Sonntag, 7. Februar 2021
Mars01-Die Besiedelung (2)
Mein Vater ist Verwaltungsmitarbeiter im Berufsverband der Bäcker hier in Arsia. Dazu hat er in jungen Jahren das Bäckerhandwerk erlernt und sich in seiner Gesellenzeit der Burschenschaft des Bäckerhandwerks angeschlossen. Irgendwie ist er dann später in den Berufsverband gewechselt. Ich, Florian, würde ebenfalls gerne diesen Weg einschlagen. Darum bin ich bei dem für die Ausbildung zuständigen Mitarbeiter des Verbandes gewesen und habe dort meine Bewerbung abgegeben.
Nun sind darüber drei Monate vergangen. Bisher ist noch keine Empfehlung des Verbandes für eine der Bäckereien im Ort erfolgt. Inzwischen warte ich sehnsüchtig auf eine schriftliche Reaktion. Meine Abschlussnoten sind sicher nicht besonders gewesen. Die Wartezeit nach Ende meiner Schulzeit verkürze ich mir als Erntehelfer auf den Feldern vor der Stadt und verdiene mir damit etwas zu meinem Taschengeld hinzu. Dazwischen gehe ich Joggen, wie auch schon während der letzten Schuljahre.
Eines Abends komme ich nachhause, gehe duschen und setze mich an den Esstisch, an dem meine Eltern schon sitzen und auf mich warten. Beim Essen läuft der übliche Smalltalk. Mein Vater fragt mich nach der Situation draußen auf den Feldern. Zum Abschluss des Abendessens schiebt er mir mit ausdrucksloser Miene einen geschlossenen Umschlag über den Tisch.
Ich schaue ihn an. Mein Blick wandert zu meiner Mutter, die ein sorgenvolles Gesicht macht. Dann schaue ich auf den Umschlag und lese im Absender die hiesige Außenstelle des Ministeriums für Pets. Mein Herz rutscht in die Hose.
„Geh auf dein Zimmer und lies ihn dir durch!“ sagt mein Vater.
Ich erhebe mich vom Tisch und nehme den Umschlag auf. In meinem Zimmer reiße ich ihn auf und nehme das Schreiben heraus. Es ist eine Aufforderung des Ministeriums für Pets, sich für die Umwandlung zu melden. Als Begründung wird aufgeführt, dass der Berufsverband der Bäcker anhand meines Abschlusses keine Zukunft für mich bei ihnen sieht. Mein Termin liegt erst in vier Wochen. Bis dahin hätte ich für einen begründeten Widerspruch Zeit.
In den folgenden Wochen besuche ich die unterschiedlichsten Handwerker und Künstler, um mich persönlich vorzustellen und um eine Ausbildung anzufragen. Schließlich muss ich mich doch in der hiesigen Außenstelle des Ministeriums für Pets melden.
Ich fahre mit allen Ausweispapieren und Impfbescheinigungen mit meinem Fahrrad aus Bambus zu dem Block an dessen Eingang das Schild „Ministerium für Pets“ angebracht ist. Den Weg kenne ich, denn ich bin früher schon oft hier vorbeigekommen.
Ich stelle mein Rad ab und öffne einen der beiden Flügel der Eingangstür. Nun stehe ich in einem Foyer. Die Dame hinter dem seitlichen Schalter schaut auf. Mich ihr nähernd, sage ich:
„Hallo, mein Name ist Florian Myers. Ich habe heute einen Termin.“
Mit diesen Worten lege ich ihr den Brief, den ich vor vier Wochen bekommen habe, auf den Tresen. Die Frau, in einem blauen Kostüm gekleidet, tippt etwas in den Laptop vor sich und hebt dann lächelnd den Blick. Sie antwortet mir:
„Sol, Herr Myers. Sie werden im zweiten Obergeschoß in Zimmer 211 erwartet. Setzen Sie sich bitte auf den Flur bis Sie hereingerufen werden.“
Ich erwidere ihr Lächeln mit einem kurzen Kopfnicken und wende mich danach zum Treppenhaus. Den Brief habe ich wieder an mich genommen und begebe mich ins zweite Obergeschoß. Dort orientiere ich mich an den Hinweistafeln über den Eingängen der abgehenden Flure und habe das betreffende Zimmer schnell gefunden. Auf dem Flur stehen mehrere Sitzbänke. Wie mir geraten wurde, setze ich mich und behalte die Tür von Zimmer 211 im Blick.
Jetzt, wo ich zur Ruhe gezwungen bin, spüre ich die ganze Nervosität, die mich befallen hat. Ich versuche mich zu beruhigen und schaue mich nach einer Zeitschrift um. In einiger Entfernung entdecke ich eine auf der Sitzfläche liegen. Als ich aufstehe, um mir die Zeitschrift zu nehmen, öffnet sich die Tür und eine Frau in der gleichen Kleidung, wie diejenige, die mich hier hochgeschickt hat, tritt auf den Gang.
Sie orientiert sich kurz und erkundigt sich dann höflich bei mir:
„Sind Sie Herr Myers?“
„Ja, der bin ich,“ antworte ich ihr.
Die Frau nähert sich mir und meint:
„Es freut mich, ihre Bekanntschaft zu machen! Ich bin Frau Rycker. Kommen Sie doch bitte herein.“
Sie hält mir die Tür auf und ich betrete ein spärlich eingerichtetes Büro. Seitlich am Schreibtisch sehe ich noch einen Mann sitzen. Auch er hat einen blauen Anzug an, die Dienstkleidung der Ministeriumsangestellten. Er schaut bei meinem Eintreten auf, lächelt mich freundlich an und weist auf den freien Platz am Schreibtisch.
„Setzen Sie sich!“ sagt er kurz.
Ich tue schnell, wie mir geheißen und lege den Brief auf den Tisch vor mich, der mich hierhergeführt hat.
Nachdem Frau Ryker sich gesetzt hat, nimmt sie den Brief und streicht ihn glatt. Dann überträgt sie etwas aus dem Brief in ihren Computer. Als sie wieder aufschaut, erhebt sich der Mann und erklärt mir:
„So, wir müssen nun eine kurze Untersuchung durchführen.“
Ich erhebe mich ebenfalls. Frau Ryker meldet sich kurz zu Wort:
„Ich bräuchte dann noch ihre Ident-Karte und ihr Impfbuch, bitte!“
Ich nicke und hole die Papiere aus der Innentasche meiner Jacke, um sie ihr zu überreichen.
„So, dann wollen wir mal schauen,“ macht der Mann wieder auf sich aufmerksam. „Ziehen Sie sich nun bitte vollständig aus und stellen Sie sich dort drüben hin! Ich bin sofort bei Ihnen.“
Kurz zögere ich und schaue von Frau Ryker zu dem Mann und wieder zurück. Doch Frau Ryker wendet sich demonstrativ ab. Also gehe ich zu der Raumecke, die durch einen roten Kreis gekennzeichnet ist. Dort gebe ich mir einen Ruck und entkleide mich. Dazu drehe ich den Mitarbeitern des Ministeriums den Rücken zu. Meine Kleidung lege ich auf einen Hocker in der Nähe.
Als ich nur noch in Unterwäsche bin, schaue ich den Mann über die Schulter kurz an. Er hat sich inzwischen zwischen mir und die Bürotür platziert und nickt mir aufmunternd zu. Stumm seufzend streife ich auch meine Unterwäsche ab und lasse sie zu Boden fallen.