Freitag, 19. Februar 2021
Mars02-Der Besucher (6)
Nach ungefähr hundert Metern erreichen wir ein großes Stallgebäude. Mein Trainer öffnet eine Mappe, um in den Anmeldepapieren die Nummer meiner Box zu finden. Schnell hat er sie und meint:
?Na dann wollen wir mal suchen??
Der Stall der Wettkampfanlage ist riesig. Ich werde einen breiten Gang entlanggeführt. Beidseitig befinden sich Boxen, von denen einige schon belegt sind. Neugierig schaue ich in die Boxen und erwidere die Blicke der darin stehenden Ponys.
Plötzlich sagt mein Trainer:
?Ah, da ist sie, Box 11.?
Er führt mich in die Box. Sie hat ungefähr die gleichen Abmessungen, wie meine Box zuhause. Auch hier gibt es die obligatorischen Strohhaufen und die Haken für die Tröge. Mein Trainer schaut, ob Wasser vorhanden ist. Dann gibt er mir einen kleinen Klapps auf den Hintern und verlässt die Box wieder, mich darin zurücklassend.
?Es wird eine Weile dauern, bis es los geht, das Turnier beginnt erst in über einer Stunde,? erklärt er mit ruhiger Stimme. ?Ruh dich so lange noch etwas aus und lass dich nicht verrückt machen! Ich hole dich rechtzeitig ab, so dass du dich noch etwas warm machen kannst, bevor du dran bist.?
Ich weiß nicht so recht, was ich mit mir anfangen soll, also schaue ich erst einmal in die beiden Tröge an der Wand. Einer von ihnen ist leer, der andere mit frischem Wasser gefüllt. Vorsichtig tauche ich mein Gesicht halb in den Wassernapf und sauge etwas Flüssigkeit an meiner Trense vorbei.
Im Laufe der nächsten Zeit füllt sich der Stall allmählich. Immer wieder werden andere Stuten an meiner Box vorbeigeführt. Vor Langeweile beobachte ich das Treiben von den Gitterstäben aus.
Plötzlich nehme ich eine Bewegung ganz in der Nähe wahr und drehe den Kopf. Mein Blick fällt auf eine hübsche Frau mit recht kurzen, schwarzen Haaren, die eine junge Stute den Gang entlangführt. Das Pferd ist schlank und trotzdem weiblich gerundet, die Beine muskulös.
Mit ruhigen Schritten folgt sie ihrer Trainerin und schaut sich neugierig um. Ich schaue ihr hinterher, bis sie aus meinem Blickfeld verschwunden ist. Nach einer ganzen Weile erst ist der Stall gefüllt. Beinahe in jeder Box stehen nun Ponys, die hier auf ihren Einsatz warten. Beinahe gleichzeitig verschwinden alle Trainer aus dem Stall, so dass die Tiere unter sich sind.
Noch immer stehe ich am Gatter und schaue mir neugierig die anderen Stuten an. Einige von ihnen tun es mir gleich, andere haben es sich in ihren Boxen gemütlich gemacht. Meine Nervosität wird immer größer. Die Tatsache, dass alle Menschen aus dem Stall verschwunden sind, erkläre ich mir damit, dass die Eröffnung des Turniers vermutlich unmittelbar bevorsteht. Mein Herz schlägt aufgeregt in meiner Brust, als ich daran denke, dass ich schon bald auf dem Dressurfeld stehen werde.
Nach einer unbestimmten Zeit kehren die ersten Trainer wieder in den Stall zurück. Ich beobachte, wie zwei Stuten aus ihren Boxen geholt und anschließend aus dem Stall geführt werden. Beide wirken genau so aufgeregt wie ich.
Schließlich nähern sich Schritte und Mister Martin ist wieder da. Er legt mir eine Hand auf die Schulter und erklärt: ?So meine Süße, du hast die Startnummer 7 bekommen. Wir haben aber noch etwas Zeit, in der du dich aufwärmen kannst.?
Ich kann meinen Herzschlag noch deutlicher spüren. Langsam nicke ich mit dem Kopf, um ihm zu zeigen, dass ich ihn verstanden habe. Der Mann schaut mich prüfend an, wirkt aber zufrieden.
?Bevor wir gehen, solltest du vielleicht deine Blase noch einmal entleeren. So hast du eine Sorge weniger,? schlägt er vor.
Natürlich weiß ich, dass er Recht hat. Einen kurzen Moment lausche ich in meinen Körper hinein. Dann drehe ich mich um und gehe zu dem kleinen Heuhaufen. Es dauert etwas, bis ich es schaffe, mich zu entspannen.
Anschließend verlassen wir den Stall auf dem gleichen Weg, auf dem wir herein gekommen sind. Meine Beine zittern ein wenig und mein Magen scheint sich zu verkrampfen.
Draußen führt er mich zu einem großen Sandplatz. Es ist kein richtiger Dressurplatz, reicht aber aus, sich aufzuwärmen.
In den nächsten Minuten trabe ich mit ruhigen und entspannten Bewegungen über das Feld. Ich versuche, mich auf die Mister Martins Anweisungen zu konzentrieren, bis er mich anhalten lässt und an der Führleine festhält.
?Du bist als nächstes dran,? eröffnet er mir. ?Ich bringe dich bis zur Arena und bin auch immer in deiner Nähe. Versuche, ruhig zu bleiben!?
Dabei schaut er mich lange und fest an. Ich schaffe es kaum, seinem Blick standzuhalten, so aufgeregt bin ich. Schon jetzt etwas außer Atem, folge ich dem Mann einen Sandweg entlang, der auf das Stadion zuführt. Wie alle Dressurstadien ist es U-förmig. Der Weg, dem wir gerade folgen, führt uns auf das offene Ende des Stadions zu. Das Innere kann ich noch nicht sehen, denn eine etwa zwei Meter hohe Absperrung blockiert mir die Sicht.
Als wir die Absperrung erreichen, schaue ich unsicher durch den Durchgang. Ich kann das Dressurfeld sehen bis hinüber zur gegenüberliegenden Tribüne. Eine große Anzahl von Menschen haben auf den Zuschauerrängen Platz genommen.
Mister Martin löst die Führleine von meinem Zaumzeug. Kurz kontrolliert er den Sitz der Trense, ehe er mir sanft über die Flanke streichelt.
?Konzentriere dich einfach nur auf deine Bewegungen und das Dressurfeld. Wir haben alles gut geübt, du schaffst das!? muntert er mich noch einmal auf und lächelt mir zu.