balustrade stehen unzählige Rikschas bereit und auf der Straße fahren verschieden große Rikschas und Kutschen vorbei. Alle werden sie von Männern gezogen, die wie Ponys aufgezäumt und angeschirrt sind.
Wieder schaue ich Mister Berlin etwas einfältig an. Er nickt und fordert mich auf, die vorderste Rikscha erst einmal zu besteigen. Mister Berlin nennt dem Rikschafahrer das Ziel, woraufhin dieser mit der Zunge schnalzt und die lockeren Zügel ruckartig auf und ab bewegt. Der Mann im Geschirr zieht an und die Rikscha setzt sich in Bewegung. Gleichzeitig zieht die Rikscha hinter uns etwas vor.
Nun beginnt Mister Berlin zu berichten: „Als die ersten Siedler auf den Mars kamen, gab es hier keine Tiere, die man domestizieren kann. Auch konnte man keine Tiere zum Mars bringen. Sieben Monate Schwerelosigkeit überstand keines der Tiere.
Die Technik war aber auch schon so weit, dass die Menschen andere Zerstreuung fanden. Als Ausgleich zu ihrer Arbeit für die Mars Resource Corporation hat man begonnen Sport zu treiben. Irgendwann tauchten vereinzelt Furrys und Cosplayer - so nennt man sie, glaube ich – bei den Veranstaltungen auf. Sehnsüchte nach echten Lebewesen wurden geweckt. Es war dann nur eine Frage der Zeit, bis ein menschliches Pet an der Leine eines anderen Menschen auftauchte.
Nun wurde im Parlament eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich mit der Problematik beschäftigen sollte. Aus der Arbeitsgruppe wurde ein Ministerium. Das Verhältnis der Pets zu den Menschen wurde gesetzlich geregelt.
Infolge meldeten sich immer mehr Menschen, die als Pet leben wollten. Der Stand der ‚Pets‘ wurde gesellschaftsfähig. Sie genießen eine besondere Fürsorge der Menschen, wie die Haustiere auf der Erde, und das wird auch staatlich überwacht und mit Sanktionen geahndet, wenn Missbrauch festgestellt wurde.“
„Ah, und der Mann vorne ist so ein Pet?“