Sonntag, 21. Februar 2021
Mars02-Der Besucher (8)
Die bisherigen Übungen haben mich schon ganz gut gefordert und langsam bricht mir der Schweiß aus. Wieder biege ich auf die lange Gerade ein.
Noch immer im Schritt gehe ich bis ich ein Drittel der Strecke hinter mir gelassen habe. Bei der nächsten Markierung achte ich darauf, dass ich mit beiden Hufen auf dem weißen Fleck stehe. Nun beginne ich mich langsam um meine eigene Achse zu drehen. Zwei Markierungen weiter wiederholt sich das Spiel noch einmal, nur in die andere Dreh-Richtung.
Den Rest der Dressur muss ich im Galopp absolvieren. Bei jedem Schritt stoße ich mich kraftvoll vom Boden ab und strecke meinen Körper gleichzeitig durch, so gut es geht. Nur mit der nötigen Körperspannung ist es möglich, bei dieser Geschwindigkeit in den Hufschuhen nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Ich galoppiere den Rest der Längsseite und auch die gesamte Stirnseite entlang. Jetzt habe ich die zweite Runde hinter mir. Nicht mehr lange, und ich bin fertig. Doch nun liegt eine Aufgabe vor mir, die ich überhaupt nicht mag.
An der nächsten Markierung muss ich mich erneut auf der Stelle drehen, dieses Mal jedoch im Galopp. Da ich mein Gleichgewicht hauptsächlich aus meiner Geschwindigkeit gewinne, habe ich hierbei jedes Mal Probleme gehabt, nicht die Balance zu verlieren. Auch dieses Mal fällt es mir nicht leicht und ich trete zweimal deutlich neben die Markierung, komme zum Glück aber nicht ins Straucheln.
Stumm ärgere ich mich, weil mir für die beiden Fehltritte garantiert Punkte abgezogen werden. Daher galoppiere ich etwas zu stürmisch weiter. Nach einigen Metern korrigiere ich meine Geschwindigkeit ein wenig und beiße die Zähne fest auf die Trense. Ich habe es beinahe geschafft. Jetzt darf ich nicht die Konzentration verlieren.
Bei der letzten Markierung der Geraden muss ich die Übung noch einmal wiederholen, wieder nur in die andere Richtung. Erneut trete ich einmal neben die Markierung. Endlich habe ich die Drehung abgeschlossen. Diesmal achte ich darauf, in einem angemesseneren Tempo zu starten. Ich spüre, wie die Luft meine schweißnasse Haut kühlt. Beinahe bin ich fertig.
Noch einmal mache ich eine Rechtskurve am Ende der langen Geraden. Ich laufe bis zur Mitte der Stirnseite, um dann nach innen zu drehen. Mit kräftigen Schritten renne ich genau in der Mitte des Dressurfeldes entlang, den Blick fest auf den Ausgang gerichtet.
Jetzt kann ich Mister Martin erkennen, der dort während der ganzen Zeit gestanden hat und mich beobachtet. Freude brandet in mir auf.
Ich bremse und bleibe genau auf der vorgegebenen Markierung stehen. Für einen kurzen Augenblick wird mir die Stille um mich herum bewusst, dann beginnt das Publikum laut zu applaudieren. Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken als mir bewusst wird, dass der Applaus all dieser Menschen mir gilt.
Ich lächele glücklich. Meine Wangen glühen. Mein Herz schlägt kräftig gegen die Rippen und ich bin völlig außer Atem. Inzwischen schwitze ich am ganzen Körper und die Beinmuskeln kribbeln vor Anstrengung.
Mein Trainer hat das Dressurfeld betreten und taucht neben mir auf. Er lächelt mich zufrieden an und ich glaube, so etwas wie Stolz in seinem Blick erkennen zu können.
?Das hast du gut gemacht, Süße,? lobt er mich und fasst mich am Zaumzeug.
Ich lasse mich von ihm aus der Arena führen. Das Publikum klatscht noch immer und scheint durchaus beeindruckt zu sein.
Unglaublich glücklich, wie auf Flügeln, aber gleichzeitig völlig erschöpft fühle ich mich. Meine Beine scheinen sich automatisch zu bewegen.
Aus den Augenwinkeln erkenne ich die Stute, die als nächstes dran ist. Kurz darauf erreichen wir den Stall. Entspannt lasse ich mich von Mister Martin in meine Box führen.
Ich schließe meine Augen einen Moment, während er meinen verschwitzten Körper mit einem weichen Tuch trockenreibt. Nachdem er mich abgetrocknet hat, verabschiedet er sich noch kurz von mir:
?Ruhe dich jetzt erst einmal aus, das hast du dir verdient. Ich hole dich nachher zur Siegerehrung ab, das wird aber eine ganze Weile dauern. Jetzt sind erst einmal alle anderen Ponys dran.?
Kurz schaue ich ihm noch hinterher, ehe ich zu dem großen Strohhaufen gehe, der in meiner Box liegt. Müde lasse ich mich zu Boden sinken und mache es mir dort bequem. Mein Herzschlag hat sich inzwischen wieder beruhigt. Gelassen beobachte ich durch die Gitterstäbe meiner Box, wie immer wieder Ponys heraus oder herein geführt werden. Irgendwann döse ich ein.
Als Mister Martin wieder auftaucht, lächelt er breit, als er mich so entspannt vorfindet und tätschelt mir die Wange. Ich drehe den Kopf und schaue den Mann an. Ich versuche ebenfalls zu lächeln. Gegenüber meinem Trainer fühle ich mich dankbar, immerhin hat er mir dabei geholfen, nach vielen Tränen, mir meinen Traum zu erfüllen.
Nach ein paar Minuten, die er einfach nur neben mir kniet und mich streichelt, hilft er mir, mich wieder aufzurichten.
?Dann wollen wir einmal zur Siegerehrung gehen. Vielleicht stauben wir ja sogar einen Preis ab,? sagt er. An der kurzen Führleine, die er wieder an meinem Zaumzeug befestigt hat, führt er mich aus der Box. Ich stelle fest, dass auch die meisten anderen Ponys aus ihren Boxen geholt werden.
Mister Martin führt mich nach draußen und überquert mit mir den Platz vor dem Stall in gemächlichem Tempo. Nach kurzer Zeit erreichen wir das Stadion.